Der Holzbedarf erholte sich mit der schrittweisen Wiederöffnung des Landes im Sommer stärker als erwartet. Kommen die geplanten Maßnahmen zum Tragen, ergeben sich in Zukunft gute Chancen für mehr Holzverwendung. Dafür soll die italienische Wertschöpfungskette Forst und Holz gestärkt werden.
Lockdown in Zahlen
Die Auswirkungen der „Schließung“ des Landes im Frühjahr sind statistisch belegt. Der ISTAT-Bericht von Anfang Oktober für das 2. Quartal zeigt einen Einbruch des BIP um 13 % gegenüber dem 1. Quartal 2020 sowie von 18 % gegenüber dem 2. Quartal 2019. Die Importe von Sachgütern und Leistungen gingen um 20 % zurück, die Exporte fielen um 26 %.
Die Wertschöpfung in der Baubranche nahm, bezogen auf das Basisjahr 2015, um 20 % ab. Der private Konsum fiel um fast 7 % geringer aus als im Vergleichsquartal 2019. Knapp eine halbe Million Arbeitsplätze ging im 2. Quartal verloren.
Milliardenhilfen der EU
Ende Juli erreichte die Staatsverschuldung mit über 2.500 Mrd. € einen historischen Höchststand. Das Budgetdefizit könnte von 135 % auf 160 % des BIP hinaufschnellen. Die geplanten Programme sollen daher auch mit EU-Hilfsgeldern finanziert werden. Sicher zugesagt sind Mittel aus dem europäischen Wiederaufbaufonds im Ausmaß von fast 209 Mrd. € in Form von Zuschüssen (81 Mrd. €) als auch Krediten (127 Mrd. €). Dies entspricht rund 12 % der Wirtschaftsleistung. Die Verhandlungen über die Auszahlungsmodalitäten sind noch im Gange.
Zusätzlich erhält Italiens aus dem europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) 37 Mrd. € zur Stärkung des Gesundheitswesens. Weitere 20 Mrd. € kann sich Italien in Form von Darlehen aus dem mit Garantien der EU-Mitgliedstaaten und des EU-Haushalts hinterlegten SURE-Fonds zur Unterstützung der Kurzarbeit bis Ende 2022 abholen.
Für Unternehmens-Investitionen stellt die Europäische Investitionsbank heuer 20 Mrd. € bereit. Die Ankäufe italienischer Staatsanleihen im „Quantitative Easing“-Programm durch die Europäische Zentralbank betragen bis Jahresende 220 Mrd. €.
Grüner und sicherer
„Gestalten wir den Aufschwung!“, lautet das Motto der Regierung, die Stoßrichtung ist in einem Masterplan definiert. Ein Auszug jener Vorgaben, die aus Sicht der Holzverwendung interessant sind:
- Italien soll nachhaltiger und grüner werden.
- Italien soll ein Land mit sicherer und effizienter Infrastruktur werden, unter anderem durch Sanierung der städtischen Bausubstanz und Erneuerung der Sportanlagen mit Blick auf die Winterolympiade 2026 in Mailand/Cortina.
- Erstellung eines gesamthaften Plans zur Förderung der italienischen Wertschöpfungsketten wie zur Stärkung des Tourismus durch Modernisierung der Beherbergungsbetriebe
- Superbonus für den Bau
Dafür nimmt die Regierung 55 Mrd. € in die Hand. Wesentliche Säule zur Konjunkturbelebung ist der sogenannte „Superbonus“. Darunter fallen steuerliche Anreize für Bauinvestitionen, die vom Begünstigten auf unterschiedliche Weise geltend gemacht werden können:
- in Form einer ordentlichen Abschreibung des Investitionsbetrags über fünf Jahre
- als Abgabengutschrift, die als vorgezogener Skonto gegenüber dem Lieferanten abgezogen werden kann, oder
- als Steuergutschrift, die an Banken oder Versicherungen abtretbar ist
Abschreibungen von 110 %
Öffentliche Ausschreibungen OS32 – Holzbauten nach Typologien in Anzahl und Auftragsvolumen, Schulen und Sporthallen dominieren © FAL, ANCE
Der Begriff „Superbonus“ ergibt sich aus der maximal möglichen Erhöhung bereits bestehender prozentueller Abschreibungen auf bis zu 110 €. Der Bonus wird seit Juli bis Ende 2021 gewährt. Förderbar sind Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz (Ecobonus), zur statischen Ertüchtigung gegen Erdbeben (Sismabonus), zur Anbringung von Fotovoltaik-Anlagen (Bonus Edilizia) und zur Errichtung von Ladestationen für Elektroautos. Berechtigt sind nicht nur Privatpersonen, sondern auch Wohnbauträger.
Investitionen in den Schulbau
Das „Decreto Rilanco 2“ von Mitte August sieht die Erhöhung der Mittel für die Planung und Sanierung von Schulen und öffentlichen Bauprojekten vor. Für den Zeitraum von 2020 bis 2024 waren bereits rund 670 Mio. € an Investitionen geplant. In einer zusätzlichen Bestimmung im Gesetz werden diese Investitionen für 2021 nochmals mit 600 Mio. € aufgestockt. Zusätzlich werden jene für den Zeitraum 2030 bis 2034 geplanten Investitionen zur energetischen Sanierung in den nächsten vier Jahren vorgezogen. Dadurch ergibt sich ein Investitionsvolumen von über 1 Mrd. €. 2021 werden auch Investitionen von 900 Mio. € für die statische Ertüchtigung von öffentlichen Gebäuden vorgezogen.
Dachverband positioniert sich
Großes Augenmerk legt die italienische Politik auf die Stärkung der heimischen Produktions- und Wertschöpfungsketten. Zu diesen Rahmenbedingungen positioniert sich auch der italienische Dachverband FederlegnoArredo (FLA). Der bisherige Verbandspräsident, Emanuele Orsini (System Costruzioni, Modena), wechselte als einer von elf Vizepräsidenten an die Spitze der Industriellenvereinigung (Confindustria). Im Juli wählten die rund 500 Mitglieder der Holz verarbeitenden Berufsgruppe Assolegno mit Angelo Marchetti, Marlegno aus Bergamo, ihren neuen Vorsitzenden.
„Italy first“
Als bisher einziger Kandidat für den Vorsitz der FLA steht Claudio Feltrin, Inhaber des Möbelherstellers Arper bei Treviso, zur Wahl. Sein Programm ist vom Wunsch zur Stärkung der italienischen Wertschöpfungskette „Forst und Holz“ bis hin zu mehr Holz der kurzen Wege getragen. Italien verbraucht jährlich rund 40 Mio. m3 Holz, 80 % der Menge müssen jedoch importiert werden.
Wunderbares Italien
Zuletzt sprach Ministerpräsident Giuseppe Conte im Zusammenhang mit der Disziplin der Bürger im COVID-19-Sommer vom „italienischen Wunder.“ Als solches kann auch die Errichtung des Viaduktes San Giorgio in Genua bezeichnet werden. Nur zwei Jahre nach dem spektakulären Einsturz der Schrägseilbrücke Morandi wurde die neue Autobahnbrücke im August für den Verkehr freigegeben. Infrastrukturprojekte dauern im Durchschnitt von der Bewilligung bis zur Fertigstellung 15 Jahre.
Im September schließlich geschah mit der Verflüssigung des Blutes des Stadtheiligen Gennaro das Blutwunder von Neapel. Ein gutes Omen für die Stadt, das ganze Land. Italien hat viele Talente, es wird sie nutzen müssen.