Nawaro Energie Betrieb

Ein (fast) unbeaufsichtigtes Holzgaskraftwerk

Ein Artikel von Philipp Matzku | 23.02.2023 - 07:41
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Holzvergasung in zwei Stufen: Der Schwebebettreaktor „crackt“ den Teer auf und im Filter wird dem Gas gezielt die verbliebene Pflanzenkohle entnommen © Syncraft

Die Bioenergie Perg betreibt laut eigenen Angaben seit 2006 ein 9000 kW-Biomasseheizwerk mit zwei Kesseln und 35.000 Srm Hackgutverbrauch. Nach der Genehmigung des Holzgaskraftwerkes 2017 wurde der Tiroler Spezialist für Holzkraftwerke, Syncraft, mit der Umsetzung der Gesamtanlage beauftragt. Drei Jahre später begann man zusammen mit Nawaro Energie Betrieb die Detailplanung des von Syncraft selbst entwickelten sogenannten Rückwärtskraftwerks. „Wir haben seit vielen Jahren mit Syncraft ein sehr vertrauensvolles Verhältnis und kennen uns aus der Branchenvertretung IG Holzkraft“, erklärt Christoph Mizelli, zuständig für die Projektleitung und Geschäftsfeldentwicklung bei Nawaro Energie Betrieb, den Grund für die Zusammenarbeit. Er erklärt weiter: „Es ist die größte Anlage von Syncraft in Österreich, wobei für uns das Fernwärmenetz und die benötigte Grundlast die Anlagengröße bestimmen.“ Die Grundfläche der Gesamtanlage beläuft sich auf 1200 m2. Die reine Produktionsfläche mit Holzvergasungsanlage und BHKW kommt auf 650 m2.

2021 erfolgte der Baubeginn und im Januar 2023 wurden die beiden Holzvergasungsanlagen des Typs CW1800-500 in Betrieb genommen. Das Holzgaskraftwerk hat eine Gesamtleistung von 1000 kW elektrischer und 1540 kW thermischer Energie. Die Wärmeenergie dient zur Grundlastversorgung des Nahwärmenetzes, die elektrische Energie wird zur Versorgung von rund 2000 Haushalten in das örtliche Stromnetzwerk eingespeist. Zur Steigerung der Gesamteffizienz wurde auf der Dachfläche eine PV-Anlage installiert, die eine jährliche Strommenge von rund 110 MWh liefert und der Teildeckung des Eigenstrombedarfs des Kraftwerkes dient (Innovative Holzgaskraftwerke).

Holzvergasung mittels „Rückwärtskraftwerks“

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Rund 2000 Haushalte kann die größte Syncraft-Anlage in Österreich mit Strom versorgen © Syncraft

„Der Vorteil von zwei getrennten Anlagen ist für uns, dass wir eine getrennte Revision vornehmen können, wobei das Blockheizkraftwerk (BHKW) von Innio Jenbacher immer von einer Linie versorgt wird“, gibt Mizelli zu verstehen. Die gesamte Anlage kann größtenteils unbeaufsichtigt betrieben werden. Es ist nur eine Stunde am Tag ein Service beziehungsweise eine Kontrolle notwendig.

Die Servicetechniker von Syncraft und auch die beiden für die Anlage zuständigen Nawaro-Mitarbeiter können jederzeit über mobile Endgeräte und mittels Fernwartung auf das System zugreifen und brauchen zur Kon-trolle nicht zwangsläufig vor Ort zu sein.

Rohstoff aus der Region

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Über einen Schubboden (A) wird das Hackgut, das vorher in der Trocknungsbox (B) auf unter 10 % Wassergehalt getrocknet wurde, der Pyrolyse zugeführt © Philipp Matzku

Das Rohmaterial für die Anlagen besteht aus G 50-Waldhackgut, das Nawaro im Umkreis von rund 60 km aus dem Mühl- und Waldviertel just in time nach Perg liefert. 5600 t-atro/J beziehungsweise 100 t-atro/Woche werden für die Doppelanlage benötigt. In vier, 200 m3 fassenden, großen Trocknungsboxen wird das Hackgut mithilfe von 50° C Niedertemperatur auf mindestens 10 % Wassergehalt getrocknet. Jeweils ein Schubboden versorgt eine Linie mit trockenem Hackgut mit einer Schüttdichte von 180 kg/Srm.

Dieses wird über ein Schneckensystem in einen Vorlagespeicher und dann in die Pyrolyse eingeführt. „In der klassischen Vergasung sind die Pyrolyse und Vergasung in einer Stufe, Syncraft nutzt hier zwei Schritte“, erklärt Julius Pirklbauer, Projektleiter bei Syncraft. In der zweiten Stufe im 8 m3 großen Schwebebettreaktor wird bei 800 bis 850° C das restliche Holz vergast, der Teer aufgespalten und in den Filter transportiert, wo dem Gas die verbliebene Pflanzenkohle entnommen wird.

Im darauffolgenden Kühler wird das Gas von rund 700 auf 30° C abgekühlt, über einen Wäscher in den Gasmotor eingebracht und verbrannt. Die dabei entstehende elektrische Energie und Hochtemperaturwärme von 94° C im Vor- und 55° C im Rücklauf werden von den beiden BHKW erzeugt.

Syncraft nennt diesen Anlagentyp Rückwärtskraftwerk, da aus der Atmosphäre CO2 gezielt entzogen und in Pflanzenkohle gespeichert wird. „Rund 9 m3 Pflanzenkohle werden täglich produziert, die in 2,5 m3 große Big Bags gefüllt und an Unternehmen, die diese wiederum zur CO2-Reduktion verwenden, verkauft werden“, informiert Mizelli.

Weitere Projektplanung

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Stolz auf das erste gemeinsame Projekt: Peter Klauner, Christoph Mizelli, beide Nawaro, Julius Pirklbauer, Syncraft, sowie Andreas Feßl, Nawaro (v. li.), vor einer der beiden Syncraft-Holzvergasungsanlagen © Syncraft

„Wir konnten bereits drei Wochen, nachdem die Bauphase geendet hatte, im Zuge der Inbetriebnahme erfolgreiche Leistungstests durchführen. Es hat alles funktioniert. Die Servicetechniker von Syncraft unterstützen uns tatkräftig und professionell bei Optimierungsschritten. In enger Absprache streben wir seitens der Nawaro Energie Betrieb ein gemeinsames Wachstum an und planen, zeitnah mehrere neue Projekte mit Syncraft umzusetzen“, betont Mizelli.