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Die Hersteller sind jetzt gefordert

Ein Artikel von Birgit Fingerlos | 26.04.2021 - 12:50
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Anemon Strohmeyer, Geschäftsführerin des Verbands der deutschen Holzwerkstoff-Industrie © VHI

Die Coronapandemie hat die deutsche Wirtschaft im 1. Quartal 2020 und insbesondere im 2. Quartal 2020 erschüttert. Die Produktion brach in dieser Zeit dramatisch ein. So waren die Absatzwege, wie etwa die Möbelherstellung, deutlich heruntergefahren worden. „Unsere Produkte fanden keine Abnehmer mehr. Das zwang auch die Holzwerkstoff-Industrie zur Reaktion: Kurzarbeit und zurückgefahrene Kapazitäten waren die Folgen und lassen sich in den amtlichen Statistiken mit einem deutlichen Minus im Inlandsumsatz (–12,6 % im April, –17,2 % im Mai) und noch stärker im Auslandsumsatz (–27,6 % im April, –29,8 % im Mai) ablesen“, erklärt die VHI-Geschäftsführerin. 

In der zweiten Jahreshälfte war neben den Aufholeffekten des Produktionseinbruchs mit dem „Corona-Cocooning“ ein weiterer Aspekt zu spüren: Die Bedeutung des häuslichen Umfelds stieg und führte auch dazu, dass hier die Investitionen zunahmen. Holzwerkstoffe bieten hierfür vielfältige Möglichkeiten. Der Produktionsindex stieg daher in der zweiten Jahreshälfte 2020 wieder an.

2021 von Sorgen begleitet

„Die pandemiebedingte Produktionsdelle im 2. Quartal 2020 und die gute Auftragslage aufgrund des Corona-Cocoonings waren produktionsseitig auch zu Beginn 2021 noch spürbar. Die deutsche Holzwerkstoff-Industrie produziert in Volllast, hinkt aber aktuell dem Bedarf hinterher. Zunehmend kritisch ist, dass die Absatzwege bei Möbeln und Küchen weiterhin weitgehend geschlossen sind. Der Handel hat zwar Konzepte entwickelt, um auf verschiedene Öffnungsszenarien zu reagieren, kann sie aufgrund der pandemischen Lage und politischen Vorgaben aber nicht flächendeckend umsetzen. Wir alle blicken daher voller Sorge auf die Entwicklungen der Infektionen, aber auch der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie“, erklärt Strohmeyer. 

Sie ist sich sicher, dass die Hygiene- und Pandemiemaßnahmen in den Werken mittlerweile etablierter Alltag sind. „Größere Sorge gilt den Absatzmärkten, die mit jedem Tag weiterer Schließung in nie dagewesene Herausforderungen steuern – uns als zuliefernde Industrie zieht das natürlich mit“, ist die VHI-Geschäftsführerin beunruhigt. Die Industrie bleibt durch die anhaltenden Beschränkungen und die sich häufig und kurzfristig wechselnden Vorgaben belastet. „Unsere ganze Gesellschaft und damit auch Politik und Wirtschaft sind von der Entwicklung des Infektionsgeschehens abhängig“, stellt Strohmeyer klar. Die Holzwerkstoff-Hersteller sind jetzt gefordert, in Produktion und Investitionstätigkeit maximal flexibel zu bleiben. „Die wirtschaftliche Bewältigung der Pandemie ist ein Marathon und dieser hat gerade erst begonnen“, so Strohmeyer.

Jetzt ist vieles digital

So weit in einer produzierenden Industrie Homeoffice möglich ist, wurde dies in der Holzwerkstoff-Industrie 2020 kurzfristig und flächendeckend umgesetzt. Sie ist sich sicher, dass die Unternehmen auf die digitalen Herausforderungen gut vorbereitet waren und kurzfristig reagieren konnten. „Wir alle freuen uns schon, Sie auf der interzum@home vom 4. bis 7. Mai wiederzusehen, wenn auch leider nur digital. Lassen Sie sich unsere Neuigkeiten nicht entgehen“, freut sich die VHI-Geschäftsführerin auf die digitale Ausgabe der Fachmesse Interzum. 

