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Hommage an einen Holzforscher: Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c. Alfred Teischinger von der Universität für Bodenkultur (BOKU) trat in den Ruhestand © Verband der Holzwirte Österreichs

Universität für Bodenkultur

Hommage an einen Holzforscher 

Ein Artikel von Gerd Ebner | 15.01.2020 - 08:46

Für die Besetzung seiner Nachfolge gab es über 40 Bewerbungen. Das zeigt, welchen Stellenwert diese Position dank seiner Person mittlerweile hat. Zum Zeitpunkt der Drucklegung hat sich das BOKU-Rektorat nicht endgültig festgelegt, wer aus einem hochkarätigen Dreier-Vorschlag dem steirischen Holzforscher nachfolgt.

Die Lehre

Studierende von nah und fern, aber Osten noch nicht präsent
„Gestartet sind wir mit zwei Studenten“, blickt Univ.-Prof. Dr. Dr. Alfred Teischinger auf zwei Jahrzehnte Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität für Bodenkultur zurück. Doch „sein“ 1974 ursprünglich als Studium der Holzwirtschaft gegründetes Studium der Holztechnologie gewann rasch an Zulauf. „Im Schnitt hatten wir dann um die 45 Studierenden im Fach, aktuell sind es auch noch gut 30.“
Teischinger: „Obwohl die Unternehmensnachfolger der Holzindustriellen lange Zeit fast ausschließlich am Standort Kuchl orientiert waren, konnten wir mit der Kombination Holztechnologie und Management sowie dem Studienort Wien ein attraktives Konzept anbieten. Mit der Erweiterung auf Holz- und Naturfasern 2003/04 stieg die Zahl der Studierenden rasant an.“

Teischinger war aktiv. „Ich habe das Institutspersonal auf die Ausbildungs-Messen geschickt.“ Werbung für das Studium machten auch die Absolventen selbst. „Die Absolventen gingen in die Mittelschulen und promoteten das Studium. Das hat sehr geholfen“, freut sich Teischinger und erwähnt gleich den Langzeit-Holzwirte-Obmann Rüdiger Lex.
Wie es in Erasmus-Studien üblich ist, erfolgt heutzutage ein Teil der Lehrveranstaltungen auf Englisch. „Eigentlich hätte man erwarten können, dass dadurch auch mehr osteuropäische Studenten zu uns kommen. Allerdings trat das bis heute nicht ein“, bedauert Teischinger. Entsprechende Initiativen zur Erhöhung des Studentenanteils aus den östlichen Nachbarländern blieben bisher erfolglos. „Es war mir ein Herzensanliegen, diese wichtigen, nahen Länder im Holzbereich zu unterstützten. Deren junge Leute haben eine Ausbildung, die in den Grundlagenfächern oft besser ist als unsere. Wir könnten ihnen umgekehrt mehr industrielles Denken vermitteln.“ Heute müsse man auch über neue Lehr- und Lernformen nachdenken – Stichwort Internet – und da gebe es noch viel zu tun.//

Die Forschung

Europaweit absolute Spitze
Teischinger war 15 Jahre wissenschaftlicher Leiter des Wood K plus. „Das war bei der Gründung ein völlig neues Format der Holzforschung. Von Holzverbundwerkstoffen bis zur Holzchemie reicht das Feld. Nur die Holzbauforschung haben wir rausgenommen, die ja an der TU in Wien, Graz und Innsbruck gut aufgehoben ist“, lautet seine Erklärung. Wood K plus sei unter anderem ganz stark bei Holzwerkstoffen sowie in der Holzverklebung und pflege dort „beste Kontakte zu allen großen Klebstoffherstellern. Wir haben mit Henkel, Purbond und Dynea ein Grundverständnis für PU und neue Klebetechnologien geschaffen“, verdeutlicht Teischinger und freut sich, damit der Leimholzindustrie geholfen zu haben „Für die Verklebung ist die Polarität der Zellwand entscheidend“, wird Teischinger im Interview belehrend und zugleich praktisch: „Es ist für die Klebstoffhersteller wichtig zu wissen, wie viel Klebstoff wirklich wirksam ist. Das zeigt, wo man allenfalls an Auftrag speichern kann. Das spart Klebstoff und Kosten.“

