Gerade in der Möbelindustrie geht der Trend weltweit in Richtung Individualisierung. Die Material- und Variantenvielfalt kennen hier kaum noch Grenzen und verändern die altbekannte Serienfertigung vielerorts radikal. Für die Hersteller bedeutet das zunehmend die Fertigung von kleinen Losgrößen oder gar Losgröße 1. Um Anwender aus Industrie und Handwerk dabei bestmöglich zu unterstützen, machte man sich bei der Homag Plattenaufteiltechnik, vormals Holzma, an die Entwicklung einer Aufteilzelle. Was die Maschinenkonstrukteure dabei fokussierten, verrät Uwe Elhaus, Leiter Mechatronik bei Homag Plattenaufteiltechnik: „Ein übergeordnetes Entwicklungsziel lautete, die bis dato gegenläufigen Faktoren Einzelteil-
fertigung und maximalen Output unter einen Hut zu bringen. Das konnte nur durch taktzeitoptimierte Vollautomation mit maximaler Flexibilität gelingen – und da waren wir auch schon beim Thema Roboter angelangt.“
Roboterlösung in puncto Flexibilität unschlagbar
In aufwendigen Analysen haben die Maschinenbauer alle möglichen Alternativen untersucht. Dabei kristallisierten sich Roboterlösungen hinsichtlich Flexibilität und Handhabungsgeschwindigkeit als unschlagbar heraus. Von allen untersuchten Palettierrobotern kamen die vierachsigen Yaskawa-Maschinen der MPL-Baureihe dem bestehenden Anforderungsprofil im Hinblick auf Geschwindigkeit, Verfügbarkeit, Reichweite, Tragkraft sehr nahe. Doch auch die gemeinsame Zusammenarbeit war ein wichtiger Aspekt, wie Dieter Pilz von Homag betont: „Die Mannschaft von Yaskawa ließ sich komplett auf unser Projekt ein, investierte viel Zeit und steuerte bereits vor endgültiger Auftragsvergabe viel Know-how bei.“
Vollautomatischer Zuschnitt – Nachschnitte ohne Limit
Uwe Elhaus, Leiter Mechatronik, und Prokurist Dieter Pilz (v. li.) sind von der Performance der robotergestützten Plattenaufteilzelle überzeugt © Ralf Högel
Tatsächlich sorgte die innovative Robotersäge HPS 320 Flextec bereits bei der Weltpremiere auf der Ligna 2015 für Furore. „Ein kompaktes Plattenaufteilzentrum, das den Individualzuschnitt vollautomatisch mit nur einer Säge erledigt und dabei Nachschnitte ohne Limit bei maximaler Flexibilität in der Schnittplangestaltung erlaubt – genau darauf hatte der Markt gewartet. Noch auf der Messe gingen die ersten Bestellungen ein“, so Elhaus.
Da sich die HPS 320 Flextec wahlweise an automatische Flächenlager anbinden oder auch in komplette industrielle Fertigungsanlagen integrieren lässt, zählen Handwerk und Industrie gleichermaßen zum Kundenkreis. Durch einen intelligenten, modularen Aufbau lässt sich die Aufteilzelle nach Kundenwunsch zusammenstellen und sowohl im Teilefluss als auch in der Leistung anpassen. Herzstück der HPS 320 Flextec in der Ausführung mit 3200 mm Schnittlänge ist ein schneller Yaskawa-Palettierroboter Motoman MPL300II, bei der Säge mit 4300 mm Schnittlänge kommt ein Motoman MPL500II mit noch höherer Tragkraft zum Einsatz. Beide Vierachser verfügen über die identische Reichweite von 3159 mm und können das komplette Platten-, Teile- und Streifenhandling an der Anlage übernehmen. Dazu hebt der Roboter die Streifen nach dem ersten Längsschnitt an, dreht sie und legt sie auf dem hinteren Maschinentisch beziehungsweise dem Streifenpuffer für den erneuten Zuschnitt, den Querschnitt, ab.
