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Stolz auf die Leistung: Philipp Sprockhoff, Michael Egger, Andreas Reiterer, Leopold Atschreiter (v. li.) © DI (FH) Martina Nöstler

Rückwärtsintegration

Ein Artikel von DI (FH) Martina Nöstler | 14.07.2008 - 14:27
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Stolz auf die Leistung: Philipp Sprockhoff, Michael Egger, Andreas Reiterer, Leopold Atschreiter (v. li.) © DI (FH) Martina Nöstler

Es wird immer schwieriger, Rohmaterial für unsere Spanplatten- und MDF-Produktion in Brilon zu erhalten. Die Pelletsbranche boomt und das Restholz wird oftmals lieber in Wärmeenergie umgewandelt, als es der Plattenindustrie zur Verfügung zu stellen“, erläuterte Michael Egger die Beweggründe, am Standort im Sauerland ein Sägewerk zu bauen. Im Februar 2007 ließ Egger die Bombe platzen – kurz nach dem Sturm Kyrill, von dem vor allem Nordrhein-Westfalen stark betroffen war. „Wir hatten aber schon ein Jahr zuvor beschlossen, das Werk zu bauen“, erklärte Egger.

Rekordbauzeit

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Bis zu 80.000 fm können am asphaltierten Rundholzplatz in Brilon gelagert werden © Egger

In nur acht Monaten Bauzeit errichtete Egger das Sägewerk auf der grünen Wiese. 20 ha Areal wurden dafür neben dem Plattenwerk erworben. Die Investitionssumme für das gesamte Projekt beziffert man mit 75 Mio. €. „Es ist der erste voll integrierte Standort: Vom Einschnitt über die Platten- und Fußbodenproduktion bis hin zur Erzeugung von Wärme und Energie im eigenen Kraftwerk durch Nutzung der eigenen Reststoffe wird alles in Brilon durchgeführt“, sagt Egger stolz. Mit dem Sägewerk kann die MDF- und Spanplattenproduktion zu 40 % mit den eigenen Reststoffen versorgt werden.
Federführend für die Planung verantwortlich war und ist Leopold Atschreiter, Werksleiter Technik in Brilon. Mit ihm hat Egger einen jungen Mann gefunden, der bereits im In- und Ausland Erfahrung beim Sägewerksbau gesammelt hat. Baubeginn war am 28. September 2007. „Der Rundholzplatz ging planmäßig am 28. Jänner in Betrieb. Am 19. Mai wurde das erste Brett geschnitten und seit 4. Juli ist auch das Hobelwerk in Betrieb“, erläutert Atschreiter den knappen Zeitplan.
75.000 fm Rundholz sind derzeit in Brilon auf Lager. Vom Kyrill-Sturmholz bevorratet Egger eine große Menge in Nass-, Trocken- oder Folienlager. Diese Mengen werden in den nächsten drei Jahren sukzessive der Produktion zur Verfügung gestellt. Die Anlieferung soll zu 50 % mit der Bahn erfolgen. Die Gleise führen direkt zum Rundholzplatz, sodass keine Zwischenlagerung vor der Sortierung mehr notwendig ist. Auch der Abtransport der Schnittholzpakete soll überwiegend mit der Bahn erfolgen.

Drei flexible Stammaufgaben

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Rundholzplatz: Drei Aufgaben – zwei für Kurz- und eine für Langholz – wurden von Holtec installiert © Egger

