Nach der lockeren Geldpolitik in der Eurozone von 2012 bis 2022 hat die rasche Straffung der Geldpolitik durch die EZB als Reaktion auf die hohe Inflation 2022/23 zu einer außerordentlichen Verlangsamung der Bauaktivität in mehreren europäischen Ländern geführt. Hinzu kamen die gestiegenen Baukosten, die zusammen mit den höheren Zinsen Immobilienanlagen weniger attraktiv gemacht haben.
Baugenehmigungen stärker eingebrochen als zur Finanzkrise
Der Einbruch der Baugenehmigungen für Wohnimmobilien in mehreren europäischen Ländern ist mit der Finanzkrise von 2008 vergleichbar und sogar noch etwas ausgeprägter als damals, wenn man sich die Zahlen der Baugenehmigungen anschaut.
In Deutschland, Frankreich und Finnland liegen die Rückgänge bei den Baugenehmigungen zwischen 40 und 70 %. Gemäß dem Verband der finnischen Industrie war die Neubausituation seit den 1940er-Jahren nicht mehr so schlecht wie heute und der Präsident des Verbandes der deutschen Wohnungswirtschaft GdW spricht von einer „tiefen Wohnungsbaukrise“.
Wie der Bausektor im Allgemeinen leidet auch der Holzbau unter diesem makroökonomischen Umfeld. Die Baugenehmigungen für Holzbauten sind 2023 um 36,5 % gegenüber 2022 zurückgegangen, etwas weniger als die Baugenehmigungen insgesamt, die sich um 38,6 % reduzierten. Die Holzbauquote in Deutschland war damit 2023 wieder höher als im Vorjahr (22 % vs. 21,3 %). Somit ist der Holzbau von 2015 bis 2023 in Krisenzeiten etwas weniger gefallen und in guten Zeiten deutlich schneller gestiegen.
Steigender Wohnbedarf nicht gedeckt
Während sich der Wohnbau verlangsamt, wächst die Bevölkerung in all diesen Ländern. Insbesondere in Finnland und Deutschland ist das Bevölkerungswachstum in den vergangenen Jahren auch auf die Zuwanderung aus der Ukraine zurückzuführen. Wenn die Bevölkerung wächst, wird auch neuer Wohnraum benötigt, insbesondere in Ländern und Regionen, in denen das Angebot an bezahlbarem Wohnraum begrenzt ist. In Deutschland wird das Wohnungsdefizit auf circa 700.000 Wohneinheiten geschätzt. Das kann mit den rund 220.000 Wohneinheiten, welche nach der Baugenehmigungsrate gebaut werden, nicht schnell genug gedeckt werden.
Holzbau ist schnell, das ist jetzt gefragt
Aus technischer Sicht kann der industrielle und modulare Elementeholzbau seine Stärken, wie kürzere Planungs- und Bauzeiten, ausspielen: Er kann helfen, solche Wohnungsdefizite abzubauen und vom Aufschwung in Erholungsphasen profitieren.
Es gibt verschiedene Wege, den Wohnungsmangel zu beheben: sowohl durch private Investitionen als auch den sozialen Wohnungsbau. Die deutsche Ampelkoalition hat sich zum Ziel gesetzt, dass 100.000 neue Sozialwohnungen pro Jahr gebaut werden. Diese Zahl steht den gebauten 20.000 bis 30.000 Sozialwohnungen gegenüber.
In Frankreich, insbesondere Paris, ist die Anzahl der zur Verfügung stehenden Mietwohnungen 2023 um 50 % zurückgegangen. Gründe dafür sind unter anderem das Verbot der Vermietung energieineffizienter Wohnungen und die gestiegene Nachfrage von Personen, die sich den Kauf einer Wohnung nicht mehr leisten können.
Neue Bauten tunlichst klimaschonend
Auf jeden Fall braucht es entweder eine kleinere Nachfrage oder ein größeres Angebot, um die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage zu reduzieren. Wenn bezahlbare Wohnungen nicht verfügbar sind, kann das unerwünschte wirtschaftliche und soziale Folgen haben. Und wenn keine modernen und energieeffizienten Wohngebäude gebaut oder zumindest renoviert werden, hat dies auch negative Folgen für das Klima. Neues, nachhaltiges und energieeffizientes Bauen – sofern das einen tatsächlichen Nachfragebedarf erfüllt – ist eine wichtige langfristige Investition auf allen Ebenen: wirtschaftlich, sozial und klimapolitisch.
Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Bautätigkeit bei gleichbleibender oder weiter steigender Bevölkerungszahl wieder erholen wird und der aktuelle Rückgang der Neubaugenehmigungen mittelfristig kompensiert werden muss, um der sich verschärfenden Wohnungsknappheit zu begegnen.
Zinssenkung macht Hoffnung
Die ersten Zinssenkungen der Zentralbanken, unter anderem der EZB, geben Anlass zur Hoffnung, dass die geldpolitischen Variablen den Sektor wieder etwas unterstützen können, um das zuvor beschriebene strukturelle Spannungsfeld zwischen Neubau und Bevölkerungswachstum aufzulösen. Die jüngste Zinssenkung der EZB auf nunmehr 3,5 % gegenüber dem Höchststand von 4 % ist der zweite Schritt in die richtige Richtung, damit sich der Immobilienmarkt und die Bautätigkeit in Europa erholen können. Das würde dementsprechend die Aussichten für die grundlegende Profitabilität (und damit auch die Kursentwicklung) der börsennotierten Holzbauunternehmen verbessern.
All diese Aspekte sollten in Verbindung mit den europäischen Netto-Null-Zielen zu interessanten mittel- und langfristigen Investitionsmöglichkeiten im Bereich des nachhaltigen Bauens in der Holzbauwertschöpfungskette und darüber hinaus führen.
Weitere Analysen
Weitere Analysen zu den einzelnen Märkten sind im Bereich Research auf der Timber Finance-Webseite verfügbar: USA, Frankreich, UK und Irland, Deutschland, Schweden, Finnland.
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