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Absatzindikator Mai 2022

Höhepunkt überschritten

Ein Artikel von Gerd Ebner | 02.06.2022 - 08:29

Die nachösterliche Nachfrageruhe dauerte den ganzen Mai an. Bei nahezu allen Holzsortimenten für den Baubereich kam es statt zu weiteren Preiserhöhungen zu -rückgängen auf breiter Front. In einer solchen Phase wird noch weniger eingekauft – nur der, der dringend etwas benötigt, ordert.

Der Holzkurier macht daher für den Mai einen Absatzindikatorwert von 193 % fest. Das ist eine deutliche Korrektur im Vergleich zum April von fast elf Prozentpunkten.

Holz da, Rest teilweise nicht

Die unüblich hohen Lagerstände sind eine Erklärung für die unbefriedigende Absatzsituation bei Bausortimenten. Die Projektabwicklung auf den Baustellen ist heuer überdies merklich beeinträchtigt: „Holz gibt es genug – es fehlt an Stahl, Beton, Dämmung und anderen Baumaterialien.“ Diese Bedarfsdämpfung behindert ebenfalls das Marktgeschehen. Im Unterschied zum Vorjahr passt für die Holzbauunternehmen die Verfügbarkeit und auch die Preise sind deutlich unter den 2021er-Rekorden – jetzt klemmt es woanders.

Kein befragter Marktexperte wagt es, das Marktgeschehen bis über die Jahresmitte hinaus einzuschätzen. Drei wahrscheinliche Szenarien kristallisieren sich aber heraus:

  • 2022 ist die zeitversetzte Kopie von 2021
  • Abschwung, weil Zukunftsängste/Inflation/Weltwirtschafts- abschwung den Bau dämpfen.
  • Aufschwung, weil ab Juli definitiv nichts mehr aus den Sanktionsländern kommt.

Szenario 1

Statt im Juli kommt der Abschwung heuer zwei, drei Monate früher. Bei fallenden Preisen kauft niemand und nun kommt bald die Urlaubszeit. Trifft diese Logik zu, so könnte es heuer mit dem Herbstgeschäft schon wieder rasant nach oben gehen.

Szenario 2

Es gibt so viele Unsicherheitsfaktoren wie niemals zuvor. COVID-19, unterbrochene Logistikketten, Krieg in Europa, Arbeitskräftemangel, explodierende Energiepreise … das dämpft die Bauentwicklung, weil die Entscheidung zum Baustart eine optimistische Zukunftseinschätzung voraussetzt.

Steigende Zinsen und schärfere Kreditvergaben werden ebenfalls dämpfend wirken. Großprojekte wurden von Investoren teilweise mit sehr wenig Eigenkapital gestartet. Diese werden ebenfalls wegfallen.

Szenario 3

Seit Kriegsbeginn wird diskutiert, wie es der EU gelingen soll, die 8,5 Mio. m3 Nadelschnittholz zu kompensieren, die man etwa im Vorjahr aus den drei Konfliktländern bezog. Bis dato kam es – außer bei Verpackungsware – noch zu keinen massiven Engpässen. Das könnte sich ab dem 10. Juli ändern. An diesem Tag wird der Import aus dem Osten definitiv auf null gesetzt.

Hinzu kommt, dass Länder wie Japan oder Australien ebenfalls den Import von russischem Schnittholz beenden. Diese Mengen muss man ebenfalls am Weltmarkt kaufen. Da kanadisches Schnittholz am US-Markt gebunden ist, bleibt wohl nur der Einkauf in Europa übrig.

Egal, welches Szenario eintritt, eine temporäre Verringerung der Produktion dürfte das Gebot der Stunde sein. Exemplarisch sei dies am volatilsten Holzprodukt erklärt: Konstruktionsvollholz, also KVH. Deren Hersteller hatten schon im April zu 75 % einen fallenden Auftragseingang. Bei keinem stieg der Auftragsstand gegenüber März (s. Holzkurier Heft 20, S. 06). Für Mai erhob der Holzkurier einen Preisrückgang um 50 €/m3. Das bedeutet einen Rückgang um 9 % binnen einem Monat.

BSH hält sich besser als KVH

Bei Brettschichtholz ist der Preisgipfel ebenfalls überschritten. Im Mittel steht noch „ein Siebener auf der Hunderterstelle“. Der Rückgang betrug aber 5 bis 15 €/m3 im Vergleich zum April.

Zwei der drei Schnittholzsortimente des Holzkurier-Preisbildes gaben nach. Besonders markant war der Preisrückgang bei 17 mm-Seitenware in Italien. Frisch, frei Grenze gab es einen Rückgang um 40 €/m3. Bei hoher Sägewerksproduktion wurde die jüngst noch massiv gesuchte Ware erstmals seit Monaten wieder zum „Anfallsortiment“.

Energiepreise ziehen Sägerestholzpreis nach oben

Die hohen Energiepreise fördern weiterhin die thermische Biomassenutzung. Die Pelletspreise hanteln sich von Rekord zu Rekord. In Deutschland sind die Preise etwa nur noch 7 €/t von der 400 €/t-Marke entfernt. Das sind gut 50 % mehr als im langjährigen Durchschnitt.

In der Folge des Pelletsbooms macht der Holzkurier auch den höchsten Spänepreis in Österreich fest: Das jetzige Niveau von 13,6 bis 14,9 €/Srm liegt 120 % über den Maipreisen 2021.

Zitate aus Markttelefonaten

Die Tiefstpreise aus dem Dezember 2021 werden nie mehr kommen. Dafür sind Rundholz, Logistik und Energie viel zu teuer geworden.


Die Auftragsstände der großen Holzindustrien sind drastisch gesunken. Temporäre Produktionsrücknahmen sind das Gebot der Stunde.


Im Juni 2021 kostete der KVH-Rohsparren in der Spitze 600 €/m3. Sechs Monate später rutschte der Tiefstpreis für das Endprodukt unter die 300 €/m3-Marke. Es gibt kein schlimmeres Sortiment als KVH.


Die Marktlage gleicht jetzt einem Spiel, in dem man besser nicht jeden Zug mitmacht.


Die Nervosität am Markt steigt wöchentlich.


Dringend braucht derzeit niemand etwas. Daher gibt es so viel Spekulation am Markt.


Es gibt noch keinen Russlandeffekt am europäischen Markt. Aktuell ist genug Ware unterwegs.


Es werden wieder viele Verträge gebrochen. Was gestern war, zählt heute oft nichts mehr.


Ich gehe davon aus, dass ab Mitte Juni gleichzeitig die Lager nachgefüllt werden müssen und die russische Ware endgültig fehlt.


„Vor vier Wochen hätte keiner geglaubt, dass Brettschichtholz im Preis nachgeben könnte. Das ist jetzt passiert.


Wir befinden uns in einer Übergangsituation. Es kann runter, aber bald auch wieder rauf gehen.


Eine wackelige Seitwärtsbewegung wäre jetzt schon ein Erfolg.