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Biomasse-Fernheizkraftwerk Lienz (Neuanlage links, Bestandsanlage rechts) © BIOS

Erweiterung Lienz

Ein Artikel von Prof. DI Dr. Ingwald Obernberger, DI Erwin Reisenhofer | 28.02.2006 - 13:45
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Biomasse-Fernheizkraftwerk Lienz (Neuanlage links, Bestandsanlage rechts) © BIOS

Im Rahmen eines europäischen Demonstrationsprojektes wurde eine für Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen speziell entwickelte ORC-Technologie mit einer elektrischen Nennleistung von 1.000 kWel im neu errichteten Biomasseheizkraftwerk Lienz realisiert. Diese Anlage ist seit Februar 2002 erfolgreich in Betrieb.
Durch die ausgezeichnete Akzeptanz der Fernwärmeversorgung mittels Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplung in der Lienzer Öffentlichkeit und der hohen Anschlussbereitschaft an die Fernwärme wurde ein weiterer Ausbau des Fernwärmenetzes und damit verbunden die Erweiterung des Heizkraftwerkes möglich. Im Oktober 2005 wurde eine weitere ORC-Anlage mit einer Nennleistung von 1.500 kWel in Betrieb genommen.

Die Erfahrungen aus der bestehenden Anlage führten weiters zur Installation eines 400 m³ Pufferspeichers, um die Lastspitzen aus dem Fernwärmenetz zu glätten, sowie zur Errichtung eines stationären Hackers und eines Rundholzlagerplatzes, um die Bereitstellung von Waldhackgut zu optimieren.
Als Errichter- und Betreibergesellschaft fungiert die Stadtwärme Lienz Produktions- und Vertriebs-GmbH, welche sich zu jeweils 48 % im Eigentum der Steirische Gas-Wärme GmbH (StGW) bzw. der TIWAG-Tiroler Wasserkraft AG sowie zu 4 % im Eigentum der Stadt Lienz befindet. Die maschinentechnische Planung der ORC-Anlagen sowie der gesamten wasserseitigen Anlagenhydraulik und Regelung wurde von der BIOS BIOENERGIESYSTEME GmbH durchgeführt. Die Gesamtplanung erfolgte in Kooperation mit der PLAN.T Steirische Energieanlagen-Enginering und Consulting GmbH.Das Biomasseheizkraftwerk versorgt die Stadt Lienz mit Fernwärme (verkaufte Wärmemenge ca. 73 GWhth pro Jahr nach Vollausbau des Fernwärmenetzes). Der produzierte Strom (ca. 10,5 GWhel pro Jahr nach Vollausbau des Fernwärmenetzes) wird in das örtliche Leitungsnetz eingespeist. Das ausgezeichnete Teillastverhalten der ORC-Anlagen ermöglicht es die Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ausschließlich in wärmegeführter Fahrweise, und somit mit sehr hohem Gesamtwirkungsgrad, zu betreiben. Insgesamt sind im Biomasseheizkraftwerk Lienz drei Biomassefeuerungen, ein Thermoölkessel mit nachgeschalteten Thermoöl-Economiser mit einer Nennleistung von 6,5 MWth (zur thermischen Versorgung der 1.000 kWel ORC-Anlage) und ein Warmwasserkessel mit einer Nennleistung von 7,0 MWth in der Bestandsanlage sowie ein Thermoölkessel mit nachgeschalteten Thermoöl-Economiser mit einer Nennleistung von 8,7 MWth (zur thermischen Versorgung der 1.500 kWel ORC-Anlage) in der Neuanlage, installiert. Den Kesseln nachgeschaltet sind zur Wärmerückgewinnung Warmwasser-Economiser mit einer Leistung von insgesamt rund 2,5 MWth. Als Ausfallsreserve und zur Spitzenlastabdeckung sind weiters zwei mit Heizöl extraleicht befeuerte Ölkessel mit einer Nennleistung von jeweils 11,0 MWth installiert.
Im Zuge der Errichtung der Neuanlage im Jahr 2005 wurde das hydraulische Konzept auf Basis der vorliegenden Betriebserfahrungen optimiert, da einerseits durch den Ausbau des Fernwärmenetzes die bestehenden Fernwärme-Netzpumpen an Ihre Kapazitätsgrenzen stießen und andererseits der Betrieb der letzten Jahre eine sehr ausgeprägte Lastspitze in den Morgenstunden gezeigt hat, welche nur durch den Einsatz der Spitzenlastkessel auf Ölbasis abgedeckt werden konnte.
Aus diesem Grund wurde zur teilweisen Abdeckung der Spitzenlast und zum Glätten von Lastschwankungen ein Pufferspeicher mit einem Volumen von 400 m³ vorgesehen. Weiters wurde ein ausgeklügeltes Regelungs- bzw. Lastmanagementkonzept erarbeitet, um die Möglichkeiten zu nutzen, die sich durch die Einbindung des Pufferspeichers ergeben. So kann in den Nachtstunden, die sich durch eine geringere Lastabnahme im Fernwärmenetz kennzeichnen, der Pufferspeicher durch verstärkten Einsatz der Biomassefeuerungen geladen und in den Morgenstunden zur Abdeckung der Lastspitzen wieder entladen werden.
Weiters können auch andere, z.B. durch das Lastverhalten einzelner großer Abnehmer oder durch Witterungsschwankungen hervorgerufene, Lastschwankungen geglättet werden, wodurch es möglich ist, im Vergleich zu Systemen ohne Pufferspeicher die Laststeigerung bzw. Lastabsenkung der Feuerungen langsamer und gleichmäßiger durchzuführen.
Der Einsatz der Feuerungen erfolgt jeweils so, dass sich insgesamt ein optimales wirtschaftliches Ergebnis ergibt.
