Je höher ein Gebäude in Holz errichtet wird, desto stärker rückt auch das Thema Brandschutz in den Mittelpunkt. Speziell bei Bauvorhaben, die eine europäische Feuerwehrleiter – diese erreicht in der Regel acht bis zehn Stockwerke – überflügeln, kommt es zu strengen Auflagen, die auch die Klebefuge betreffen. „Mit der aktuellen Revision der europäischen Brandschutznorm Eurocode 5 wird die Feuer- und Wärmebeständigkeit von Klebstoffen in den Mittelpunkt rücken und die Nachfrage nach hochtemperaturbeständigen Klebstoffen für bestimmte Bereichen deutlich zunehmen“, blickt Gordian Stapf, Certification Manager bei Henkel Engineered Wood, gelassen in die nahe Zukunft. Denn mit der kürzlich erfolgten europäischen Zulassung der Loctite HB X-Linie bietet Henkel der Branche hierfür bereits jetzt das passende Produkt für brandsichere Hochhäuser mit sichtbaren Holzoberflächen. Es handelt sich um den ersten in Europa zugelassenen hochtemperaturbeständigen 1K-PUR-Klebstoff.
Teure Sichtlamellen
Henkel Engineered Wood arbeitet an zahlreichen Forschungsprojekten zum Thema Brandschutz mit und bringt sich zudem aktiv in die Normungsarbeit ein © Daniel Brandon
Verbrennt Massivholz, bildet sich eine isolierende Kohleschicht, die den restlichen Querschnitt vor intensiver Wärme abschirmt und so lange Zeit vor einem Kollaps schützt. Bei verklebten Massivholzprodukten kann es allerdings – abhängig vom Klebstoff – zum Abfallen dieser Isolationsschicht in der Klebefuge und damit zu einem deutlich rascheren Abbrand kommen. „Mit dem partiellen Abfallen der Kohleschicht kommt es zu einer Neuentfachung (2nd flash-over), wodurch frisches Holz exponiert wird und eine höhere Abbrandrate resultiert“, erläutert Stapf. Dieses Verhalten wird im Eurocode 5 (EN 1995 1-2) entsprechend berücksichtigt und in der Praxis mit stärkeren Querschnitten beziehungsweise Decklamellen kompensiert. „Ist bei einer BSP-Decke REI 60 gefordert, kann man eine 40 mm dicke Sichtlamelle einsetzen und erfüllt damit die Vorgaben. Möchte man bei REI 90 oder REI 120 das Brettsperrholz ebenfalls in Sicht belassen, wird es deutlich herausfordernder“, nennt Stapf ein Beispiel aus der Praxis. Fichtenmassivholz verbrennt mit einer Abbrandrate von 0,65 mm/min. Das bedeutet, dass eine 40 mm dicke Außenlamelle einem Brand über 60 Minuten standhält. Bei 90 oder 120 Minuten schlägt dann der vorgenannte schnellere Abbrand voll zu, was zu dickeren Gesamtquerschnitten führen kann.
Neben der Abbrandgeschwindigkeit ist die Selbstverlöschung ebenfalls ein wichtiges Thema für die es derzeit im europäischen Produktportfolio von Henkel keine Lösung gibt.
In Europa angekommen
Der Zwölfgeschosser Horizons Bois in Frankreich wird eines der ersten Projekte in Europa sein, dessen BSP-Elemente mit hochtemperaturbeständigen Klebstoffen der Loctite HB X-Linie von Henkel Engineered Wood verklebt werden © Architecture Plurielle
Als Alternative dazu entwickelte Henkel die bereits seit 2018 in Nordamerika zugelassene Loctite HB X-Linie, deren Abbrandrate in etwa jener von Massivholz entspricht. „Damit erreichen wir ein kontinuierliches Verhalten, können schlanker dimensionieren und sparen teures Holz“, bringt es Stapf auf den Punkt.
Einige große Hersteller wie KLH, Stora Enso, Binderholz oder Schilliger haben die HB X-Linie bereits für Übersee-Projekte im Einsatz – seit Kurzem ist das Produkt auch in Europa zugelassen. „Ursprünglich für den amerikanischen Markt gedacht, wurden mittlerweile auch Großprojekte in Europa mit unserer HB X-Linie gewonnen“, berichtet Christoph Sturmlechner, Head of Sales Europe von Henkel Engineered Wood. Als Beispiele nennt er den Sky Park in Luxemburg oder das Projekt Horizons Bois in Frankreich.
Das „Skypark Business Center South“, ein 15.000 m2 großer Zubau des Luxemburger Flughafens, soll bis 2022 entstehen – gebaut wird vorzugsweise in Holz. Ebenfalls in Holz wächst gerade das Projekt Horizons Bois im französischen Rennes in die Höhe. Der Zwölfgeschosser wird nach seiner Fertigstellung 39,6 m in die Höhe ragen.
Für den europäischen Markt sieht Sturmlechner die HB X-Linie keineswegs als Ersatz, sondern vielmehr als wertvolle Ergänzung der bestehenden HB S-Linie: „Für den Großteil der Bauvorhaben in Europa sind unsere Klebstoffe der HB S-Linie bestens geeignet. Aber gerade in brandsensiblen Bereichen, wie Hoch- oder auch Krankenhäusern, bringt die HB X-Linie unseren Kunden einen entscheidenden Vorteil.“
Aktive Normungsarbeit
Wie bereits erwähnt, erfährt der Brandbemessungsteil des Eurocodes 5 (EN 1995-1-2) gerade eine Revision, wofür auch eine neue Prüfnorm erarbeitet wird. „Die nächste Generation des Eurocode 5 wird erstmals auch eine technisch sinnvolle und ökonomisch maßvolle Methode zur Bewertung der Abbrandeigenschaften und der Berechnung der Selbstverlöschung eines Klebstoffes ohne ein Abfallen der Kohleschicht im Brandfall beinhalten“, gibt Stapf Einblick in den aktuellen Normungsprozess, in den sich Henkel Engineered Wood proaktiv einbringt. Aktuell enthalten die europäischen Normen lediglich Anforderungen für Temperaturen bis 90° C. Anders als in Nordamerika konzentriere man sich in Europa bislang weniger auf die Feuer- und Wärmebeständigkeit, sondern vielmehr auf die Leistungsfähigkeit von dickeren Klebstofffugen – das ändere sich aber gerade, so Stapf und Sturmlechner ergänzt: „Mit der europäischen Zertifizierung der HB X-Linie sind wir und unsere Kunden wieder einmal einen großen Schritt voraus und leisten zudem einen wichtigen Beitrag, um den großvolumigen Holzbau voranzubringen.“