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Vaterschaftstests

Ein Artikel von Univ.-Prof. Dr. Rupert Wimmer, Georg-August-Universität Göttingen | 20.12.2010 - 09:07
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Ein Tischler kauft von einem Händler größere Mengen Zirbenholz. Seine Kunden fragen vermehrt nach Betten aus Zirbe, da man darin angeblich besser schlafe. Das bestellte Holz scheint günstig zu sein, die Zeitungsannonce verspricht beste Qualität. Wo das Zirbenholz allerdings genau herstammt, bleibt etwas im Dunkeln. Nach der Lieferung kommt schließlich Skepsis auf: Der typische Zirbenduft ist kaum ausgeprägt, die bei Zirbe üblicherweise dekorativ verwachsenen Äste scheinen zu fehlen. „Hat mir da jemand Zirbe verkauft, die keine ist“, befürchtet der Tischler.

Die Wissenschaft muss helfen. Eine Holzart, die der Zirbe sehr nahe kommt, ist die Strobe, auch Weymouthskiefer genannt. Beide Baumarten haben fünf Nadeln am Kurztrieb, im Unterschied zu Waldkiefer und Schwarzkiefer mit nur zwei Nadeln am Kurztrieb. Das Holz von fünf- und zweinadeligen Kiefern lässt sich holzanatomisch gut bestimmen, man braucht dazu lediglich ein Mikroskop und das entsprechende Wissen. An dünnen Schnitten ist durchs Mikroskop feststellbar, ob es eine Zweinadler-Kiefer mit „heterogenen“ Holzstrahlen ist oder eine Fünfnadler-Kiefer mit „homogenen“. Holzstrahlen sind Zellen, die im Baumstamm von Mark bis Rinde horizontal verlaufen. Das Ergebnis ist jedenfalls hier eindeutig. Aber unter Fünfnadler-Kiefern, also zwischen Zirbe und Strobe? Hier versagt die Holzanatomie, es gibt nämlich nicht den geringsten anatomischen Anhaltspunkt im Holz, der eindeutig auf Zirbe weisen würde.

Allgemeine Holzmerkmale mögen eventuell helfen: Strobe hat im Vergleich zur Zirbe meist eine geringere Holzdichte, das Wachstum verläuft rascher, sie hat weniger fest verwachsene Äste und auch der Harzgeruch ist weniger stark ausgeprägt. Doch selbst nach Beurteilung dieser Merkmale gibt es keine Sicherheit. Hilft eventuell eine Analyse der chemischen Inhaltsstoffe, um die Zirbe von der Strobe sicher abzugrenzen? Auch dies erweist sich als nicht so einfach: Kiefern verströmen im Kernholz ein Duftgemisch, bestehend aus Terpenen, Terpenoiden, Flavonoiden und Stilbenen. Diese Mischung ist bei Zirbe im Vergleich zu Strobe kaum anders zusammengesetzt, einzelne Komponenten mögen vermehrt oder weniger stark vorkommen. Die duftenden Inhaltsstoffe schwanken ebenso innerhalb eines Baumes stark und hängen außerdem vom Alter des Baumes ab. Hat der leichtgläubige Tischler Holz gekauft, das lediglich von sehr jungen Zirben stammt?
Ähnlich anspruchsvoll ist die Unterscheidung von Fichte und Lärche. Kurioserweise lassen sich diese beiden Holzarten holzanatomisch auch nur schwer auseinanderhalten. Da mag der Farbkern einer vermuteten Lärche schwach ausgeprägt sein und fest verwachsene Äste zeigen kaum typische schwarze Ränder. Keine Lärche, sondern doch eine Fichte? Holzanatomen werden sich weiterhin damit intensiv beschäftigen.

Noch brisanter als bei einheimischen Holzarten ist die Holzbestimmung beim Handel mit Tropenholz. Viele gefährdete Baumarten unterliegen inzwischen dem Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen, das den weltweiten Handel von bedrohten Tier- und Pflanzenarten regelt. Wenn nun manche – auch einheimische – Holzarten schon schwer auseinanderzuhalten sind, wie soll man dann internationalen Holzbetrügern auf die Schliche kommen? So ist beispielsweise der Handel von Rio-Palisander verboten oder die Einfuhr von echtem Mahagoni genehmigungspflichtig. Was in der Kriminalistik inzwischen Standard ist, wird jetzt neuerdings auch bei Holz eingesetzt: der genetische Fingerabdruck einer Holzprobe.

Das funktioniert ähnlich einem Vaterschaftstest. Es wird die Verwandtschaft einer unbekannten Holzprobe mit bekannten genetischen Mustern verglichen. Dabei werden spezielle Moleküle untersucht, die als Startpunkt für Enzyme dienen, welche die Erbsubstanz (DNA) vervielfältigen. Diese Startpunkt-Moleküle sind für die jeweilige Holzart typisch. Für infrage kommende Holzarten müssen allerdings zuerst die genetischen Daten gesammelt werden, damit unbekannte Holzproben überprüft werden können. Holzarten lassen sich nun auch „molekularbiologisch“ bestimmen und diese genetische Methode ist eine wichtige Ergänzung zur Holzanatomie.

Auf diese Weise lassen sich auch letzte Zweifel unseres Tischlers über die Echtheit seiner Zirbe ausräumen und seine Kunden können zufrieden in ihren Zirbenbetten schlafen.
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