Der Rundholzplatz stammt von Holtec, Hellenthal/DE. Das Unternehmen lieferte auch die Rundholzzuführung im Sägewerk. Insgesamt wurden drei Rundholzaufgaben installiert, die abwechselnd gefahren werden können: zwei für Kurzholz von 3 bis 5 m und eine für Langholz von 6 bis 20 m. Bei Kurzholz liegt die Leistung bei 35 Abschnitten pro Minute. Die gesamte Beschickung ist nach dem Chainless-System aufgebaut: Ein doppelt wirkender Stufenschieber wurde installiert. Als Vorteile nennt Holtec, dass das System verschleißarm ist, wenig Schmierung benötigt und zudem noch sehr geräuscharm arbeitet. Den Wurzelreduzierer liefert Baljer & Zembrod, Altshausen/DE.
Nach der Beurteilung wird jeder Stamm zwei (Kurzholz) bis vier Mal (Langholz) fotografiert. Die gesamte Rundholzplatzelektronik inklusive Messtechnik stammt von Jörg Elektronik, Oberstaufen/DE. Bei der ersten 3D-Messung wird entschieden, ob der Stamm sägefähig ist. Nicht sägefähiges Rundholz oder solches, bei dem das Splittersuchgerät auf Metall reagiert, wird in eine Box abgeworfen, der Rest geht zur Nicholson-Entrindung A8. Die Rinde wird gesammelt, gelagert und verkauft. Für die Verrechnung wurde eine zweite 3D-Vermessung installiert. Sämtliche Bilder werden archiviert. Das Kurzholz wird in eine der 80 Betonboxen absortiert. Langholz wird nach links abgezogen und gekappt, bevor es zur Sortierung gelangt. Die Leistung des Rundholzplatzes beziffert Atschreiter mit 2500 fm pro Schicht bei Kurz- und mit 800 fm pro Schicht bei Langholz.

Mit 170  m/min durch Maschinen

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130  m lange Spaner-Profilieranlage von Linck schafft Vorschubgeschwindigkeiten bis 170  m/min © Egger

Vor der Sägelinie wurde nur eine Rundholzaufgabe installiert. „Wir können noch um eine zweite ergänzen. Wir denken aber, dass wir mit unserer geplanten Leistung mit einer sehr gut durchkommen“, sagt Atschreiter. Vor der Säge ist nochmals eine 3D-Vermessung von Jörg Elektronik integriert. Diese liefert die Daten für den Einschnitt. Stimmt die Dimension nicht, wird der Stamm ausgeschieden und nochmals nachsortiert. Bei der Spaner-Profilierlinie fiel die Wahl auf Linck, Oberkirch/DE. Rundholz von 12 bis 55 cm kann geschnitten werden. Die Media liegt derzeit bei 26 cm. Ein Bediener steuert die gesamte Anlage – von der Rundholzaufgabe bis zum Anfang der Schnittholzsortierung. Je nach Dimension können pro Schicht etwa 1300 fm geschnitten werden.
In der 130 m langen Anlage werden am Stamm zuerst mit dem Profilspaner VM50 zwei plane Flächen erzeugt. Der Stamm wird um 90° gedreht und geht durch einen zweiten VM50. Zur Erhöhung der Schnittholz-Ausbeute ist der erste Spanereinzug mit einer automatischen Stammeindrehung ausgestattet. Der zweite Spanereinzug besitzt eine Modeloptimierung, die es erlaubt, das Model je nach Form diagonal oder außermittig zuzuführen. Mit zwei Profilieraggregaten VPK sowie der vertikalen Sägeeinheit CSMK werden pro Seite bis zu zwei Seitenbretter erzeugt. Die Dimension der Seitenbretter wird durch eine messwertgesteuerte Seitenware-Optimierung bestimmt. Das Model wird gedreht und nochmals profiliert. In der nächsten Gruppe werden in einem Schritt erneut bis zu zwei Seitenbretter je Seite geschnitten sowie die Hauptware mit vertikalen Kreissägen aufgetrennt. Mit dem Aggregat HKM kann die Ware noch horizontal geschnitten werden. Haupt- und Seitenware werden getrennt abgezogen und gehen in zwei Sortierwerke.