Das Forscherduo Johannes Konnerth (BOKU) und Erik van Herwijnen (Wood K plus) beschäftigt sich führend auch mit alternativen Leimsystemen aus natürlichen Rohstoffen auf Basis von Kohlenhydraten oder Lignin usw.
„Die BOKU-Holzforschung spielt in Europa in der absoluten Spitzenklasse“, ist Teischinger überzeugt und erwähnt weiters „Thomas Rosenau und sein Team, das die Holzchemie hervorragend besetzt“. Und mit den weiteren Professoren und Dozenten – Gindl-Altmutter, Wimmer, Müller und Hinterstoisser – habe sich die Fachexpertise im Bereich Holz-Naturfaser-Naturstofftechnologie in Richtung Bioökonomie an der BOKU enorm erweitert.
Das über die Forschung generierte Wissen wird in anerkannten Fachjournalen publiziert. Festmachen könne man es auch mit „rund zehn Dissertationen pro Jahr. Bei meinem Vorgänger gab es in zehn Jahren in Summe drei Dissertationen“.

Österreich

Familienkonkurrenz und teures Holz als Triebfedern für erfolgreiche Industrien
Laut Teischinger ist Österreich „bei den Massenprodukten extrem erfolgreich“. Zellstoff, Papier, Spanplatte, Holzbau, Leimholz etc., zählt er auf. „Hier ist die Dichte an erfolgreichen Unternehmen enorm“, ist seine Meinung. „Die österreichischen Unternehmen haben es mit einer gewissen Raffinesse geschafft, dank einer effizienten Produktion einen vergleichsweise teureren Rohstoff wettbewerbsfähig zu verarbeiten.“ Jetzt, wo mit Schadholz noch mehr Massenprodukte erzeugt werden können, gehe das Erfolgsrezept umso besser auf. 

Doch der Rohstoff wird aufgrund der Klimaveränderungen künftig begrenzter anfallen. „Jetzt müssten eigentlich alle daran forschen, wie man hochwertigere Spezialprodukte erzeugen kann. Tragende Teile für die Autoproduktion, Nanozellulose etc., weil der Rohstoff enden wollend ist. Wenn die mitteleuropäische Forstwirtschaft schon 85% des Zuwachses nutzt und sich die Waldressourcen ändern, dann kann es nicht ewig gleich weitergehen.“

Wo es was zu holen gibt, weiß Teischinger: „Möbelplatten werden künftig so produziert, dass die übliche Dichte von 600 kg/m3 nur dort vorkommen wird, wo sie statisch nötig ist. In anderen Teilen kann die Dichte deutlich geringer sein. Das spart wertvolles Material.“

Die derzeitige Sägetechnologie stößt Teischinger bitter auf: „Fast 50% Nebenprodukte sind viel zu viel, selbst wenn man dafür Nutzungszwecke hat. Wenn nur rund 28% eines Festmeters irgendwann zu BSP werden, dann muss man sagen, dass der Rohstoff viel zu billig war. Sonst geht das nicht. Ich kann die derzeitigen Massenprodukte nicht intelligent nennen. Die BSP-/BSH-Produktion fußt im Kern lediglich auf dem üblichen Sägerdenken.“

Bei BSP erkennt Teischinger die klare Gefahr der Überhitzung. „Es braucht auch dort grundsätzlich eine neue Technologie. Eine höhere Effizienz wird möglich sein – das ist aber zu wenig“, analysiert er.

Österreich importiert rund 10 Mio. fm/J. „Dieser Fluss wird möglicherweise abreißen – und was dann?“, fragt sich der Sohn eines steirischen Sägers, der aber nicht unerwähnt lässt, dass „die österreichische Holzindustrie über Jahrzehnte Herausragendes geleistet hat“. Eine Triebfeder für die Innovation sieht Teischinger darin, was er „die gesunde Konkurrenz der Familienbetriebe“ nennt. Binder und Pfeifer, Kaindl und Egger zählt er als erfolgreiche Beispiele auf.

Jetzt gelte es, die richtigen Forschungsfragen zu stellen. „Die Forschungscommunity kann diese nicht für die Branche formulieren. Von den Anwendern kommen die Fragen aber auch nicht“, erkennt Teischinger einen gewissen Stillstand. Dass selbst bei Produkten, wie LVL, 50% Abfall anfallen, weil keiner eine Verwendung der Restrolle hat, bestätigt ihn. „Es müsste in diesem Fall eine strategische Partnerschaft mit einem Unternehmen geben, das die Restrolle wirtschaftlich verwertet.“ Lenzing mit einer am Stand-ort sitzenden Hemizellulose-Verwertung hat beispielsweise einen solchen strategischen Partner gefunden, um Koppelprodukte hochwertig zu veredeln.

