CHRISTINA EBERLE

Der Garten im Wohnzimmer

Ein Artikel von Dagmar Holley | 12.05.2020 - 13:39

Ein Stück dieser Natur ins Wohnzimmer zu holen und so ein gemütliches Zuhause zu schaffen, war der Grundgedanke von Christina Eberle beim Entwerfen ihres Meisterstücks. „Meine Freizeit verbringe ich am liebsten draußen in der frischen Luft, besonders in den Bergen. Bei meinem Meisterstück war es mir deshalb besonders wichtig, die Natur in Form von Zimmerpflanzen in den Wohnraum zu bringen“, erzählt die junge Tischlermeisterin.
Als sie ihren Raumteiler mit integrierten Blumenkästen vergangenen Sommer gemeinsam mit den anderen Absolventen des Meisterlehrgangs an der Grazer Ortweinschule präsentierte, ahnte noch niemand, was auf uns zukommen würde. Eberle freute sich, dass ihr Möbel gut ankam. „Vor allem das weibliche Publikum war begeistert davon“, erinnert sie sich an die Vernissage.

 

Gut gewürfelt

Acht Würfel bilden die Struktur des Raumteilers. Links ist ein Turm aus drei Korpussen. Die zurückversetzten Abstandhalter dazwischen sorgen für Auflockerung. Die zwei Unterkästen daneben sind als Blumenkiste und als Ladenteil ausgeführt. In den beiden Laden mit handgefertigten Schwalbenschwanzzinken finden Pflanzenpflege-Utensilien Platz. Im Freiraum darüber schweben drei weitere Blumenkisten. Das ist zumindest der Eindruck, den die raffinierte Konstruktion erwecken will. Die drei Korpusse sind lediglich an ihren Schmalseiten am Turm oder an den umlaufenden Stahlrahmen befestigt.
„Das Einhängen der Blumenkisten war  ein richtiger Nervenkitzel“, gesteht Eberle: „Eine der Kisten ist mit nur zwei Schrauben im Korpus und einer einzigen im Blumentopf befestigt. Damit das funktioniert, wurde ein Stahlwinkel in den Boden der Blumenkiste eingelassen.“
Eine weitere statische Herausforderung war die ausreichende Stabilität, da der Raumteiler ja frei im Raum steht und weder an der Wand noch am Boden oder an der Decke fixiert ist. Nichts wurde dem Zufall überlassen, sogar das Risiko hinaufkletternder Kinder einkalkuliert. Mit seinem massiven Stahlsockel, den Formrohren aus Stahl und den Blumeneinsätzen wiegt der Raumteiler rund 200 kg. „Dennoch lässt er sich problemlos auf- und abbauen. Ich habe ihn bereits von der Schule in meine Grazer Wohnung transportiert und  nach der Ausbildung nach Oberösterreich. Den großen Turm haben wir zu viert getragen“, so Eberle.

 

Weiß, Schwarz, Grün

Die Korpusse sind aus Eiche-Dreischichtplatten gefertigt, die Laden aus massiver Eiche. Die Oberflächen sind mit Weißöl eingelassen, um die Natürlichkeit des Holzes zu bewahren. Rahmen, Griffe, Sockel, Abstandhalter und Winkel sind aus Stahl, mit schwarz-matter Pulverbeschichtung veredelt. Die Materialentscheidung war eine optisch-pragmatische: „Der Raumteiler sollte zu meinem Gesellenstück in weiß geölter Eiche passen.“
Damit die Blumen ohne Bedenken gepflanzt und gegossen werden können, schützen Edelstahleinsätze die Holzkons­truktion. Herumlaufende Griffleisten ermöglichen ein leichtes Herausnehmen. „Mit den Pflanzen hat mir meine Mutter viel geholfen“, verrät die Tischlerin. Beim Entwicklungsprozess von der ersten Idee bis zum fertigen Meisterstück unterstützten sie das Lehrerteam der Ortweinschule, aber auch der Austausch mit Mitschülern inspirierte.

 

Fundierte Aus- und Fortbildung

Die Arbeit mit Holz gefiel Eberle, die in einer Tischler- und Zimmererfamilie aufwuchs, von klein auf. Ursprünglich stammt ihre Familie aus Vorarlberg, zog aber nach Oberösterreich. Dort entschied sie sich für die Lehre zur Tischlereitechnikerin, die sie bei Team 7 absolvierte. „Die Tischlerei war schon immer mein Berufswunsch. Handwerkliche und kreative Herausforderungen, wie auch die Einrichtungsplanung, gehören zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Gleichzeitig war mir Fortbildung immer wichtig. Daher besuchte ich die zweijährige Meisterschule für Tischlereitechnik und Raumgestaltung“, gibt sie Einblick in ihren Lebensweg. Obwohl es als Frau in der Tischlerei nicht immer einfach ist, ist sie mit ihrer Berufswahl zufrieden: „Bei der Ausbildung in Graz waren wir zu dritt und sind gute Freundinnen geworden – eine schöne Erfahrung.“
Seit ihrem Abschluss ist sie in einem kleinen, familiären Unternehmen im Innviertel in der Planung tätig, in den vergangenen Wochen allerdings hauptsächlich von zu Hause aus: „Bei uns wurde durchgehend gearbeitet. Alle, die sonst im Büro sind, arbeiten jetzt im Homeoffice. Mit Telefon und Mail klappt das ganz gut. Von meinen ehemaligen Schulkollegen weiß ich, dass das nicht selbstverständlich ist.“
Nun wartet sie, wie viele, auf die Rückkehr der Normalität — immerhin ist ihr Garten im Wohnzimmer, den sie vom Schreibtisch aus sieht, ein kleiner Trost.