Imprägnierung im Querdurchlauf

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Jeweils 20 Filmetagen umfasst die Haupt- und Seitenwarensortierung von Springer © Egger

Bei den Sortieranlagen entschied sich Egger für Springer, Friesach. In zwei Strängen geht die Ware via Bogenförderer zur ersten Beurteilungsstation. Dann wird nach unten zur zweiten Beurteilung gefördert. Die Einteilung der Haupt- und Seitenware erfolgt in je 20 Filmetagen. Die Anlagenleistung wird mit bis zu 220 Takten pro Minute angegeben. „Das entspricht etwa 3,5 Brettern pro Sekunde“, verdeutlich Atschreiter. Vor der Paketieranlage wurde im Querdurchlauf ein Imprägnierbecken installiert. „Damit verhindern wir, dass das frische Holz vom Bläuepilz befallen wird. Der Schutz hält etwa drei bis sechs Monate“, erklärt der Werksleiter. Bei der Paketierung werden die Schnittholzpakete entweder für die Trocknung gelattet oder Lage auf Lage für den Versand gestapelt. Bei der Umreifungsanlage hat man sich für Springer-Paketpressen entschieden, die mit Kunststoffbändern die Pakete bestücken.
Die Vor- und Nachkalkulation stammt von Info-Data, Lichtenberg. Das Programm Holz-Manager ist das Bindglied zwischen dem SAP-System von Egger und der Steuerung der Linck-Linie. Jeder Auftrag wird vom Holz-Manager kalkuliert.
Die Restholzentsorgung hat zur Gänze Bruks, Arbra/SE, realisiert. Das Besondere: Bei Egger wurde der längste Rohrgurtförderer der Welt installiert. Hackgut und Sägespäne werden über einen 1400 m langen Förderer über dem Areal direkt zur Plattenproduktion transportiert. Der Förderer besteht aus drei Bändern, der längste ist knapp 470 m lang.

Niedrige Temperatur

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24 Trockenkammern von Mahild sollen im Endausbau in Betrieb sein – derzeit sind zwölf installiert © Egger

Derzeit sind zwölf Trockenkammern von Mahild, Nürtingen/DE, installiert. Wenn das Sägewerk voll angelaufen ist, ist eine Erweiterung auf 24 Kammern geplant. Egger hat sich für die Niedrigtemperaturtrocknung entschlossen. Damit kann Egger die verfügbare Wärmeenergie aus dem Heizkraftwerk optimal nutzen. Das Kammervolumen beträgt netto 350 m3. Die Großraumtrockner sind in Aluminium-Systembauweise ausgeführt, wobei die Wände 200 mm dick sind. Alle Trockenkammern werden über einen zentralen Bedienraum gesteuert. „Je nach Dimension und Ware bleibt das Schnittholz drei bis sechs Tage in der Kammer“, sagt Atschreiter. Danach liegt die Holzfeuchtigkeit bei 12 bis 18 %. Die technische Abnahme der Kammern nach dem international gültigen IPPC-Standard wurde bereits erfolgreich durchgeführt.

Highspeed hobeln

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Waco Hydromat 6000 hobelt mit Geschwindigkeiten bis zu 600 m/min © Egger

Wie auch schon im Sägewerk hat man im angrenzenden Hobelwerk auf moderne Technik und hohe Leistung gesetzt. Die gesamte Mechanisierung stammt hier ebenfalls von Springer. Nach der Kippentstapelung und Entzerrung wird die Ware in den Hydromat 6000 von Waco, Halmstad/SE, einem Tochterunternehmen der Weinig-Gruppe, eingezogen. Die Vorschubgeschwindigkeit wird mit 600 m/min angegeben. Atschreiter meint aber, dass auch 800 m/min möglich wären. Die maximale Dimension liegt bei 12 mal 35 cm. Außerdem kann eine Auftrennung und Endkappung durchgeführt werden.
Die Hobelware kann mit Goldeneye 706 mit integriertem ViScan von Microtec, Brixen/IT, beurteilt und festigkeitssortiert werden. Die Steuerung der Schnittholzanlagen und des Hobelwerkes, ebenfalls von Microtec, erfolgt über das System Variosort. Der Output der Linie liegt bei 800 m3 pro Schicht, was einer Menge von etwa 20 Lkw-Ladungen entspricht. In der Hobelhalle können 10.000 m3 trockene und fertig bearbeitete Schnittholzware gelagert werde. Die Hobelware wird in ein Springer-Sortierwerk mit acht Fächern eingeteilt, verpackt und geht anschließend zum Versand.
Die Absaugung sowohl im Säge- als auch im Hobelwerk stammt von Scheuch, Aurolzmünster. „Scheuch ist seit 1963 Lieferant bei Egger und zu einem zuverlässigen Partner geworden“, erläutert Atschreiter die Entscheidung.