„Der Teischinger“

Handbook of Wood Science and Technology
Peter Niemz, Alfred Teischinger (Hrsg.), erscheint 2020 im Springer Verlag, Heidelberg 

Gemeinsam mit em. Univ.-Prof. Peter Niemz (ETH Zürich) bringt Univ.-Prof.i.R. Dr. Dr. h.c. Alfred Teischinger als Herausgeber ein völlig neu konzipiertes Handbuch zu den wissenschaftlichen Grundlagen des Werkstoffs Holz und zu der Technologie des Holzes heraus. Das Wissen zum Holz und zu seiner Verarbeitung hat sich rasant erweitert, doch die wesentlichen, umfassenden Handbücher dazu sind jahrzehntealt. 

In einer neuen Struktur wissenschaftlicher (Holzbiologie, Holzphysik, Holzchemie usw.) und technologischer Grundlagen (Holzzerlegung, Verklebung, Trocknung, Modifikation) sowie holzindustrieller Prozesse (Massivholzverarbeitung, Holzwerkstoffe, Zellstoff/Papier, Holzraffinerie usw.) bringen über 40 ExpertInnen aus der ganzen Welt ihre spezifische Fachexpertise ein, um das aktuelle Wissen zum Holz und zu seiner Verarbeitung auf etwa 1500 Druckseiten zusammenzufassen und zu dokumentieren. Gleichzeitig wird auch auf die umfangreiche weiterführende Literatur verwiesen.

Entsprechend moderner Informationstechniken, wird das Buch sowohl in Druckversion als auch als E-Book verfügbar sein. Die Dokumentation des technischen Wissens einer Zeit ist von enormer Bedeutung für einen Wirtschaftszweig, sowohl für Lehrkräfte in der fachlichen Heranbildung der Jugend wie auch für die Ingenieure in den Betrieben.

Die Zukunft

Haben wir genug Holz?
„Für die echten Zukunftsfragen benötigt die Forst- und Holzwirtschaft ein klares Denken und eine gemeinsame Strategie: Was wollen wir, was können wir?“, verlangt Teischinger im Hinblick auf die technologischen Veränderungen und den Klimawandel. „Für den konstruktiven Bereich gibt es praktisch nur das Nadelholz. Da die Tanne auch in Griechenland wächst, kann man extrapolieren, dass sie auch in einem trockeneren, wärmeren Mitteleuropa eine Chance hat“, bringt er gleich ein Beispiel dafür, dass man zumindest auf diese Baumart setzen kann.

„Die Tanne wäre auch für BSH, BSP und insgesamt für den Holzbau geeignet. Wenn man sie entsprechend aussortiert, ist die sortenreine Trocknung kein Problem“, erklärt Teischinger, dass eine kleine Produktionsanpassung (= Aussortieren) eine große Veränderung bewirken könne. „Ich muss nur Mindestchargen bündeln und kann mit der Tanne loslegen.“

Laut Teischinger könnte auch die frosthärtere Blaue Douglasie (Pseudotsuga menziesii var. glauca) eine Zukunftsalternative darstellen. „Man muss halt die Gesellschaft über diese nicht heimische Baumart und die Notwendigkeit der Klimaanpassung informieren.“

Teischinger regt an, bei allen Überlegungen die Papier- und Zellstoffindustrie miteinzubinden. „Zellstoff wird auch in Zukunft ein Hardcore-Nadelholz-Nachfrager sein. Es gibt in der DACH-Region doch nur zwei Zellstoffproduzenten, die Laubholz verarbeiten“, klärt Teischinger auf. 

Teischinger verweist auf forstliche Forschungsergebnisse (Jandl et al.), welche die künftige Baumartenverteilung zeigen. „Diese Änderungen verlangen einen intensiven Branchendialog“, macht er deutlich. „Was machen wir denn mit all der Buche? Die Zellstoffindustrie braucht sie nur bedingt, der Holzbau auch nicht. Es fehlt mir das verbindende Wissen – zwischen der Buchen fördernden Umweltforschung und den Anwendern“, beklagt Teischinger. „Wir benötigen einen ressourcen- und technologieorientierten Zukunftsdialog Forst/Holz.“