Schwierige Rahmenbedingungen

Abgesehen von der Coronapandemie, hat die deutsche Holzwerkstoff-Industrie mit weiteren Herausforderungen, die sich durch die gesamte Produktionskette ziehen, zu kämpfen. Strohmeyer erklärt: „Beginnen wir beim Rohstoff: Der Klimastress der deutschen Wälder ist deutlich sichtbar. Aber die gute Nachricht für die Verwender von Holzwerkstoffen ist: Das angefallene Schadholz ist ohne Qualitätseinbußen verwendbar, Holznutzung bleibt ein Beitrag zum Klimaschutz. Zwar ist bekannt, dass eine möglichst langfristige CO2-Bindung den stärksten Klimaschutzeffekt bringt, Recycling ist zu Recht der Ruf der Zeit. Dennoch müssen auch die Energiewende und die Dekarbonisierung vorangetrieben werden. Holz wird diese Wende aber alleine nicht stemmen ­können. Die Verwendung sowohl von Frisch- als auch Altholz muss ökologischer und ­ökonomischer Vernunft folgen. Wenn nun von der Umrüstung von konventionellen Kraftwerken im Rahmen des Kohleausstiegs auf Biomasse gesprochen wird, dann darf das in Bezug auf Frisch- und Altholz nicht zulasten der etablierten Holzkaskade gehen und ­keinesfalls mit einer Subventionierung einhergehen. Eine dramatische Wettbewerbsverzerrung wäre die Folge – Opfer wäre die gesamte etablierte und lokal aufgestellte hochwertige stoffliche und energetische Holzverwertung und die Bemühungen für mehr Sortierung, Aufbereitung und Recycling wären konterkariert. Der Kreislaufgedanke wäre zerstört.“ 

„Steigende Kosten für Energie, Transport und Rohstoffe, die schwieriger werdende Gewinnung von Fachpersonal, diese Entwicklungen sind aus der Presse bekannt – und sie fordern nicht nur die Holzwerkstoff-Industrie, sondern die gesamte Industrie heraus“, sagt die VHI-Geschäftsführerin und führt weiter aus: „Wenn ich aus der Vielzahl der Herausforderungen eine weitere herausgreifen soll, ist es wohl der sogenannte Green Deal, der uns maßgeblich beschäftigt: Mit einem gigantischen Maßnahmenplan strebt die Europäische Kommission die Erreichung der gesteckten Klimaschutzziele an. Insbesondere die Kreislaufwirtschaft sehen wir als einen der Schlüssel zur Erreichung der Klimaschutzziele an und sind bereit, unseren Beitrag zu leisten.“

Für die Kreislaufwirtschaft begeistern

Der Verband der Deutschen Holzwerkstoff-­Industrie hat auch beim Ende 2020 präsentierten Statusbericht der Kreislaufwirtschaft 2020 mitgearbeitet. „Der Statusbericht der Kreislaufwirtschaft möchte die Erfolge sichtbar machen – über alle Stoffströme hinweg. Wir wollen über die Kreislaufwirtschaft informieren und für sie begeistern: Denn in der zirkulären Wirtschaft liegt die Zukunft“, erklärt die Branchenexpertin und fügt hinzu: „Die Kreislaufwirtschaft ist größer als ein einzelner Stoffstrom und das zeigt der Statusbericht auf eindrucksvolle Weise.“ 

Aktuelle Projekte im VHI

„Im Bereich Sperrholz sind wir etwa mit der Erstellung einer Umweltprodukt­deklaration befasst, im Bereich Naturfaserverbundwerkstoffe treiben wir die Etablierung der Kreislaufwirtschaft, basierend auf der Herstellerverantwortung, weiter voran und bei den Innentüren setzen wir mit aktualisierten Güte- und Prüfbestimmungen neue Standards für die Qualitätssicherung. Aus dem Bereich der Span- und Faserplatten sei ein konkretes Projekt herausgegriffen: Die deutsche Industrie hat in den vergangenen Jahren trotz erheblicher wirtschaftlicher Auswirkungen die Einführung eines neuen Formaldehydstandards, wir nennen ihn E05, in Deutschland aktiv unterstützt.“ Dieser gegenüber dem Euro­pä­ischen Standard (E1) verschärfte Standard ist aus gesundheitlichen Gründen nicht erforderlich, der Standard E1 ist nach wie vor ­sicher. Dennoch: „Als deutsche Industrie setzen wir uns für eine europäische Harmonisierung auf dem in Deutschland durch den Standard E05 erreichten Niveau ein“, sagt Strohmeyer.