Alle an einem Strang gezogen

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Egger-Werk in Brilon © Egger

„Diese kurze Bauzeit war nur möglich, weil alle Beteiligten an einem Strang gezogen haben“, ist sich Egger sicher. Das Projekt gestaltete sich insofern als komplex, da viele Maschinenlieferanten und auch noch Hallenarbeiter gleichzeitig am Werk waren.
Hinsichtlich der Rundholzversorgung hat Egger bereits im Vorfeld für 2008 und 2009 Langzeit- oder Rahmenkaufverträge mit den Landesforsten Nordrhein-Westfalen und Hessen vereinbart. Der Einkaufsradius liegt derzeit bei 100 km, kann aber auf 200 km beziehungsweise auf 300 km ausgedehnt werden. „Wir sind ein interessanter Partner für den Forst. Wir organisieren Schlägerungen und bieten auch Stockkauf an“, erklärt Bertram Cramer, zuständig für den Rundholz-Einkauf für die mitteleuropäischen Egger-Standorte.

Weltweite Zielmärkte

„Wir werden für den Schnittholzverkauf die Synergien in der Egger-Gruppe nutzen“, informiert Andreas Reiterer, Verkaufsleiter, der ebenfalls im Ausland bereits Erfahrung sammeln konnte. Die Mitarbeiter in weltweit 17 Vertriebsbüros werden geschult, damit sie den Verkauf mitübernehmen können. Ein Teil wird mit Reiterer an der Spitze direkt von Brilon aus vermarktet. Als Zielmärkte nennt er Deutschland, Österreich, Italien, Großbritannien, Benelux, Levante, Japan, USA, Australien und Süd-Ost-Asien. „Die vorhandene Technik gibt uns die nötige Flexibilität, um in diesen Märkten unsere Produkte abzusetzen. Mit Verlässlichkeit und hoher Qualität, die auf Kunden- und Marktbedürfnisse abgestimmt sind, werden wir bei unseren Kunden im In- und Ausland punkten“, bekräftigt Reiterer.

Egger Sägewerk Brilon

Gründung: 2007
Geschäftsführer: Leopold Atschreiter (Technik), Andreas Reiterer (Verkauf)
Mitarbeiter: 200 (im Vollausbau 2009)
Einschnitt: 800.000  fm/J (Plan 2009)
Produkte: unter anderem Rohlamellen für BSH, KVH, Duo-/Triobalken; Dachlatten; Studs; Rohmaterial für: Posts und Beams, Vollholzplatten, Hobelware, Profilware; Gerüstdielen
Zielmärkte: Deutschland, Österreich, Italien, Großbritannien, Benelux, Levante, Japan, USA, Australien, Süd-Ost-Asien

Ausrüster Sägewerk Egger

Baljer & Zembrod: Wurzelreduzierer
Bruks: Förderer und Hacker
Holtec: Rundholzplatz und Sägenzubringung
Info-Data: Vor- und Nachkalkulation
Jörg Elektronik: Vermessung Rundholzplatz, 3D-Vermessung Sägelinie
Kalmar:Stapler
Liebherr: Rundholz-Bagger
Linck: Spanerlinie
Mahild: Trockenkammern
Microtec: Vermessung, Goldeneye, Steuerung Sortierungen und Hobelwerk, Festigkeitssortierung
Nicholson: Entrindung
Scheuch: Absaugung
Springer: Sortierung und Paketierung, Mechanisierung Sägehalle und Hobelwerk
Waco/Weinig: Hobelmaschine