Know-how-intensive Greifertechnologie
Der gewaltige Sauggreifer verfügt über mehr als 30 individuell ansteuerbare Sektionen, um das mögliche Zuschnittspektrum abgreifen und positionieren zu können © Ralf Högel
Gleiches gilt für Nachschnitte, bei denen der Roboter ebenfalls für die lagerichtige Zuführung der Teile sorgt. So sind vollautomatische und fehlerfreie Nachschnitte ohne Limit möglich. Am Ende legt der Roboter die fertigen Teile auf die automatische Auslaufrollenbahn oder stapelt sie auf Paletten. „Die beiden Yaskawa-Maschinen sind die perfekten Roboter für unsere Anlagen. Sie sind leistungsstark, gleichzeitig tausendfach bewährt und arbeiten mit höchster Verfügbarkeit. Damit passen sie optimal zu unseren Homag-Maschinen“, so Pilz.
Viel Erfahrung steckt in der Entwicklung des gewaltigen Sauggreifers, der für die Teilehandhabung zuständig ist. Die große Saugtraverse verfügt über mehr als 30 individuell ansteuerbare Sektionen, um das mögliche Zuschnittspektrum abgreifen und positionieren zu können. „Nur mit aufwendigen Simulationen ist es uns gelungen, die Saugtraverse für alle möglichen Positionen unter Berücksichtigung der Reichweite des Roboters auszulegen. Immerhin reicht die Bandbreite der zu greifenden Werkstücke von minimal 240 mal 80 mm bis maximal 4300 mal 2200 mm, was in etwa einem Flächenverhältnis von 1:500 entspricht“, betont Elhaus. Um größtmögliche Sicherheit und schnelle Handhabungsvorgänge zu gewährleisten, wird die Einhaltung des Unterdrucks sensorisch überwacht. Dieser Vorgang setzt die Parameter Unterdruck und Plattengewicht permanent in Relation zueinander und passt bei Bedarf die Geschwindigkeit des Roboters an. Diese Regelalgorithmen laufen ohne Zutun des Bedieners im Hintergrund ab. In der Praxis zeigt sich, dass die beiden Systeme Roboter und Säge in Sachen Zykluszeit perfekt harmonieren. Dank der hohen Performance des Yaskawa-Vierachsers kann die Säge ihre volle Leistungsfähigkeit ausspielen, ohne Wartezeiten durch das Roboterhandling hinnehmen zu müssen. Das optimale Zusammenspiel dieser beiden Komponenten sorgt für eine hervorragende Leistung von bis zu 1500 Teilen pro Schicht.
Roboterprogrammierung nicht erforderlich
Ein weiterer großer Vorteil des Plattenaufteilzentrums ist die einfache Bedienbarkeit, die eine Programmierung des Roboters überflüssig macht. Der Vierachser ist steuerungstechnisch vollständig in die Maschinensteuerung der HPS 320 Flextec integriert. Seine Greif- und Bewegungsmuster generieren sich automatisch aus den Schnittplänen. Die Erstellung dieser Pläne erfolgt über die Homag-Optimierungssoftware Schnitt Profi(t) komfortabel offline vom Büro aus. Per Mausklick schickt der Bediener die Daten dann an die Anlagensteuerung – fertig.
Mit der Einführung der HPS 320 Flextec ist Homag der technologische Quantensprung beim Zuschnitt von Einzelplatten gelungen. Die entscheidenden Vorteile dieser Lösung: Dank Roboterhandling lassen sich nun erstmals beliebig viele Nachschnitte mit nur einer Säge realisieren. Erforderten mehrfache Nachschnitte bisher immer ein manuelles Eingreifen, so ist heute maximale Flexibilität angesagt – bei vollautomatischen Abläufen. Bei einer Vollverkettung arbeitet die HPS 320 Flextec über längere Strecken mannlos. Künftig wird dies auch bei nicht verketteten Anlagen möglich sein, wie eine neue Anlagenvariante, die auf der Ligna 2017 Premiere feierte, belegt. Der Roboter kann dabei die fertigen Teile auf bis zu vier Hubtischen abstapeln. Um stabile Stapel zu erhalten, wird er dazu Teile zwischenpuffern. „Ganz gleich, ob Vollverkettung oder nicht – diese Anlage revolutioniert die Losgröße 1-Fertigung. Sie vereint Tempo und Flexibilität auf eine ganz neue Art und Weise“, so Elhaus.