Ein jahrelang unter Wert gehandelter Rohstoff wurde in vergangenen Jahren immer gefragter. Sägespäne haben mit Holzpellets einen Wertschöpfungszweig gefunden, der seit Jahren boomt. Der Sägespänepreis verdreifachte sich in der vergangenen Dekade. Entsprechend änderte sich die Einstellung der Unternehmer zu den Sägenebenprodukten. Qualitativ hochwertige Hackschnitzel werden zunehmend bei saisonalem Bedarf für die Pelletsproduktion verwendet. Dort muss das Hackgut aber zerkleinert werden. Eine neue Generation an Werkzeugen macht diesen Schritt obsolet. Leuco, Horb am Neckar/DE, hat einen Eckenfräser mit 160 Schneiden entwickelt, dessen „Granulatspäne“ direkt auf den Bandtrockner des Pelletswerks geliefert werden können. Das nötige Know-how für die Sägelinie stammt von EWD, Altötting/DE. Gemeinsam haben sie das „P-System“ im Sägewerk Dold in Buchenbach/DE eingesetzt.
Keine Ausrisse bei der Hauptware
Die Profilspanerlinie in Buchenbach stammt von EWD. Die 2002 installierte Nachschnittgruppe hat sich für die umfangreichen Versuche angeboten. Das Fräsaggregat FR15, gefolgt vom Fräs- und Sägeaggregat FR16, bearbeitet das Model und trennt die Seitenbretter ab. So eine Anlagenkonfiguration ist ideal, wenn man neue Werkzeuge ausprobieren will. Sollte das neue Produkt nicht funktionieren, kann das zweite Aggregat mit der bewährten Lösung weiterarbeiten. Doch das war nicht nötig. Das neue Werkzeug überzeugte alle.Ein Eckenfräser kommt nach dem Spaneraggregat zum Einsatz. Seine Aufgabe ist es, aus dem angespanten Stamm jenes Profil anzufertigen, von dem scharfkantige Seitenbretter abgetrennt werden können. Bei diesem Schritt gibt es ein lange ungelöstes Problem. Denn herkömmliche Werkzeuge folgen dem Paradigma des TMP-Hackschnitzels und trennen große Späne ab. Die Kräfte bei der Abnahme führen aber zu Beschädigungen der Hauptware – gerade beim Faserverlauf entlang von Ästen. Leucos P-System („P“ steht für Peel = schälen) verhindert Ausrisse. Die Schneiden des vor drei Jahren vorgestellten Werkzeugsystems besitzen einen extrem ziehenden Schnitt. Bislang arbeiten die Schneiden vor allem bei Holzwerkstoffen und im Möbelbau. Nun hält das System Einzug in die Sägewerke. Doch die Anforderungen an ein Werkzeug sind dort komplett anders als etwa bei der Spanplattenbearbeitung.
Die anspruchsvolle Entwicklungsarbeit lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Ja, es funktioniert, aber Leuco baute dafür das größte Werkzeug, das die Werkshallen jemals verließ.
160 Hartmetallschneiden auf 36 cm
Die Werkzeuge mussten mit Dolds Anlage kompatibel sein. Das führte zu einem Werkzeug mit 36 cm Durchmesser, 12 cm Höhe und 100 kg Gewicht. Eingebaut wird es auf einer vertikalen Welle mit 8 cm Durchmesser. Der Grundkörper des Prototyps bestand noch aus Aluminium. Zur Serienreife entwickelte Leuco aber seinen P-System-Eckenfräser mit einem Stahlkörper. Im Falle senkrechter Wellen besitzt das Werkzeug vier Segmente, die sich für die leichtere Handhabung einzeln aushängen lassen. Werkzeuge für waagrechte Wellen können einzeln abgenommen werden und sind daher aus einem Stück gefertigt. Entlang des Umfangs ziehen sich spiralig acht Reihen von münzgroßen, vierseitigen Schneiden – in Summe 160 Stück. Anders als bisherige P-System-Werkzeuge sind die Eckenfräserschneiden nicht aus Diamant, sondern aus Hartmetall. Dieses Material ist wegen seiner Schlagzähigkeit wesentlich besser für den rauen Sägewerksalltag geeignet als der Werkstoff aus reinem Kohlenstoff.2 Mio. lfm Standweg – man ist beeindruckt
Im September 2012 wurde der P-System-Eckenfräser bei Dold für eine Woche in Probebetrieb genommen – und zwar nur auf der linken Seite. Somit hatte man den perfekten Vergleich zwischen Alt und Neu. „Nach dieser Woche durften wir den neuen Fräser nicht mehr ausbauen“, berichtet Dr. Martin Dressler, der das Projekt für Leuco leitete. Wenige Tage machten klar: Die Schnittqualität ist den zuvor eingesetzten Werkzeugen überlegen.Mittlerweile ist der P-System-Eckenfräser über ein Jahr im Einsatz. Laut Herbert Dold, Geschäftsführer der Dold Holzwerke, ist das wichtig, um ein neues Produkt beurteilen zu können, denn es müsse bei sommerwarmer Fichte ebenso gut arbeiten wie bei gefrorener Tanne. Zeit also, ein Fazit zu ziehen. Aber je nachdem, wen man fragt, bekommt man eine andere – aber immer positive – Antwort.
