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Vier Röntgendetektoren ermitteln die Dichte der Hauptware © DI Johannes Plackner

Schwingung versus Streuung

Ein Artikel von DI Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 23.03.2013 - 10:57
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Noch feucht hinter den Stapellatten, aber schon festigkeitssortiert: Rettenmeier sortiert in Hirschberg die KVH-Rohware noch vor der Trocknung - ein Novum in Deutschland © DI Johannes Plackner

Die frisch gesägte KVH-Rohware kommt bei Rettenmeier in Hirschberg/DE nicht zur Ruhe. Gerade hat sie zwei Spaner und mehrere Sägeaggregate hinter sich. Doch anstatt sich in der Sortierstraße auszuruhen, wird sie von vier Röntgenstrahlen durchleuchtet und eine Eisenkugel klopft auf ihre Stirn. Zweck dieser Strapazen ist eine möglichst frühe und präzise Bestimmung der Festigkeit. Das Rettenmeier-Sägewerk ist der erste Standort in Deutschland, an dem die KVH-Rohware und andere Hauptwarensortimente mit dieser Methode untersucht werden. Rettenmeier investierte in ein Viscan-Plus-System von Microtec. Davon profitiert der Hersteller ebenso wie die Kunden des „Zunftholzes“.
Betriebsleiter Andreas Schmid erklärt zusammen mit Martin Bacher von Microtec die Beweggründe für die Hightechinvestition in Hirschberg. Schmid geht es in erster Linie um die hohe Produktqualität. Die Marke „Zunftholz“, wie Rettenmeier sein Fachhandelssortiment betitelt, und ihr Versprechen von hoher Qualität werden ernst genommen. Was das technisch heißt, erklärt Bacher. Der Südtiroler ist der perfekte Gesprächspartner, wenn es um die Festigkeitssortierung des Viscan-Systems von Microtec geht. Er war 2006 federführend bei der Entwicklung der Festigkeitssortierung von nasser Ware direkt nach dem Einschnitt in Zusammenarbeit mit der Holzforschung Austria verantwortlich. Deren Vorteile kennt er genauestens: „Die Sortierung unmittelbar nach der Nachschnittkreissäge ist vom Betriebsablauf her ideal. Ungeeignete Ware wird früh aussortiert und verursacht keine unnötigen Trocknungskosten.“
Die Gutware wird in die Festigkeitsklassen C18, C24 und C30 eingeteilt. Technologisch gesehen, wird die erwartete Festigkeit aus der gemessenen Steifigkeit hergeleitet. Dieses „dynamische Elastizitätsmodul“ verrät die Eigenschwingungsfrequenz. Eine Metallkugel klopft an jedes Stück Hauptware. Je heller das Brett klingt, umso steifer (=fester) ist es. Eine Besonderheit bei Microtec ist es, dass die Schwingung per Laser gemessen wird. „Das ist im lauten Sägewerksalltag zuverlässiger als ein Mikrofon“, argumentiert man.
Die Formel zur Berechnung des E-Moduls enthält auch die Dichte des Brettes. Diese wird bei Rettenmeier kontaktlos per Röntgenstrahlen gemessen. An vier Punkten läuft das Brett durch die Strahlung. Je weniger auf der anderen Seite ankommt, umso dichter ist die Ware. Dichte und Schwingungsfrequenz gemeinsam bestimmen die Festigkeit.
In der späteren KVH-Produktion werden die visuellen Festigkeitskriterien minimiert. Doch auch die Kunden von sichtbarer Ware profitieren von dem System wegen seiner 100 %igen Sicherheit.

Premiumprodukt durch Premiumproduktion

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Der Viscan-Monitor zeigt die Ergebnisse des aktuellen Brettes und eine Zusammenfassung an © DI Johannes Plackner

Vertrieben werden die hochwertigen Rettenmeier-Produkte unter dem Markennamen „Zunftholz“. KVH- Verkaufsleiter Tommy Häneke platziert seine Erzeugnisse klar als Premiumprodukt am Markt. „Das war der Hauptgrund für die Investition in die Festigkeitssortierung“, versichert er. Rettenmeier hat eine effizientere Produktion und die Kunden haben die nachgewiesene Gewissheit, dass jedes Stück sicher ist. Eine maschinelle Festigkeitssortierung ist zuverlässiger als die menschliche. Lasersensoren und Röntgendetektoren garantieren eine gleichbleibend exakte Sortierung entsprechend den Klassifizierungskriterien.

Mehr Äste und doch fester …?

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Projektteam: Dieter Klug (Leitung Instandsetzung), Andreas Schmid (Betriebsleitung), Matthias Bähr (Leiter Sägewerk/Rundholzplatz), Armin Hörburger (Produktionsltg. KVH/QVH), Martin Bacher (Microtec), Harald Junghans (Leiter Elektrik, v.li.) © DI Johannes Plackner

Die präziser bestimmte Festigkeit hatte bei KVH-NSi eine zunächst paradox anmutende Konsequenz. Der Anteil an großen Ästen darf steigen, weil im Gegensatz zur visuellen Sortierung bei maschinellen Systemen die Astgröße kein entscheidendes Kriterium mehr darstellt. Der Hammer des Viscan-Systems schickt seine Schockwellen durch das gesamte Holzvolumen. Das System kann daher auch bei größeren Ästen mit normgemäßer Sicherheit sagen: „Dieses Stück Holz ist fest genug!“
Die Messeinheit des Viscan-Plus bestimmt die Festigkeit über die gesamte Holzlänge. Die Zulassung und die regelmäßige Überwachung der maschinellen Sortierung erfolgen gemäß der EN 14081-4 in Deutschland durch die MPA Stuttgart.
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Vier Röntgendetektoren ermitteln die Dichte der Hauptware © DI Johannes Plackner