Dies wird erreicht, indem die Anlagen mit dem höheren wirtschaftlichen Nutzen vorrangig betrieben werden (Biomasse-Thermoölkessel der Neuanlage vor Biomasse-Thermoölkessel der Bestandsanlage vor Biomasse-Heißwasserkessel der Bestandsanlage vor Ölkessel). Durch das Lastmanagement der Feuerungen in Verbindung mit der Pufferspeicherregelung können an einem typischen Wintertag durch den verstärkten Einsatz der Biomassefeuerungen rund 15 MWh in den Nachtstunden im Pufferspeicher gespeichert werden und diese Energiemenge zur Reduktion des Öleinsatzes zur Spitzenlastabdeckung in den Morgenstunden genutzt werden (entspricht ca. 1.700 l Öleinsparung bei einer Morgenspitze). Die Stromproduktion kann, in Abhängigkeit von der jeweiligen Lastsituation in der Phase der Pufferspeicherladung in den Nachtstunden um bis zu 2,2 MWh pro Pufferspeicherladung gesteigert werden.
Die ersten Betriebserfahrungen mit dem Pufferspeicher zeigen eine deutliche Reduktion des Ölverbrauches und somit auch eine verbesserte Auslastung der Biomassefeuerungen, was folglich zu einer Steigerung der Stromproduktion führt. Die Glättungen der Lastschwankungen führen weiters zu einem gleichmäßigern und somit emissionsärmern Betrieb der Biomassefeuerungen.
Die ORC (Organic Rankine Cycle) Technologie basiert auf dem Rankine Prozess mit dem Unterschied, dass anstelle von Wasser ein organisches Arbeitsmittel verwendet wird. Bezüglich der Beschreibung der ORC-Technologie und dessen spezieller Vorteile wird auf den in dieser Ausgabe veröffentlichen Artikel „Biomasse-KWK-Leoben: Derzeit weltweit größte ORC-Anlage” verwiesen.
Die nun schon jahrelange Betriebserfahrung von BIOS mit ORC-Anlagen in Biomasse-KWK-Anwendungen bescheinigt diesen eine ausgezeichnete Verfügbarkeit von über 97 %. Im Jahr 2004 wurden bei wärmegeführter Betriebsweise der 2002 in Lienz in Betrieb genommen 1.000 kWel ORC-Anlage rund 5.500 Volllaststunden erreicht. Weiters zeigt sich, das die garantierten Nennleistungen deutlich (um mehr als 10 %) überschritten werden konnten. Auch nach der Installation der 1.500 kWel ORC-Anlage werden durch den Ausbau des Fernwärmenetzes und durch die Installation des Pufferspeichers bei wärmegeführter Betriebsweise über 4.000 Volllaststunden für beide KWK-Anlagen erzielbar sein.
Die auf den gemachten Erfahrungen und gewonnenen Daten durchgeführten wirtschaftlichen Bewertungen zeigen, dass die Stromgestehungskosten von Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf ORC-Basis mit einer elektrischen Nennleistung zwischen 1.000 und 1.500 kWel zwischen 0,09 und 0,14 € /kWh liegen - je nach den gegebenen Rahmenbedingungen hinsichtlich Anlagengröße, Brennstoffpreis und Anlagenauslastung.
Diese spezifischen Stromgestehungskosten ermöglichen in denjenigen Ländern einen wirtschaftlich sinnvollen Betrieb derartiger Anlagen, in denen entsprechende Förderprogramme zur Forcierung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern gewährt werden. Eine weitere Voraussetzung für einen ökologischen und kosteneffektiven Betrieb der Anlage ist, dass nicht nur Strom sondern auch die Wärme, die durch den Betrieb des Heizkraftwerkes produziert wird, als Prozess oder Fernwärme verwendet werden kann (wärmegeführter Betrieb der Gesamtanlage).
Das größte Einsatzpotential für Biomasse-Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf ORC-Basis liegt aufgrund des Leistungsspektrums der ORC-Technologie (derzeit zwischen 400 und 1.500 kWel) und der oben beschriebenen Sinnhaftigkeit der Wärmenutzung in mittelgroßen holzbe- und holzverarbeitenden Betrieben, in dezentralen Altholzfeuerungen sowie in Biomasse-Fernheizwerken (Neubau oder Umrüstung bestehender Anlagen).
Die wärmegeführter Betriebsweise von KWK-Anlagen wird in Zukunft aufgrund von einem immer höheren Stellenwert von effizienten Energieerzeugungstechnologien weiter an Bedeutung gewinnen.
Gerade bei solchen wärmegeführten Anlagen ist eine optimierte hydraulischen Integration in das Gesamtsystem von entscheidender Bedeutung. Speziell bei Biomasse-KWK-Anlagen mit Fernwärmenetzen, welche durch hohe tages- und jahreszeitlichen Lastschwankungen gekennzeichnet sind, kann durch die Integration von Pufferspeichersystemen in Verbindung mit einem geeigneten Lastmanagementsystem ein gleichmäßigerer Anlagenbetrieb, eine höhere Auslastung der Biomasse-Feuerungen, eine höhere Stromproduktion und somit eine wirtschaftlichere Betriebsweise der Gesamtanlage erzielt werden.

BIOS-Facts

Gegründet: 1995
Standort: Graz
Geschäftsführer: Prof. DI Dr. I. Obernberger
Mitarbeiter: 24
Produkte/Dienstleistungen:
Forschung, Entwicklung, Planung, Realisierungund Optimierung von Prozessenund Anlagen zur energetischenNutzung von Biomasse(darunter 15 ORC-Anlagen)
Aktuelle Projekte:
25 MWel Kalamata (GR)
8,6 MWel Schlanders (IT)
5 MWel Baden
5 MWel Mödling