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Prof. Dr.-Ing. habil. Josef Nassauer © Schneider

Ist die Holzbranche

Ein Artikel von Administrator | 22.03.2001 - 00:00
Die doch kleine Welt der Holzbranche hat sich erneut vom 7. bis 8. März im oberbayerischen Rosenheim versammelt. Anlass war das „Holz Innovativ”-Symposium, welches mit seinen 52 Referenten aus Wirtschaft und Wissenschaft annähernd 600 Besucher - neben Deutschland auch aus Österreich, Italien, der Schweiz, Slowakei und den USA - angelockt hat. Am Vortag der Vortragsreihen fanden „One-on-one”-Kooperationsgespräche statt, an denen sich für 200 Unterredungen 52 Unternehmen beteiligt haben. Bei der zeitgleich durchgeführten Ausstellung konnten die Produkte und Dienstleistungen von 50 Firmen begutachtet werden
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Prof. Dr.-Ing. habil. Josef Nassauer © Schneider

Wissens-Transfer. „Ziel dieses Symposiums ist die Stärkung der heimischen Holzindustrie und Forstwirtschaft sowie die Eröffnung neuer Marktchancen", so Prof. Dr.-Ing. habil. Josef Nassauer, Geschäftsführer von Bayern Innovativ, Nürnberg/D. Dies solle durch die Präsentation neuer Entwicklungen und Erfahrungen, sowie durch eine Intensivierung des Dialoges zwischen Experten und Anwendern von- statten gehen. Bayern Innovativ konzentriert sich in seiner Netzwerktätigkeit auf ein Feld von 10 Technologien und 10 Branchen. Der Stab von über 35 Mitarbeitern setzt sich aus Ingenieuren, Physikern, Chemikern, Informa- tions- und Kommunikationsexperten, Wirtschaftswissenschaftern und Marketingfachleuten zusammen.
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Dirk-Uwe Klaas © Schneider

Vier Säulen. Die deutsche Holz- und Möbelindustrie, welche im Jahr 2000 einen Umsatz von 40 Mrd. € erwirtschaftet hat, teilt sich in 4 Bereiche mit unterschiedlichem Ergebnis auf, so Dirk-Uwe Klaas, Bad Honnef/D. Die Möbelindustrie nimmt mit 60%, sprich 24 Mrd. € den größten Bereich ein. Dabei erzielten Kasten- und Büromöbel höhere Zuwächse als Küchenmöbel und Matrazen. Die Holzwerkstoffindustrie liegt bei 10% oder 4 Mrd. €, wobei Spanplattenhersteller ein Umsatzplus von 7% erwirtschafteten. Der baunahe Bereich, zu dem Fenster, Türen, Zimmermanns- und Bautischlerarbeiten zählen, beteiligt sich mit 17% oder 7 Mrd. € am Umsatz und bekommt den 16%-igen Rückgang der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser stark zu spüren.
Pro-Kopf-Holzbedarf
0,52 m³ in Österreich
0,38 m³ in der Schweiz
0,20 m³ in Deutschland
Erfreulicher Außenhandel. Die deutschen Möbelausfuhren in den ersten 9 Monaten des Jahres 2000 stiegen um 19% auf 3,5 Mrd. € an. Die Möbelimporte konnten um 11% zulegen. Die Exportquote betrug 18%. Die Zuwächse resultieren hauptsächlich aus der gestiegenen Nachfrage nach deutschen Möbeln in der EU. Einrichtungsgegenstände haben für Deutsche einen hohen Stellwert. Pro-Kopf geben sie 415 € im Jahr für Möbel aus, in Österreich sind es 386 € und in Portugal 113 €.Ikea und Quelle. Zu beachten sei zudem auch der erhöhte Druck der Einkaufsverbände, so Klaas. In Deutschland werden von 5 Einkaufsverbänden und 2 Filialisten (Ikea und Quelle) 50% des Marktvolumens gehalten. Die Wertschöpfungskette zeigt, dass der eigentliche Produktionsprozess nach maximal 6 Arbeitstagen abgeschlossen ist. Die Lieferzeiten für Möbel betragen je- doch 5 bis 9 Wochen. Durch diese unverhältnismäßig lange Zeitspanne gehen Aufträge verloren. Trotz der Zeit, die man sich lässt, entstehen Industrie und Handel durch Reklamationen rund 1 Mrd. € Verlust pro Jahr.
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Prof. Dr. Arno Frühwald © Schneider

