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T-Shirt-Zahn und Spanfläche: Das neue Sägeblatt vereint mehrere patentierte Innovationen © Johannes Plackner

Flüsterleise – flexibel – famos

Ein Artikel von Hannes Plackner (für Timber-Online bearbeitet) | 27.08.2013 - 14:02
Wer über die Holzverarbeitungskompetenz aus Süddeutschland schreibt, kommt am schwäbischen Balingen nicht vorbei. Seit wenigen Monaten verlassen regelmäßig Menschen mit etwas staubigen Händen und einem ungläubigen Gesichtsausdruck die dortige Zentrale von AKE Knebel. Im Mai stellte Geschäftsführer Alexander Knebel die neuen Supersilent-Sägeblätter auf der Ligna vor. Diese versprechen eine Revolution bei der handwerklichen Holzbearbeitung. Die Lärmbelastung sinke um 75 %. Die Standzeit würde sich gegenüber Hartmetallsägen mehr als verzehnfachen. Zudem sei das Sägeblatt so flexibel, dass sich damit Buchenhirnholz ebenso gut schneiden lasse wie Fichte längs zur Faser, Sperrholzplatten oder beschichtete MDF. Das klingt wie die vollständige Erfüllung einer Sägeblatt-wunschliste von Tischlern, Holzhändlern und gewerblichen Möbelproduzenten.
Jeder Holzkurier-Leser kennt das unangenehme Geräusch von Kreissägen: hochfrequentes Kreischen, verursacht von Zähnen und Spanräumen. Bis zu hundert Mal pro Sekunde drehen sich die Werkzeuge. Die Luft wird von den Zähnen verdrängt, wirbelt in die Spanräume – nur, um vom nächsten Zahn wieder zerschnitten zu werden. Das erzeugt den unangenehmen Lärm, der in der Tischlerei durchaus 95 dB erreicht. Anders die Supersilent-Blätter: Nur 75 dB Schalldruck emittieren diese. Aufgrund der logarithmischen Lautstärken­skala entspricht das einer 99 %igen Verminderung der Lärmleistung. Für das menschliche Ohr klingt das um 75 % weniger laut.
Wie funktioniert das? Das Entwicklerteam von AKE Knebel hat die Lärmquellen eliminiert. In erster Linie ist das der Spanraum. Anstatt die Späne vor den Zähnen mitzunehmen, strömen diese auf die äußere Sägeblattflanke. „Wir sprechen hier von einer Spanfläche, nicht mehr von einem Spanraum“, erklärt der junge Produktmanager Matthias Seemann. Dann lenkt er den Fokus auf die Sägezähne selbst. 43 Mal funkelt polykristalliner Diamant am Sägeblattumfang. Die Zähne wirken winzig. Nur 2 mm breit und hoch sind sie. Doch das reicht für eine feste Verlötung mit dem 1,8 mm starken Grundkörper. Die Besonderheit liegt in der Form der Zähne. „Wie kleine T-Shirts sieht der Querschnitt aus“, zeigt Seemann. Dieses Design zwingt die Späne dazu, neue Wege zu gehen: Wenn der Diamant ins Holz taucht, wird der Span zunächst an der Zahnbrust nach unten geführt. Dort teilt er sich. Je zur Hälfte links und rechts strömt er unter die „Ärmel“ des T-Shirts in die Spanfläche und bleibt dort, bis das Sägeblatt wieder aus dem Material taucht.

Abhaken der Tischlerwunschliste

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T-Shirt-Zahn und Spanfläche: Das neue Sägeblatt vereint mehrere patentierte Innovationen © Johannes Plackner

