Die Grünen

Ökologisierung Baubranche, echte Steuerreform

Ein Artikel von Ulrike Knaus | 11.09.2019 - 10:12
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Werner Kogler, Spitzenkandidat der Grünen © Wolfgang Zajc

1.) Wie stehen Sie zur CO2-Steuer?
Es braucht jedenfalls Kostenwahrheit und eine vernünftige und gerechte CO2-Bepreisung. Dieser Lenkungseffekt über die Preise kann mit verschiedenen umweltökonomischen Instrumenten hergestellt werden. Etwa wird es in einer ökologisch-sozialen Steuerreform sinnvollerweise eine CO2-Komponente geben, welche die widersinnigen Steuerprivilegien für Diesel und Kerosin beseitigt. Im Grünen-Modell wird dies aber eine ganzheitliche, echte Steuerreform werden, bei der umweltschädliche Produktions- und Verhaltensweisen im Endeffekt teurer und im Gegenzug klimaschutzkompatible und umweltfreundliche Produktionsweisen und Konsum billiger werden.
Betreffen wird das logischerweise alle kohlenstoffintensiven Bereiche (wie den Flugverkehr, agrarindustrielle Konzernstrukturen et cetera). Umweltfreundliche Mobilitätsformen werden billiger, klimaschädliche teurer. Dieses Wirkungsprinzip gilt natürlich immer: von Industriegütern bis zu Lebensmitteln. Diese ganze ökologische Umsteuerung soll also aufkommensneutral organisiert werden, sodass es insgesamt zu keiner Steuererhöhung kommt.

2.) Welche Maßnahmen im Bereich „Bau“ stehen auf der Agenda, die uns zu einer klimafähigen und nachhaltigen Gesellschaft führen sollen?
Die erste und wichtigste Maßnahme, die wir umsetzen werden, ist die Ökologisierung der Immobilien- und Baubranche. Die Grünen werden sich im Nationalrat sowie bei einer allfälligen Regierungsbeteiligung für ökologische Baustandards einsetzen, um die Klimakrise zu verhindern sowie auf klimatische Veränderungen zu reagieren.
Dazu gehören jedenfalls: besseres Nutzwassermanagement, umweltschonende Heizung und Kühlung, verpflichtende Grünraumgestaltung und vieles mehr. Auch an der Steigerung der thermischen Sanierungsrate führt aus der Sicht der Grünen kein Weg vorbei. Mit einer gesamthaften thermischen Sanierung ist aus heutiger Sicht mehr als eine Halbierung des Energieverbrauchs für Raumwärme in Österreich machbar und sie schafft Tausende Arbeitsplätze in der Branche. Baustandards in Neubau und Sanierung sollen sich daher laufend an den besten verfügbaren technischen Standard im Niedrigstenergiebereich anpassen.
Reine Pinselsanierungen sollen möglichst bald der Vergangenheit angehören. Der Bund kann und soll im eigenen Bereich – Stichwort BIG – als Vorreiter agieren.
Es braucht dringend einen Stufenplan für den Umstieg auf klimafreundliche Heizsysteme. Der tatsächliche Ausstieg aus Öl und Gas in Neubau und Sanierung braucht rechtliche Standards (Erneuerbaren-Gebot) und entsprechende Förderungen, um den Umstieg sozial verträglich zu erreichen. So muss der „Raus-aus-Öl Bonus“ entsprechend dotiert werden, nachdem die Förderung im Jahr 2019 nach nur drei Monaten ausgeschöpft war.

3.) Soll der Holzbau in diesem Zusammenhang in Zukunft gestärkt werden? Und wenn ja, wie?
Das Vertrauen in den Holzbau muss gestärkt werden. Viele Menschen haben insbesondere in Zusammenhang mit dem Brandschutz, aber auch dem angenommenen Erhaltungsaufwand an sich widerlegbare Sorgen. Wir meinen, dass es angesichts der besonderen Bedeutung von Holz als außerordentlich klimafreundlicher Baustoff sinnvoll ist, sowohl öffentliche Mittel für Forschung einzusetzen, als auch intensive Informationsarbeit zu leisten.
Außerdem halten wir es für sinnvoll, den deutlich höheren Planungsaufwand im Holzbau bei realisierten Bauten mit Förderungen zu reduzieren. Die Förderungen sollen sich dabei etwa am Ausmaß der Klimafreundlichkeit orientieren. Immerhin leisten Menschen, die mit Holz bauen, einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele und verringern zukünftigen Aufwand in der Verwertung von belasteter Altstoffe.

4.) Holzbau ist längst nicht mehr auf Einfamilienhäuser begrenzt. In der Seestadt Aspern in Wien wurde vor Kurzem das Hoho mit 24 Geschossen und einer Höhe von 84m eröffnet. Wie können Sie sich eine bessere Verankerung von mehrgeschossigen Holzbaus in Österreich vorstellen?
Auch wenn es derzeit Vorzeigebeispiele des Hochbauhauses mit Holz gibt, so hängt der Erfolg des Baustoffes Holz im Hausbau insbesondere vom Ein- und Mehrfamilienbereich. Erst wenn in diesem Segment eine si-
gnifikante Akzeptanz da ist, wird der Hochhausbau eine bedeutende Frage. Wir schlagen daher vor, die in Österreich derzeit bedeutendsten Haushöhen – also etwa bis sechs Stockwerke – in den Mittelpunkt der Bemühungen zu stellen. Aber selbstverständlich lassen auch wir uns vom Besonderen begeistern.

