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Der Großvater der österreichischen Bewertungspraxis: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Sagl © Sprenger

Was ist gerecht?

Ein Artikel von Administrator | 17.04.2002 - 08:20
Grundlagen und die Bewertungspraxis präsentierte em. o. Univ.-Prof. DI Dr. Wolfgang Sagl, Universität für Bodenkultur, Wien, beim Seminar „Forstliche Bewertungsfragen” des Forstvereins für Oberösterreich und Salzburg, am 16. April in der Forstlichen Ausbildungsstätte Ort/Gmunden. Beim Vergleich zwischen Deutschland und Österreich herrsche Übereinstimmung darüber, dass der Nutzungsverzicht auf vorhandene Bestockung den Verkehrswert, der Nutzungsentgang jedoch die Bodenrente beeinflusst.
Entschädigungsleistung je nach Bundesland. Sagl präsentierte 7 Kalkulationsmodelle zur Errechnung vermögensrechtlicher Nachteile, wies aber darauf hin, dass niemals nur ein Modell anzuwenden sei. Heranzuziehen sei jeweils die betroffene Fläche und der Restbetrieb. Die Bewertungspraxis im Naturschutz sollte sich ähnlich der bisherigen Verkehrswertpraxis entwickeln, sei jedoch auf 9 Bundesländerregelungen mit unterschiedlich möglichen Entschädigungszahlungen anzupassen. Bei der Herleitung des Verkehrswertes seien der Zinsfuß (durchschnittliche Kapitalrendite öffentlicher Anleihen minus Inflationsrate) sowie die Bemessung von Zu- und Abschlägen aber auch die Gewichtung der Vergleichswerte entscheidende Größen. Waldbodenwerte werden von Vergleichswerten von 5 Kriterien ermittelt.
Entschädigung und Naturschutz. Laut oberösterreichischem Naturschutzgesetz sind Entschädigungen für erhebliche Ertragsminderungen und Erschwernisse der bisherigen Bewirtschaftung vorgesehen, so OFWR DI Gerhard Mayrhauser, Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Bei der Bewertung der Deckungsbeitragsdifferenz sei die aktuelle Bewirtschaftung der Referenzfläche heranzuziehen. Eine Verkehrswertminderung (merkantiler Minderwert) stehe für die Forstwirtschaft nicht explizit im Gesetz. Regelungen dazu wurden aber erarbeitet für:
- Wasserschutzgebiete: Akzeptanzzuschlag über 10 bis 30% des Bodenwertes,
- den Leitungsbau: sh. Dienstbarkeitsentschädigungen
- als Ökobeitrag vom Arbeitskreis der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs (Präko): 10 bis 25 €/ha/J
- in Deutschland vom Auftraggeber Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände ADW: ist hier Realität, aber nicht entschädigungsfähig
- in Oberösterreich bis 1995: 10 bis 30% des Bodenwertes
- für Naturwaldreservate: Sockelbetrag 47 €/ha/J (Betriebe über 100 ha) oder 29 €/ha/J (Betriebe unter 100 ha)
- sowie über diverse Entscheide des OGH
Erhöhter Verwaltungsaufwand. Den erhöhten Verwaltungsaufwand bei Naturschutzdienstbarkeiten bewerten:
- ADW: 116 €/ha/J (Betriebe über 200 ha), +25 €/ha/J (Betriebsgröße +20%)
- Westliches OÖ: 46 €/ha/J (Betriebe unter 200 ha), 122 €/ha/J (Betriebe über 200 ha)
- Präko mit ÖBf AG: 110 €/ha/J (Betriebe bis 50 ha), 220 €/ha/J (Betriebe von 51 bis 500 ha), 290 €/ha/J (Betriebe von 501 bis 1000 ha), 290 +0,2 €/ha/J (Betriebe über 1000 ha)
- Naturwaldreservat: sh. Sockelbetrag
Banken messen belasteten Grundstücken eine geringere Sicherheit im Falle einer Beleihung zu - das verteuert die Kredite, ist Mayrhauser überzeugt. Eine begrenzte Vertragsdauer sei eine „Schein-Sicherheit” für die Waldbesitzer, da auch hier die wirtschaftliche Entwicklung nicht berücksichtigt werden kann. Als Indexsicherung habe sich der Verbraucherpreisindex gegenüber dem Rundholzpreisindex oder Mischformen durchgesetzt.
Finanzierung für Forst ungeklärt. Für die 150.000 ha Natura 2000-Flächen in Oberösterreich sind laut Mayrhauser-Berechnungen bis zu 5,8 Mio. €/J an Zahlungen erforderlich (30 €/ha/J), wobei die Finanzierung in der Landwirtschaft durch - allerdings auf 6 Jahre befristete - ÖPUL-Zahlungen gesichert ist. Für die Forstwirtschaft sind sowohl Sockelbetrag als auch Verkehrswertminderungen weiter offen.
Reges Kaufinteresse. Bei den Waldverkäufen der vergangenen Jahre blieb in Oberösterreich der Bestandeswert gleich (konstante Holzpreise), auch die Bodenwerte sind zu Vergleichswerten in der Landwirtschaft konstant. Die 2000 ha umfassenden Bundesforste-Verkäufe und die erst zu einem Viertel realisierten 1200 ha OÖ-Landesgutflächen haben nicht zu den befürchteten Preiseinbrüchen geführt. Die Nachfrage nach ÖBf-Flächen ist noch groß, Einzelkäufer werden bevorzugt. Waldbauern können über die Hilfe der Landwirtschaftskammer und den Siedlungsfonds als Zwischenkäufer Flächen erwerben. Haupthindernis: die Einforstungsrechte.
