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Die Produktion von WUN Bioenergie liegt im neu gegründeten Industriepark Wunsiedel im Fichtelgebirge © Christoph Zeppetzauer

Kalte Fernwärme

Ein Artikel von Christoph Zeppetzauer | 03.10.2012 - 08:20
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Die Produktion von WUN Bioenergie liegt im neu gegründeten Industriepark Wunsiedel im Fichtelgebirge © Christoph Zeppetzauer

Wolf-Christian Küspert, Geschäftsführer von GELO Holzwerke, Weißenstadt/DE, hatte ein Motiv: „Mein Ziel war es, die komplette Wertschöpfung von Holz hier in der Region zu lassen.“ In seinem Holzwerk in Weißenstadt/DE fallen pro Jahr etliche Tonnen Sägenebenprodukte an, die er bis vor knapp einem Jahr verkaufte – als Nebenprodukt. Im Zuge immer wiederkehrender öffentlicher Energiediskussionen beschloss Küspert, mit seinen Spänen selbst Strom und Wärme zu produzieren. Energiegesetze wurden ständig überarbeitet, GELO und Partner konnten ihre Idee nach nur neun Monaten Bauzeit mit Inbetriebnahme Dezember 2011 verwirklichen. Dem Holzkurier wurde das Konzept WUN Bioenergie im neu errichteten Pelletswerk Wunsiedel/DE, nähergebracht. 
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© Christoph Zeppetzauer

Das Fichtelgebirge bietet eine der waldreichsten Regionen Deutschlands. Gleichzeitig sorgt eine starke Zersiedelung dafür, dass ein zentrales Fernwärmenetz wegen zu hoher Wärmeverluste ausscheidet. Um den Traum einer Energieversorgung von Ortschaften oder ganzen Gemeinden gewährleisten zu können, musste man an die Organisation herantreten, die über entsprechendes Wissen verfügt: die SWW (Stadtwerke Wunsiedel). Schnell stellte sich heraus, dass beide Unternehmen an derselben Idee arbeiteten. Der Kontakt zwischen beiden ergab sich zufällig auf einer Reise nach Dänemark. Ein Grundstück im neuen Industriepark Wunsiedel war alsbald gefunden. Um eine optimale Konfiguration des Kraftwerkes zu erreichen, holte man sich eta Energieberatung, Pfaffenhofen/DE, ins Boot, die schon mehrere Pelletproduktionen realisieren konnte. Die nächste wichtige Frage galt dem Ausloten der richtigen Kapazität. „Das größte Pelletswerk bringt nichts, wenn man es nicht mit Ressourcen versorgen kann. Ein zu geringer Absatzmarkt ist genauso schlecht“, bringt es Sebastian Kleins, Projektleiter bei eta, auf den Punkt.

Wer liefert Rohstoffe?

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Die Kommandozentrale dient den Mitarbeitern gleichzeitig als Prüflabor zur Analyse der Pelletsproben © Christoph Zeppetzauer

Rund 50 % des benötigten Rohstoffes kommen von GELO Holzwerke, der Rest wird von kleinen Sägern der Region zugekauft. Der Brennstoff für das Heizwerk stammt vom Verband regionaler Waldbesitzer (die auch als Gesellschafter fungieren) und den BaySF. Die Forstwirtschaft profitiert dabei doppelt: Zunächst nimmt das GELO-Sägewerk das Rundholz ab, Waldhackgut und Durchforstungsholz können dann als Hackschnitzel einen weiteren Ertrag bringen. Mit langjährigen Lieferverträgen ist man partnerschaftlich unterwegs. Dieser Umstand wurde bei der Planung der Pelletproduktion mit räumlich getrennten Rohstoffbunkern berücksichtigt. Beim Vertrieb spielt man den Doppelpass mit German Pellets, Wismar/DE. Küspert dazu: „Wir brauchen derzeit 20 % des Ausstoßes für eigene Projekte, der Rest wird am freien Markt verkauft.“ Privatabnehmer aus der Umgebung gibt es aber ohnehin zur Genüge. Der Eigenbedarf soll in den nächsten Jahren sukzessive gesteigert werden. Das Ziel sei dabei immer gewesen, nicht die Pellets zu verkaufen, sondern die thermische und elektrische Kilowattstunde. „Die wirkt nämlich für jedermann neutral“, tritt Küspert den Zweiflern an Strom und Wärme aus Holz entgegen.