Büroschlaf und Tagträumer. „Es herrscht die landläufige Meinung, dass Forscher immer alles besser wissen”, so Prof. Dr. Arno Frühwald, Universität Hamburg/D, „und dass Politiker nur an Geld und Kosten denken”. Diese Kluft müsse unbedingt abgebaut werden, um die Forschung voranzutreiben. Es gilt, nicht nur zu entdecken, sondern auch das Erforschte umzusetzen. „Feuerwehrforschung” sei zwar oft notwendig, anstreben solle man jedoch kontinuierliches Arbeiten mit fest angestellten Mitarbeitern, deren Forschungsauftrag nicht nach einem Jahr auslaufe. Die klassische Holzforschung schaffe wenig Produktinnovationen und oft herrschten unter den Mitarbeitern Defizite, Büroschlaf und Tagträumerei vor.F&E-Aufwendungen. In Deutschland haben nur 10 bis 20 der großen Unternehmen in der Holzbranche eine Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Es gibt 30 Institute, an denen sich 400 bis 600 Forscher mit Holz befassen.
„Holz hat gute Chancen, wir machen nur zu wenig daraus!”
Arno Frühwald
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Heikki Castrén © Schneider

Für Forschung und Entwicklung werden in Deutschland in der Holz-, Papier- und Druckindustrie 0,2% des Umsatzes ausgegeben, in Finnland dagegen 2%, so Heikki Castrén, Vizepräsident von Finnforest, Espoo/FIN.Neu im Sortiment: Doppel-T-Träger. Der Jahresumsatz von Finnforest beträgt 1,2 Mrd. €. Das Unternehmen ist mit 4200 Mitarbeitern in 18 Ländern vertreten und unterhält 25 Produkionsstätten in Finnland und Europa, so Catrén. Finnforest gehört zur Metsäliitto-Gruppe, die sich im Besitz von 122.500 privaten finnischen Forsteigentümern befindet. Für tragende Holzkonstruktionen werden folgende Produkte verwendet: nach Festigkeit sortiertes Schnittholz, Brett- und Furnierschichtholz. Neu am Markt ist ein Doppel-T-Träger aus Hobelware und OSB. Das Marktvolumen dieser Produkte liegt in Europa bei 1,7 bis 2 Mrd. €/J.
Ökologischer Rucksack
Vergleich der Umweltrelevanz eines Werkstoffs: Berechnung der Menge an Energie zur „Gewinnung” eines Kilogramm.
• Holz 1,2 kg/kg
• Stahl 7,0 kg/kg
• Kunststoff 9,0 kg/kg
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afsdf © Schneider

Holz der kurzen Wege. Eine Dienstleistung für das Ernten von Holz, das ungenutzt in geerbten Wäldern steht, fordert Dr. Veit Welsch, Vorsitzender des Bayerischen Säge- und Holzindustrieverbandes. Ein Drittel des Nadelschnittholzbedarfes wird von Deutschland importiert und nur 10% seiner Produkte exportiert.
Dabei dürfe es keine Wettbewerbsverzerrungen durch einen förderungs- und weniger marktinitiierten Aufbau von Überkapazitäten insbesondere in den neuen Bundesländern geben. Auch von österreichischer Seite sieht Welsch einen gewissen Druck, da hier die Personalkosten pro Stunde um 5 € geringer seien.
Holz ist ein Sympathieträger. „Derzeit bleibt v. a. im deutschen Kleinprivatwald ein Drittel des nachhaltig zur Verfügung stehenden Holzvorrates ungenutzt”, so Andrea Rosenbaum, Vorstandsvorsitzende des Holzabsatzfonds, Bonn/D. Auf der anderen Seite sehe sich die Holz- und Forstwirtschaft einem wachsenden Konkurrenzdruck der Substitutionsgüter, wie Beton und Stahl ausgesetzt. Dieser massive Marketingwettbewerb darf nicht verschlafen werden. Hinderlich dabei ist, dass die Forst- und Holzwirtschaft mit ihren über 250 Verbänden und Organisationen nicht als eine Branche von der Bevölkerung wahr genommen wird.„Wenn viele zusammen nichts tun, ist dies noch lange keine Kooperation.”
Andrea Rosenbaum
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Kai-Uwe Ginorz © Schneider