Natura 2000-Lösung in Salzburg. „Es soll keine zusätzlichen Belastungen geben. Ohne Zustimmung der Waldbesitzer werden keine Flächen mehr an Brüssel gemeldet”, so lautet ein Übereinkommen von LR Josef Eisl mit Waldeigentümern, berichtete DI Franz Lanschützer, Kammer für Land- und Forstwirtschaft Salzburg. Es müsse ein Ausgleich zwischen der niedrigen forstlichen Bewertungen und hohen ökologischen Werten gelingen.
Zur Finanzierung wird um LIFE-Fördermittel bei der EU angesucht. Beim Nationalpark Hohe Tauern wurde eine Einigung bei den Entschädigungssätzen gefunden: Naturzone Ödland 5 bis 7 €/ha/J, Bewahrungszone: 2 bis 4 €/ha/J, Kulturzone 4 bis 6 €/ha/J. Bei Waldverkäufen blieben die Bestandeswerte gleich, die Bodenwerte betragen 0,07 €/m? mal der Fichtenbonität. Motive für Käufe sind Arrondierung, Vermögensanlage und vor allem die Jagd. Hohe Preise erzielt man traditionell im Flachgau (stadtnah) aber derzeit auch in Quellschutzgebieten.
Nie vorbehaltlose Diskussionen. Seit 1984 mit Entschädigungsfragen befasst ist DI Gerald Plattner, ÖBf, Sitz nun im niederösterreichischen Purkersdorf. Derzeit stehen etwa 50% der ÖBf-Waldflächen unter Naturschutz. In Zusammenarbeit mit Sagl sind für den NP Kalkalpen und Donauauen Bewertungskriterien für Naturschutzgebiete und Ödflächen entwickelt worden, die eine Verkehrswertminderung umfassen. Im nachhinein Entschädigungen anzumelden ist mühsam, berichtete Plattner von langen, nie vorbehaltlosen Verhandlungen oder Gerichtsverfahren. Die Bundesforste forcieren seit 1997 in Salzburg „echten” Vertragsnaturschutz, haben jedoch insgesamt bezüglich drohender Natura 2000-Beschränkungen noch keine Flächenverkäufe erwogen.
Alle Nutzungsmöglichkeiten sind anzusetzen. „Unter der erheblichen Erschwernis oder Unmöglichmachung der Nutzung eines Grundstückes ist die Beschränkung in den rechtlich zustehenden Nutzungsmöglichkeiten zu verstehen” zitierte DI Dr. Walter Grabmair, BFI Freistadt, einen Rechtssatz des Salzburger Naturschutzgesetzes. Es sei daher davon auszugehen, dass alle potenziellen Nutzungen mit einer „vollständigen Schadloshaltung” zu entschädigen sind. Grabmair zitierte dazu das Tiroler Starkstromweggesetz, das Eisenbahngesetz sowie das Munitionslagergesetz.
Heranzuziehen seien die Differenzwertmethode, Expertengutachten und Plausibilitätsüberlegungen. Auch für den Wald müsse es eine Verkehrswertminderung geben, beruft sich der Experte auf einzelne Entscheide des OGH. Keinen Marktwert für Naturschutzleistungen könne es schon aufgrund der individuellen Berechnungen geben.
Viele Entschädigungsarten steuerpflichtig. Entschädigungen, die für die Wertminderung des nackten Bodens gewährt werden (etwa Ablösen für Mastenstandorte, Restwertminderung) bleiben bei der Gewinnermittlung steuerfrei, so Dr. Josef Hackl, Landwirtschaftskammer Oberösterreich. Nicht zum nackten Grund und Boden gehören steuerrechtlich stehendes Holz, Gebäude, Anteile an Agrargemeinschaften oder Wasserrechte. Buchführende Betriebe können im Jahr des Erhalts der Entschädigung einen Schuldposten „Wirtschaftserschwernis” in der Höhe der Entschädigung bilden und in den nächsten 20 Jahren gewinnerhöhend auflösen. Bei vollpauschalierten Betrieben gilt: soweit Entschädigungen nur entstehende Mehrkosten abdecken, sollte die Einnahme auch in der Pauschale enthalten sein. Einkommensteuerpflichtig sind Servitutsentschädigungen.
Waldverkäufe der Republik. Bei kleinen Liegenschaften sind die Waldwerte gut berechenbar, bei großen (über 4000 ha) werden Preise über dem Sachwert erzielt, berichtete Rat DI Eugen Wallergraber, Finanzministerium, über Waldverkäufe der Republik. Die Stadtnähe und Jagdinteressen ließen etwa beim Verkauf des Lehrforstes Merkenstein den Preis um fast 15% gegenüber Vergleichswerten anheben. Waldverkäufe etwa für den Bundesstraßenbau zeigen ein deutliches West-Ost-Gefälle. Das beweisen die Kaufpreissammlungen der Finanzämter. Bodenwertberechnungen funktionieren im Osten nicht. Hier werden Vergleichswerte herangezogen, so Wallergraber abschließend.
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