Erhöhte Produktion

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Rund 35.000?t Pellets sollen jährlich in Wunsiedel aus der Presse von CPM Europe kommen © Christoph Zeppetzauer

Kalkulierte man zunächst mit 28.000 t im Jahr, wurde man alsbald mutig und konnte das jährliche Produktionsziel auf 35.000 t festsetzen. Das Tagesziel lautet daher einfach 100 t. „Tatsächlich konnten wir sogar schon einmal eine Menge von 122 t schaffen“, strahlen die Beteiligten. Zehn neue Arbeitsstellen habe man außerdem dem Pelletswerk zu verdanken. Eine Erweiterung der Kapazitäten ist bei entsprechendem Zuspruch und Rohstoffverfügbarkeit möglich.

Schwarzstart realisierbar

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Der Niedertemperatur-Bandtrockner  von Stela Laxhuber nutzt den Großteil der im Heizwerk erzeugten Wärme zur Trocknung der Späne © Christoph Zeppetzauer

Eine Besonderheit am Pelletswerk Wunsiedel ist ein möglicher Schwarzstart durch das installierte Erdgas-BHKW. „Wir wären auch bei totaler Lahmlegung des öffentlichen Stromnetzes in der Lage, das Anfahren des Kraftwerkes aus eigenen Mitteln zu schaffen“, erklärt Kleins stolz. Die einzigen Komponenten, die man nicht aus der Umgebung beziehen konnte, waren die notwendigen Maschineninstallationen. Knoblinger, Ried im Innkreis, lieferte die gesamte Anlage mit Nassspanaufbereitung, Trocknerbeschickung, Pelletsproduktion und Lkw-Verladung schlüsselfertig. Im Trockner von Stela Laxhuber, Massing/DE, werden die Späne schließlich auf maximal 8 % Restfeuchte getrocknet, ehe sie in einer Pelletspresse von CPM Europe, Amsterdam, gepresst werden. Die Lagerung erfolgt in zwei Pelletssilos, von wo aus Lkw per Verladestation zugreifen können. Gleich an die Pelletsproduktion ist ein Heizkraftwerk mit Hackschnitzelkessel von Kohlbach, Wolfsberg, wo die erzeugte Wärme dann ein Thermoöl erhitzt, welches als Wärmeträgermedium eine ORC-Turbine antreibt. Die elektrische Leistung der ORC-Turbine im Nennbetrieb liegt bei 0,8 MW, die nutzbare thermische Leistung des Heizkraftwerkes bei 3,2 MW. In der momentanen Ausbaustufe kann man damit umgerechnet 2000 Haushalte mit Strom und 7000 mit Wärme versorgen.

Pellets werden vergast

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Burkhardts Holzvergaser wird im Nahwärmezentrum Schönbrunn die Produktion von Strom und Wärme übernehmen © Burkhardt

Der Zersiedelung rückt man mit drei Nahversorgungszentren zu Leibe, die SWW betreibt. In jenen werden Strom und Wärme für die angrenzenden Orte produziert und weitergeleitet. So dezentral wie möglich, aber so zentral wie nötig agieren, lautet das Konzept der SWW, welches in die Praxis umgesetzt wurde. Das zweite Zentrum in Schönbrunn, das im November in Betrieb gehen soll, wurde neben einem Pelletskessel auch mit einem Holzvergaser von Energietechnik Burkhardt, Mühlhausen i. Oberpfalz/DE, bestückt. Dieser leistet 180 kW elektrisch beziehungsweise 250 kW thermisch und ist modular erweiterbar. Der Gesamtwirkungsgrad wird mit 75 % beziffert. Burkhardt entwickelt seit 2004 auf diesem Gebiet. Der Markteintritt des Holzvergasers erfolgte 2009. „Unser Produkt wurde unter anderem deshalb gewählt, weil die Option mit Pflanzenöl als Zündmittel gut angekommen ist“, erläutert Ludwig Schuderer, Geschäftsführer bei Burkhardt.

Vorbildfunktion

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Knoblinger lieferte die Pelletsproduktion nebst Nassspanaufbereitung und Trocknerbeschickung © Knoblinger

„Unser Projekt hat Vorzeigecharakter“, ist Küspert sicher. Zwischen Energieversorgern mit dem benötigten Know-how und Holzproduzenten mit dem Rohstoff gebe es zwangsläufig Synergien, die es in Form eines „Public-Private-Partnerships“ zu nutzen gilt. Zudem sei es entscheidend, die Bürger der Umgebung in das Projekt mit einzubinden, um das Interesse zu wecken. „Wir stellen hier quasi eine kalte Fernwärme her, eine Energiebatterie, die ohne Transportverluste zielführend eingesetzt werden kann“, fasst der Unternehmer bündig zusammen.