Inbetriebnahme in zwei Wochen

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So klein und so wichtig: Der Viscan-Sensor klopft und misst die vorbeieilende Ware © DI Johannes Plackner

Das System war innerhalb von zwei Wochen montiert und in Betrieb genommen. Die Sägelinie musste dafür nicht gestoppt werden, da Rettenmeier über zwei Hauptwaren-Sortierungen verfügt. Der Sortiermann bleibt trotz des automatischen Systems weiterhin an seinem Ort und überprüft nach visuellen Kriterien die Zusatzanforderungen für die maschinelle Sortierung. Dann sorgt eine Nullkappsäge für saubere Stirnseiten, indem sie die ersten Millimeter entfernt. Nach Längen-, Stärken- und Breitenmessung erfolgt der Microtec-Part, der auf gerade mal 1,5 m Platz findet. Über und unter dem Holzstrom sind je vier schuhschachtelgroße Röntgenquellen (oben) beziehungsweise -detektoren (unten) angebracht. Die Strahlung, mit der hier gearbeitet wird, ist so gering, dass weder eine Bleiplattenabschirmung noch eine Wasserkühlung nötig sind. Die Sicherheit der Mitarbeiter ist jederzeit gewährleistet.
Unmittelbar nach der Röntgenreihe folgt die Viscan-Einheit. Bis zu 80 Stirnseiten strömen dort minütlich vorbei und bekommen einen definierten Stoß. Die entstandenen Schwingungen werden mit einem roten Laserpunkt gemessen. Die Berechnung der Festigkeit geschieht in Sekundenbruchteilen im Computer.

Noch nass, doch schon sortiert

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Ein Mitarbeiter in der Kabine (li.) sortiert offensichtlich fehlerhafte Stücke aus, bevor die Bretter in eine Nullkappsäge und danach zum Viscan-System (hier nicht sichtbar) strömen © DI Johannes Plackner

Ebenfalls einen roten Punkt – aber mit Markierfarbe – bekommen jene Bretter, die dem Hauptsortiment C24 angehören. Weitere Festigkeitsklassen tragen andere Farben. Darauf basierend, läuft die Ware in Filmetagen. Nach der Stapelung wird jedes Paket mit einem Barcodezettel versehen, auf dem Dimension und Festigkeit vermerkt sind.
Mit Inbetriebnahme der Festigkeitssortierung wurde parallel eine Fremdaufgabe installiert. Hiermit besteht die Möglichkeit, Ware, welche nicht in der eigenen Sägelinie produziert wurde, über den Viscan zu fahren. Es kann sowohl frisch als auch trocken sortiert werden. Die Microtec-Anlage ist für beide Varianten ohne Modifikation zugelassen. Maschineneinstellungen für Fichte, Tanne, Kiefer und Douglasie sind nach EN 14081-4 verfügbar. Dies nutzt Rettenmeier bei der Rohware von Fichte und Dou­glasie, welche in Schwesterunternehmen produziert wird.

Neue Corporate Identity vorgestellt

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Das frische Corporate Design sowie der gelungene Messestand zogen zahlreiche Besucher der BAU 2013 in München an © DI Johannes Plackner

„Bewährtes erhalten, neu interpretieren und stärken“ – unter diesem Motto hat sich die Rettenmeier-Gruppe einem Markenrelaunch unterzogen. Im Mittelpunkt bleibt dabei jedoch Bewährtes: Rettenmeier will sich mit einem breiten und tiefen Sortiment von Qualitätsprodukten und einem starken Partnernetzwerk als Innovationsführer in der Branche positionieren. Dieses traditionelle Bewusstsein wurde in ein frisches, modernes Design gegossen. Neben kleinen Änderungen – etwa am Rettenmeier-Logo – wurde die Architektur der Dach- und der dazugehörigen Submarken neu strukturiert. Die Rettenmeier-Gruppe folgt nun auch in ihrem Claim dem seit 1948 bestehenden Leitgedanken und formuliert diesen als „Premium of Wood“.
Bei dem Verjüngungsprozess wurden im Online -, Print - sowie Messedesign neue Wege beschritten. Zum Jahreswechsel wurde der Webauftritt der Gruppe erneuert, um pünktlich zur BAU 2013 ein Zeichen zu setzen. „Auf unserem modernen und offenbar ansprechenden Stand nutzten bemerkenswert viele Besucher die Gelegenheit, die Vielfalt des Werkstoffs Holz in erfrischender Form und Weise zu erleben und den ,neuen‘ Rettenmeier kennenzulernen“, sagte Malte Meyer, Marketingmanager der Rettenmeier Holding. Die allgemeine Stimmung auf der Messe bezeichnete Meyer als „hervorragend“. Die Auslastung der deutschen Fertighausindustrie und Zimmermeister sei überdurchschnittlich gut. Sogar aus Übersee kommen zunehmend erfreuliche Signale. Daher sehe die Rettenmeier-Gruppe, deren Finanzierung im Zuge seiner Restrukturierung bis 2015 gesichert ist, durchwegs optimistisch in die Zukunft.

Rettenmeier Holding – Facts

Vorstand:Dr. Josef Rettenmeier (Sprecher), Dr. Stephan Lang, Frank DietzStandorte:Wilburgstetten/DE, Burgbernheim/DE, Hirschberg/DE, Ramstein/DE, In?ukalns/LV, Liptovský Hrádok/SKProduktgruppen:Schnittholz, KVH Duo- Triobalken, Massivholzplatten, Terrassen- und Gartenholz, Schalungsware, Hobelware, Fassaden, DIY-Produkte, Briketts und PelletsEinschnitt 2012: 2,1 Mio. fm/J (gruppenweit)