5.) Sind Ihrer Ansicht nach die Holzbauvorschriften in Österreich zeitgemäß?
An sich ja, wobei eingeräumt werden muss, dass Bauvorschriften immer dem Wissensstand der Praktiker hinterherhinken. Gerade auch aus diesem Grund halten wir öffentliche Investitionen in die Forschung sowie die intensive Einbeziehung der Praktiker bei der Weiterentwicklung der Bauvorschriften für sinnvoll.

6.) Viele Waldbesitzer in Österreich haben Existenzängste, weil der Klimawandel zum weitflächigen Waldsterben durch Käfer, Trockenheit und Sturm geführt hat. Wie soll den Waldbesitzern in Zukunft geholfen werden und welche Strategien haben Sie, um ein weit schlimmeres Ausmaß zu verhindern?                                                                                                 
Die Land- und Forstwirtschaft zählt zu den ersten Opfern der globalen Klimaveränderungen. Zugleich ist die Landwirtschaft eine unterschätzte Verursacherin der Klimakrise.
Der IPCC-Bericht nimmt die Politik in die Pflicht: Staaten müssen ihr Land, ihre Böden grundlegend anders nutzen und andere Pflanzen anbauen. Sonst wird es unmöglich werden, die Klimaveränderung ausreichend zu begrenzen. Eine Landwirtschaft, die sich an Nachhaltigkeit und am Prinzip der Kreislaufwirtschaft orientiert, ist für das gesamte ökologische Gleichgewicht zentral. Wir brauchen eine Neuorientierung der Waldwirtschaft hin zu einer ökonomisch und ökologisch nachhaltigen Nutzung.

7.) In Deutschland gibt es einen Waldgipfel auf Bundesebene zum Thema Waldsterben – ist so etwas auch in Österreich nötig?
Ja. Auf dieses Thema muss viel mehr Augenmerk gelegt werden.

8.) Österreich hat den höchsten Flächenbedarf in der EU. Ist das für Sie okay oder wollen Sie daran etwas ändern?
Die Grünen kämpfen auf allen politischen Ebenen gegen den fortschreitenden Flächenverbrauch. In Salzburg hat die ehemalige Grüne-Landesrätin und jetzige Spitzenkandidatin Astrid Rössler bewiesen, dass sie bei diesem Thema auch bei viel Gegenwind nicht nachgibt. Neben einigen heiß diskutierten Einzelentscheidungen (wie dem Schutz des Bodens durch eine weitere Verbauung durch den Salzburger Europark) setzte sie eine neue Raumordnung für Salzburg durch, die Bauland-Spekulation verhindern und planlose Zersiedelung eindämmen wird.
Während für viele Fragen des Bodenschutzes die Länder oder Gemeinden zuständig sind, hat auch der Bund eine große Verantwortung. Der Straßenbau ist der Bodenvernichter Nummer Eins – wir Grünen sind die einzigen, die sich gegen einen weiteren Ausbau von Schnellstraßen und Autobahnen stellen.
Darüber hinaus braucht es vor allem im Rahmen des Finanzausgleichs (Reform der Kommunalsteuer, 15a-Vertrag zum Klimaschutz, um unter anderem die Förderung des Neubaus ohne ÖPNV-Anschluss zu beenden, etc.) mit den Bundesländern konsequente Maßnahmen, um Versiegelung und Flächenverbrauch zu verhindern.

9.) Ist Biomasse Ihrer Ansicht nach eine Lösung als Ersatz für fossile Brennstoffe?
Biomasse ist neben Sonne, Windkraft, Geothermie und naturverträglicher Wasserkraft eine wichtige Quelle erneuerbarer Energie und somit auch für unsere Vision, bis zum Jahr 2030 100 % des österreichischen Strombedarfs aus heimischen erneuerbaren Energiequellen zu decken, zentral.
Im Gegensatz zu anderen energetischen Biomassenutzungen sind allerdings viele Agrartreibstoffe nicht nachhaltig. Indus-
trielle Monokulturen, in denen die Gentechnik zum Einsatz kommt, schädigen die Umwelt, gefährden die Gesundheit und führen weltweit die bäuerliche Landwirtschaft in den Ruin. Die Langzeitrisiken gentechnisch veränderter Pflanzen sind nicht erforscht und die Freisetzungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist irreversibel.

10.)  Werden Sie sich einsetzen, Forschungsgelder bereitzustellen, um fossile Brennstoffe durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen?
Natürlich braucht es auch in diesem Bereich Investitionen, wie zum Beispiel Wasserstoff, Brennstoffzelle, grünes Gas. In den kommenden Jahren werden viele neue technologische Möglichkeiten weiterentwickelt werden. Manche davon sind Chancen, andere keine Optionen. Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energie wird als Energieträger in jenen Bereichen eine Rolle spielen, wo fossile Energieträger schwieriger ersetzbar sind, etwa in Teilen der Industrie oder im Schwer-, Schiffs- und Flugverkehr (kaum im Pkw-Verkehr).
Wir können aber nicht auf eine Technologie warten, wie dies manche politischen Vorschläge zum Thema Wasserstoff implizieren. Der Weg in Richtung Klimaneutralität muss jetzt eingeschlagen werden.