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330.000 tatro Fichten sowie 100.000 tatro Buche setzt SCA in Mannheim jährlich ein © Dr. Stefan Peters

Doppelstrategie

Ein Artikel von Dr. Stefan Peters | 02.05.2006 - 00:00
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330.000 tatro Fichten sowie 100.000 tatro Buche setzt SCA in Mannheim jährlich ein © Dr. Stefan Peters

High tech-Produkte aus Löchern, die per Fasern verbunden sind” - so umschreibt Robert Hock, Geschäftsführer von SCA Tissue Europe, Mannheim/DE, seine Hygieneprodukte, für deren Vertrieb er auf „dual trac” setzt: Das Geschäft mit eigenen Marken (ZEWA, Danke) sowie mit Handelsmarken. Herausfordernd: Für den Rohstoff Holz stiegen die Preise binnen Jahresfrist bis 20% an, bedingt durch konkurrierende, thermische Nutzung sowie politische Entscheidungen. Preiskämpfe der Handelsketten lassen die Verbraucherpreise für Hygieneprodukte dagegen sinken.

Streng kontrolliert. Punkten kann Hock bei den Verfahren: In Mannheim, größter europäischer Tissue-Standorte, stellt Svenska Cellulosa Aktiebolaget (SCA) per integrierter Produktion 220.000 t/J Zellstoff im Sulfitverfahren sowie 260.000 t hochwertiges Tissue her. Das direkt an einem Rhein-Seitenarm gelegene, 100 ha große Gelände bietet Platz für insgesamt 50.000 t Buchen- und Fichten-Faserholz sowie Fichten-Hackschnitzel, die per Lkw und Bahn eintreffen.


Ziemlich lebendig. Mumie nennt sich eine übermannsgroße, diagonal angeordnete, elliptische Metallhülse - die inwendige Schraube befördert in 47 m Höhe Hackschnitzel in einen „für das Sulfitverfahren einzigartigen, kontinuierlichen Kocher”, schwärmt Hock. Zuvor wurde ihnen in der Vordämpftrommel stirnseitig die Kochsäure eingepresst. In mehreren Stufen verwandelt dieser Kocher Hackschnitzel zu täglich 380 t Zellstoff. Zwölf diskontinuierliche Kocher erzeugen täglich 280 t Zellstoff als Grundlage für Papier- und Tissue-Produktion, fünf davon 120 t Buchen-Zellstoff.
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Kapazität von insgesamt 260.000 t/J: Zwei der fünf Wattemaschinen (Hintergrund) vorne entsteht bereits die neue Bleichstufe © Dr. Stefan Peters

Geschlossene Kreisläufe. Nach den Waschpressen und damit der Trennung von Zellstoff und Waschlauge erfolgt deren Eindampfung von 12% auf 56% Trockengehalt. Magnesiumoxid und Schwefeldioxid, die Kochreagenzien, werden zwecks Wiederverwertung abgeschieden und den organischen Anteil thermisch genutzt - 60% der in fünf Kesseln eingesetzten Brennstoffe stammen als Koppelprodukte aus der Zellstofferzeugung - dies macht die Zellstofffabrik nicht nur energetisch autark, sie liefert auch Überschüsse. Zudem beschreibt Hock einen nahezu geschlossenen Wasserkreislauf. Nach der Bleiche mit hochkonzentriertem Wasserstoffperoxid bei 80° C zeigt sich der Vorteil einer integrierten Produktion: Für zwei Drittel des direkt weiterverarbeiteten Zellstoffs entfällt die sonst übliche Trockung.

Yankee gekreppt.
Eine von fünf Wattemaschinen, die WM5, erzeugt 60.000 t/J hochwertiges Tissue. Die WM6 liefert Tissue nach dem TAD-Verfahren (through-air-drying). Hierbei wird Zellstoff mit 0,1 bis 0,3% Stoffdichte eingedüst, auf ein Sieb gezogen und entwässert. Der Yankee-Zylinder, ein 6 m im Durchmesser und 5,5 m in der Breite messender, innen dampfbeheizter und außen polierter Metallzylinder, trocknet die Bahn auf 95% Stoffdichte. Das eigentliche Tissue entsteht am Kreppschaber: Die fein justierbare Metallleiste nimmt bei 1800 m/min die Bahn von der Trommel ab und staucht sie zum dehnbaren, weichen Produkt. Ein Coating sorgt mit fein abgestimmter Rezeptur erst für die Haftung, dann für das Ablösen.

Fliegender Wechsel. Aufgewickelt auf einen Eisenkern (Tambour), erfolgt der fliegende Wechsel, sobald die Rolle ihre Zielstärke erreicht hat. Ein Luftstrahl trennt die Tissue-Bahn quer und bugsiert sie auf die bereits auf Drehzahl gebrachte, nächste Rolle. Aus der halbierten Tambourrolle entsteht die Mutterrolle als Handels- oder Zwischenprodukt.


Für Köche oder irritierte Nasen. Vollautomatisch transportiert und abwickelt sowie geprägt und bedruckt, entstehen, an acht Linien die Stämme sowie - zersägt - 1,2 Millionen Rollen Haushaltspapier. Auch Palettierung per Roboter sowie die Verpackung erfolgen vollautomatisch, bevor Laser gesteuerte Fahrzeuge die Paletten zum Versand befördern. 60.000 t/J entstehen an diesem Standort vom Haushaltstücher sowie, ebenso automatisiert, 50.000 t/J oder 6 Mio. Taschentuch-Päckchen pro Tag sowie 90.000 t/J oder 2 Millionen Rollen Toilettenpapier.


Kräftig investieren. 60 Mio. € investiert SCA derzeit unter anderem in ein neues Hochregallager für Mutterrollen sowie in die Herstellung von Haushaltstüchern und Papiertaschentüchern. Dies verdeutlicht insbesondere den technischen Fortschritt: Absolviert eine fünf Jahre junge Linie noch 35 Stämme pro Minute, schaffen die neuen 60.

SCA-Facts

gegründet 1929 als Holding für 10 Säge- und Papiermühlen
Umsatz (2005): 10,4 Mrd. €
Produkte: Hygiene Products (50% vom Umsatz), Packaging (35%), Forest Products (Vollholz, Zellstoff, Druckpapiere, 14%)
Betriebsergebnis (2005): 49 Mio. €
Mitarbeiter: 51.000
President und CEO: Jan Åström

SCA Mannheim

Teil der SCA Hygiene Products, München/DE
gegründet 1884 als Zellstofffabrik Waldhof
Produkte: 220.000 t/J Zellstoff, 260.000 t/J Rohwatte, 90.000 t/J Toilettenpapier 60.000 t/J Haushaltstücher, 40.000 t/J Taschentücher sowie 35.000 t/J FlexPack Papers (Lebensmittelverpackungen)
Mitarbeiter: 1850 inklusive 90 Auszubildende
zertifiziert nach EMAS II und ISO 14001
Geschäftsführer: Robert Hock und Thomas Wüst