Ob sich die Innovation in den Werkstätten der Welt durchsetzt, wird die Zukunft weisen. Die Argumente pro Supersilent klingen jedenfalls stichhaltig. Seemann fasst die Vorteile unter „universell, leise, sicher und wirtschaftlich“ zusammen.
Flexibilität: Beschichtete Spanplatten soll man mit einem anderen Sägeblatt schneiden als Vollholz. Doch der Wechsel ist lästig. Mit Supersilent gehört das der Vergangenheit an. Die Diamantblätter sägen handbreitdickes Sperrholz ebenso sauber wie eine Spanplatte mit Melaminpapierschicht. Sie hinterlassen auf Buchenhirnholz eine ebenso ebenmäßige Oberfläche wie auf Fichte längs zur Faser. Das liegt auch daran, weil durch die Mehrfachzerspanung minimiert werde. Für extrem hohe Anforderungen bietet AKE zudem Vorritzersägen für die Austrittskante an.
Stille: Wer mit der Supersilent sägt, kann sich direkt neben der Kreissäge mit seinem Kollegen unterhalten. In normaler Lautstärke. Ohne Schreien. Das freut den Arbeiter an der Kreissäge und den Lohnverrechner im angrenzenden Büro. Das verhindert Krach mit den Nachbarn (im wahrsten Sinne des Wortes). Und nicht zu vergessen: Das spart Strom. 99 % weniger Schallleistung heißt auch weniger Motorbelastung.
Sicherheit: Weniger Lärm trägt automatisch zur Unfallvermeidung bei. Die Bediener hören besser, was um sie herum geschieht. Ebenfalls ist der Rückstoß vermindert. Schmale, abgetrennte Leisten bleiben neben dem Sägeblatt einfach liegen, anstatt durch breite Zähne nach hinten geschleudert zu werden. Zudem lässt sich das Sägeblatt einfacher anfassen. Zum Beweis nimmt Geschäftsführer Knebel ein Su­­per-­silent-Blatt, wirft es in die Luft und fängt es mit bloßen Händen (s. Bild oben).
Sparsamkeit: Mehrere Faktoren verringern die Kosten pro Schnitt. Das ist zuallererst die hohe Standzeit. Werkzeugwechsel und damit Rüstkosten werden ebenfalls reduziert. Durch die hohe Flexibilität reiche ein Sägeblatt. Investitionen in teure Komplettsortimente entfallen.

Neue Spaltkeile werden mitgeliefert

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Alexander Knebel wirft das Sägeblatt in die Luft und fängt es ohne Blessuren © Johannes Plackner

Auch die Einschränkungen der neuen Technologie gehören erwähnt: Die Schnittfuge beträgt 2 mm, der Grundkörper ist 1,8 mm stark. So dünne Spaltkeile gibt es nicht. AKE hat daher ein Spaltkeilsortiment entwickelt. Eine weitere Einschränkung ist, dass nur Materialien geschnitten werden können, bei denen ein „Brösel- oder Grießspan“ entsteht. Aluminium zählt nicht dazu. Durch den geringen Schneidenüberstand von nur 0,1 mm je Seite eignen sich auch feuchte und harzreiche Vollhölzer nur bedingt für das flüsterleise Sägeblatt.

50 Jahre Erfahrung, ein Jahr Entwicklung

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Supersilent-Produktmanager Matthias Seemann zeigt stolz das Ergebnis der Entwicklungen von AKE?Knebel © Johannes Plackner

Wer die Werkshallen von AKE Knebel kennt, den überrascht so ein revolutionärer Ansatz vielleicht. Knebel hält viel von traditionellem Handwerk. Immer noch werden die Sägeblätter von Hand gerichtet. Hammer, Haarlineal und das Gefühl des Handwerkers bearbeiten Werkzeuge, die in den leistungsfähigsten Sägewerken der Welt ebenso zum Einsatz kommen wie in der Tischlerei nebenan. Doch Handwerk und Innovation schließen sich nicht aus, sondern fördern sich gegenseitig. Schwaben – wo sich auch der AKE-Hauptsitz befindet – begründet seinen Wohlstand auf dem innovativen Mittelstand.
Technische Revolutionen brauchen aber immer absolute Experten. Wenn Knebel über seine Sägeblätter spricht, wird die Stimme eindringlicher, die Gestik deutlicher. Er beschreibt die Stahlbearbeitung mit Worten, wie „Eutektoid“, „Härtungsofen“, „Anlassen“, „Spannungsrillen“ oder „Erodierung“, ebenso spannend, wie ein Geigenbauer die Verarbeitung seines Tonholzes schildern kann.
Nur zehn Monate brauchten die Experten in Balingen, um das Sägeblatt zu entwickeln. Da waren keine Universität, kein externes Forschungsinstitut involviert. Erfindergeist und Kundenorientierung ermöglichten dies. Erhältlich sind Sägeblätter mit 303 mm Durchmesser. An weiteren Formaten wird gearbeitet. Die Schnittleistung soll bis zu 5 km betragen. Dann kann einmal nachgeschärft und weitere 4 km gesägt werden. Seit Mitte Juli liefert AKE Knebel die Sägeblätter aus. Ein erstes Fazit? „Unsere Kunden sind begeistert“, berichtet Seemann. „Wer interessiert ist, ruft am besten einfach bei uns an. Wir vermitteln ihn dann an den nächsten Händler“, sagt er. Und wer durch diese Zeilen nicht überzeugt ist, dem sei ein Besuch in Balingen empfohlen. Man kann sich aber schon auf staubige Hände und einen ungläubigen Gesichtsausdruck einstellen.