Ästhetisch und ingenieurmäßig anspruchsvoll. „Zur Stärkung des Holzabsatzes bietet sich der Holzbau mit Holzrippenschalen einfach an: Was man sonst in Beton ausführt, bedarf ohnedies einer Schalung aus Holz, zudem ist das resultierende Flächengewicht geringer”, so Kai-Uwe Giniorz, Lausanne/CH. Die Schwäche des Holzes liege in der gleichzeitigen Krümmung und Torsion. Im Feldbereich sind die Rippen durch Nägel und Schrauben miteinander verbunden. Der Knotenpunkt stellt eine Querschnittsschwächung und einen Steifigkeitssprung dar.Keine Angst vor Anhang F. Zur statischen Berechnung empfiehlt Giniorz den Anhang F der Holzbau-DIN, womit der Übergang vom 2- zum 3-dimensionalen System vollzogen wird. Meist ist die Form durch den Bauherren oder Architekten vorgegeben. Deshalb müssen die Systemlinien für die Kreuzrippen gefunden und ein sinnvolles Netz generiert werden. Somit kann man die richtige Netzdichte, Holzdimension und Verbindungsmitteldichte berechnen.Holz schweißen. Für das Heißklebeschweißen gibt es inzwischen 3 Möglichkeiten: mittels Ultraschall oder Mikrowellen und das Reibschweißverfahren. Beim Pyrolyse-Schweißen wird ohne weitere Zusätze gearbeitet. Der Verbund entsteht dadurch, dass sich das Holz in Kohlenstoff zersetzt und sich ein neues Übergangsprodukt bildet. Angestrebt wird ein Durchlaufverfahren, bei dem Brettstapelelemente gefertigt werden, die horizontalsteif sind.
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Dipl.-Ing. Christoph Häring © Schneider

Hochleistungsfasern in BSH. „Die FIRP-Armierungstechnologie ist eine neue Methode, Brettschichtholz herzustellen”, so Dipl.-Ing. Christoph Häring, Pratteln/CH. Faser-Lamellen mit unidirektional gerichteten Fasern werden mittels Klebstoff mit dem Brettschichtholz verleimt und fungieren als Zugverstärkung bei einem Querschnittsanteil von 0,15 bis 5%. Aramid-Fasern sind etwa fünfmal stärker als Stahl bei einem Fünftel des Gewichts.
„Wir Europäer testen und testen und verpassen dabei den Markt.”
Christoph Häring
Um die Fasern verarbeiten zu können, werden sie in eine Matrix eingebunden. Die Faserverstärkung im Zugbereich reduziert den Einfluss von Holzunregelmäßigkeiten wie Ästen oder Schrägfaserigkeit.Wie Stahlbeton. Mit dieser Verstärkung kann der Holzdruckwiderstand über der neutralen Achse ausgenutzt werden. Dieses Vorgehen erlaubt dem Ingenieur eine Druckbemessungsmethode, wie sie im Stahlbetonbau eingesetzt wird. Daraus folgt eine höhere Duktilität, eine größere Tragfähigkeit, eine geringere Streuung als bei unverstärkten Trägern und eine Reduzierung der Träger-Querschnitte um 25%. Für eine höhere Tragfähigkeit im Brandfall wird auf die Unterseite eine zusätzliche Holzlamelle geleimt. Weltweit wurden bereits über 300 Bauten mit dieser Technologie ausgeführt, seit 1999 auch in der Schweiz und Österreich.CS
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Gerd Wegener, Heikki Castrén, Karl Moser, Xaver Haas (v. l.) © Schneider

Die Podiumsdiskussion zum Thema „Zusammenwachsen der Holzwirtschaft in Europa” wurde zu einer One-Man-Show von Xaver Haas, Geschäftsführer von Haas Fertigbau, Falkenberg/D.
Haas: „Die Rahmenbedingungen für den Holzbau sind günstig, Mehrgeschosser in Holz sind möglich, es besteht jedoch noch Forschungsbedarf. Laut einer Umfrage würden 40% der Bevölkerung ein Holzhaus bauen (sh. Holzkurier Heft 11, S.5), demnach liegt die Schuld in der Schwerfälligkeit der Branche. Nicht nur Techniker sind gefragt, sondern auch gute Kaufleute. Die neue Wärmeschutzverordnung sollte man als Chance nutzen. Man muss die landläufige Meinung, dass „Holz brennt, schwimmt und fault” bei der Bevölkerung durch Qualität entkräften. Holzreste müssen zu Pellets verarbeitet und in der Region weiterverkauft werden.”
Wegener: „Die Qualität bei Holz ist schwerer zu definieren als bei anderen Werkstoffen. Man sollte zuerst die stoffliche, erst in zweiter Linie die thermische Nutzung von Holz anstreben.”
Moser: „Es gibt in jüngster Zeit Holzbauprojekte, die früher in ihrer Größe nicht am Markt waren, deshalb sind Allianzen von kleineren Betrieben notwendig.”
Glos: „Die Zukunft des Holzes liegt im Bauwesen. Problematisch ist allein das fehlende Vertrauen der Bevölkerung und die Hemmschwelle der Architekten, da mit Holz weniger Geld zu verdienen ist.”