Ab 2035 deutlich weniger Fichte
Es gibt Prognosen, dass die Fichte speziell bis 2035 in stark steigendem Ausmaß aus den deutschen Wäldern verschwinden wird. „Bis 2035 wird weiterhin viel Fichte auf den Markt kommen, danach aber drastisch weniger. Dann erreicht man einen Kipppunkt, denn der Zuwachs kommt von immer weniger Fläche und Volumen“, formuliert es Dr. Andreas Bolte, Leiter für Waldökosysteme Thünen-Institut Hamburg.
Ab 2050 nur noch halb so viel
Bis 2050 sagt das Thünen Institut einen Rückgang auf die Hälfte des derzeitigen Vorrats voraus: Das wären nur noch 500 Mio. m³. Dann kämen also statt der gewohnten 50 Mio. Efm/J Fi/Ta-Rundholz nur noch 25 Mio. Efm/J auf den Markt. Hinzu kommen noch rund 10 Mio. Efm/J Kiefer.
Blickt man bis 2100 voraus, so gehen Experten wie Ralf Petercord, Landwirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen, davon aus, dass mit der Fichte wohl nur noch 30 % der derzeitigen Fläche bewirtschaftet werden können. Das wären im Wesentlichen die Alpen und das Alpenvorland – allenfalls noch die Grenzgebirge zu Tschechien. „Kurz- und mittelfristig gibt es objektiv keinen Rohstoffmangel. Speziell die Holzindustrie hat also Zeit für eine geordnete Transformation“, formuliert es Petercord.
Regional deutlich unterschiedlich, aber vor allem unter 600 m Seehöhe wird der Waldumbau zuerst passieren müssen. Die Fichte kommt also bei steigenden Temperaturen speziell in den Tieflagen zunehmend an ihre Vitalitätsgrenzen.
Vorsicht überaus nötig – Käfer auch im Gebirge gefährlich
Dass auch das Hochgebirge nicht mehr vor dem Käfer gefeit ist, zeigt die Entwicklung im Alpenraum. Die gravierenden Schäden in Oberkärnten, Osttirol und Südtirol finden in höheren Lagen und in autochthonen, naturnahen Fichtenwäldern statt. Das zeigt, dass die Fichte mit dem Borkenkäfer einen potenten Gegner hat, den man intensiv bekämpfen muss. Dachte man früher, dass in diesen Höhen nur eine Käfergeneration überlebensfähig ist, so gibt es jetzt selbst auf 1000 m mitunter drei.
Es hilft also nur intensiver Forstschutz. Das Beispiel, wie der Kampf mit dem Käfer geführt werden muss, ist für Petercord das konsequente Borkenkäfermanagement im BaySF-Forstbetrieb Wasserburg nach Sturm Niklas 2015.
Begehrtes Schwachholz fehlt
Schon jetzt zeigt sich: Die Vorräte der besonders stark nachgefragten mittelstarken Sortimente haben bis zu einem Brusthöhendurchmesser von 40 cm zwischen den beiden BWI 2012 und 2022 deutlich abgenommen. Bei der Fichte reicht der Vorratsrückgang sogar bis zur Durchmesserklasse 50 bis 59,9 cm. Die Vorräte in den hohen Durchmesserklassen sind laut BWI 4 hingegen angestiegen – je höher die Durchmesserklasse, desto stärker ist dabei die Vorratszunahme.
Es kommt also zunächst immer stärkeres Holz. Dann werden die immer kürzeren Erntezyklen zu schwächeren Durchmessern führen. „Die Umtriebszeit bei Fichte wird künftig eher bei 50 als bei 120 Jahren liegen“, sagt Petercord voraus.
Konstant mehr Schadholz als lange Zeit gewohnt
„Die Jahre mit 20 % Schadholz am Gesamteinschlag kommen nicht wieder. Wir müssen uns auf 40 % Schadholz allein aus biotischen Schäden einstellen. Allfällige Sturmschäden kommen noch hinzu“, sagte Bolte voraus. Es wird also immer wieder Schadholz geben. Darauf sind nicht alle deutschen Bundesländer vorbereitet. Außer in Bayern gibt es kaum genehmigte Lagerplätze.
Was die deutschen Waldbesitzer seit 2019 aufgebaut haben, ist das „Exportventil China“. War man bis 2019 Nettoimporteur, so gab es in den Schadholzpeakjahren Exportmengen bis fast 12 Mio. m³.
Von Begründung rasch zur Stabilität und dann bald Ernte
Die Fichtenbewirtschaftung wird sich in den kommenden Jahrzehnten verändern. „Fi-Bestände müssen wir stark werden lassen. Das heißt, mit geringer Stückzahl begründen, sehr früh pflegen. Geerntet wird bei einer nutzbaren Stärke von 2a oder 2b, dann ist Schluss. Noch älter können wir nur wenige Bäume werden lassen“, ist Petercord überzeugt. Für ihn gilt immer die Zielstärkennutzung. Die Wälder sollten tunlichst deutlich strukturierter und ungleichaltrig sein. Altersklassen sind obsolet.
Viele Wälder schon heute ungepflegt, faktisch außer Nutzung
Bei der Frage, wie die Wälder umgebaut werden, ist eine wichtige Komponente die Besitzart. In Deutschland sind 48 % der Wälder in Privatbesitz, 33 % in Bundes-/Landesbesitz und 19 % in kommunalem Besitz. „Am weitesten sind klarerweise die öffentlichen Wälder“, weiß Petercord. Auch die großen Privatwälder, die vom Wald leben, werden aktiv dabei sein. Sorgen macht ihm insbesondere der Kleinprivatwald – dem sowohl das Wissen um die Dringlichkeit als auch Geld und mitunter auch das Interesse am Wald fehlt.
„40 % der deutschen Wälder wurden in den vergangenen zehn Jahren nicht gepflegt“, heißt es in der BWI 4. AGR-Sprecher Dr. Carsten Merforth dazu: „Die BWI 4 zeigt weieters, dass schon vor 2022 auf 690.000 ha oder 6% der Waldfläche in Deutschland keine Bewirtschaftung mehr stattfindet und auch nicht mehr zu erwarten ist.“
Tolle Zeiten für Holzwerkstoffindustrie – weil alles verwertbar
Die künftigen Wälder werden deutlich baumartenreicher sein. Die klassischen Verarbeitungsmethoden, um diese stofflich zu nutzen, stoßen dann an ihre Grenzen. Petercord sieht daher eine „tolle Zukunft für die Holzwerkstoffindustrie voraus“. Unsere Erklärung: Zerfasern geht immer.
Weil wir Holzprodukte im Klimawandel dringender brauchen als jemals zuvor, rät Petercord zu „möglichst zuwachsstarken Baumarten. Wir sollten versuchen, immer auch einen hohen Nadelholzanteil reinzubringen“ (s. auch Beitrag „Schneller, aktiver Waldumbau“).