Sägewerker Dold betont in erster Linie die Schnittqualität. „Wir verarbeiten die Hauptware im angrenzenden Plattenwerk zu Massivholzplatten. Weil es mit dem neuen P-System-Fräser keine Ausrisse mehr gibt, haben wir mehr fehlerlose Ware für die Decklagen“, berichtet er.
Dressler – ganz der Werkzeugforscher – betont dagegen die Standfestigkeit. „Wir brauchen die Schneiden nur mehr alle vier Monate zu drehen. Nachschärfen ist nicht notwenig. Bei Dold erreichten wir schon Schnittlängen von über 2 Mio. lfm. Das ist weit mehr, als wir erwarteten.“ Abgenutzte Schneiden erkenne man übrigens nicht an schlechterer Schnittqualität, sondern an der gestiegenen Leistungsaufnahme, betont Dressler.
Für den dritten Vorteil des neuen Fräsers spricht man am besten mit Christian Wangler. Der Betriebsleiter des integrierten Pelletswerks sagt: „Die Späne vom Eckenfräser kann ich direkt auf den Bandtrockner geben. Da sie feiner als Hackschnitzel sind, braucht die Trocknung weniger Energie.“ Nicht nur das. Dank des Leuco-Eckenfräsers verzichtet Dold auf die Anschaffung einer Hammermühle für feuchte Hackschnitzel. Trotzdem wird die 40.000 t/J-Pelletierung mit genügend Rohstoff aus dem 300.000 fm/J-Sägewerk versorgt.
Habenseite überwiegt
Die drei Vorteile zusammengefasst: Der ziehende Schnitt bringt höhere Qualität bei Seiten- und Hauptware. Die Rüstzeiten sind deutlich geringer, weil das Nachschärfen entfällt und die Standzeiten ein Vielfaches höher sind. In der nachgelagerten Pelletsproduktion sinkt der Energiebedarf für Trocknung und Zerkleinerung.Natürlich gibt es auch Nachteile. Gegenüber klassischen Werkzeugen braucht ein P-System-Eckenfräser mehr Energie. Zudem ist ein Werkzeug mit 160 Hartmetallschneiden in der Anschaffung zunächst einmal kostspieliger. Diese beiden Aspekte werden aber von den Vorteilen mehr als aufgewogen, ist Dold überzeugt.
In der Vorschnittgruppe seines Sägewerks lässt sich aufgrund der älteren Bauweise kein P-System-Fräser nachrüsten. Aber wenn dieser Teil der Sägelinie mal erneuert wird, kann man davon ausgehen, dass auch dort der ziehende Schnitt zum Einsatz kommt. Zudem tüfteln Leuco, EWD und Dold an weiteren Einsatzorten dieser Technologie in der Sägelinie.
Nachrüstung möglich, aber nicht überall
Leuco vertreibt die P-System-Eckenfräser exklusiv über seine Entwicklungspartner EWD und Linck, Oberkirch/DE. Sägelinien dieser beiden Hersteller lassen sich nachrüsten – aber nicht alle. „Im Bedarfsfall wird die Maschine auf ihre Einbaumöglichkeiten überprüft. Dem Interessenten können wir dann entsprechende Umbausätze vorschlagen“, sagt EWD-Technikleiter Klaus Klett. Gerade bei Betrieben mit integrierter Pelletsproduktion kann sich diese Nachrüstung aber schnell auszahlen. Aktuell montiert EWD ein Sägewerk in Sibirien, bei dem die P-System-Fräser eingesetzt werden. Weitere Projekte stehen im Baltikum an. Und seit das System auf der Ligna vorgestellt wurde (s. Holzkurier Heft 22/13, S. 12), ist auch das Interesse in Mitteleuropa geweckt.In Österreich werden die Leuco-Werkzeuge von Oertli, Feldkirch, vertrieben.
Leuco – Facts
Vorstand: Frank DiezStandorte: Horb am Neckar/DE
Sortiment: Kreissägeblätter, Zerspaner, Fräswerkzeuge mit Schaft und Bohrung, Bohrer, Profil- und Wendeplatten, Spannsysteme, P-System (70° ziehender Schnitt)
EWD – Facts
Geschäftsführer: Herbert OppenbornStandorte: Altötting/DE, Reutlingen/DE
Sortiment: Kreissägen, Profilierer, Bandsägen, Besäumer, Gattersägen