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Gewaltig Holz vor der Hütte

Ein Artikel von Dipl.-FW Dr. Stefan Peters | 22.11.2004 - 18:44
Sie bedurfte vier Jahre zeitlichen Aufwand, umfasste 72 Baumarten, 375.000 Probebäume an 19.000 Wald-Messtrakten sowie 150 verschiedene Merkmale und lieferte 40 Millionen einzelne Ergebnisse. Die zweite Bundeswaldinventur (BWI²), koordiniert vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL), Berlin/DE und Bonn/DE, und durchgeführt von der Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft (BFH), Eberswalde/DE, ermittelte überraschend hohe Holzvorräte in Deutschland.Europameister im Landesvorrat. Mit 3,4 Mrd. m³ - 2,2 Mrd. m³ davon Nadelholz - liegen bundesdeutsche Vorräte im Ranking ganz vorn, gefolgt von Schweden (2,9 Mrd. m³), Frankreich (2,8 Mrd. m³) und Finnland (1,9 Mrd. m³). Österreich konnte sich mit 1 Mrd. m³ auf Platz 7 positionieren.
Am 16. und 17. November präsentierten die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW), Berlin/DE, Arbeitsgemeinschaft Rohholzverbraucher (AGR), Bonn/DE, das BMVEL sowie das Niedersächsische Kompetenznetz für Nachhaltige Holznutzung (NHN) in Göttingen/DE vor 200 Gästen die Ergebnisse der zwischen 2000 und 2002 durchgeführten, ersten gesamtdeutschen Bundeswaldinventur seit 1937.
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Sieben fette Jahre? Deutsche Förster arbeiten offenbar erfolgreich am Aufbau älterer und artenreicher Wälder. Dr. Heino Polley, Bundesleiter der BWI², attestierte Vorräte von 320 fm/ha - damit befindet sich Deutschland im europäischen Vergleich am dritten Platz nach der Schweiz mit 337 fm/ha und Österreich mit 325 fm/ha.
Neben den bundesdeutschen Vorräten, die seit der BWI¹ um 52 fm/ha zunahmen, legte auch die Waldfläche um 50.000 ha auf 11,1 Mio. ha entsprechend einem Waldanteil von 31% zu - 10,5 Mio. ha davon bestockte Areale. Daneben stiegen Starkholzanteile sowie die Anteile der Buche stark an - und sie steigen weiter. RD Dipl.-Forstw. Friedrich Schmitz, zuständiger Referatsleiter im BMVEL, frohlockte schon über „sieben fette Jahre” für die Holznutzung.
80 Mio. m³ Rohholz. Nach einer Modellierung von Dr. Bernhard Bösch, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA), Freiburg/DE, und Carsten Dunger, BFH, beträgt das potenzielle Rohholzaufkommen während der nächsten 20 Jahre jährlich 100 Mio. Vfm entsprechend 79 Mio. Efm. Damit übersteigt deren Wert eine Holzaufkommensprognose von 1996 - basierend auf Daten der BWI¹ sowie herkömmlichen Ertragstafeln - um satte 37%.
Nach einer ersten Schätzung von Prof. Dr. Udo Mantau vom Zentrum Holzwirtschaft an der Universität Hamburg/DE liegt das holzwirtschaftliche Nutzungspotenzial um 13 Mio. m³ über dem Niveau der BWI¹ sowie um 23 Mio. m³ über der aktuellen Nutzung von Industrie- und Stammholz.
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Richtig investieren. Die Erwartungen an die BWI² aus Sicht der AGR formulierte Michael Funk, Geschäftsführer Zellstoff Stendal Holz, Arneburg/DE. So realisiere die deutsche Forstwirtschaft 90% ihrer Umsätze mit dem Verkauf von Holz, die Holzwirtschaft wende 60% ihrer Ausgaben für Holz und Logistik auf. Die BWI² liefere somit Grundlagen für die strategische Ausrichtung der Betriebe und diene dazu, Investitionsentscheidungen richtig zu treffen.
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Abschied von starker Fichte? Der VDS-Vorsitzende Dr. Josef Rettenmeier, Rettenmeier Holding, Wilburgstetten/DE, sieht eine süddeutsche „Starkholzherausforderung” für Fichte: Während die Forstverwaltungen überwiegend dem Produktionsziel Starkholz anhingen, entwickle sich hier aufgrund zu starker Normierung kein Markt. Zwar gebe er bei einer „Rückwärtskalkulation” auch die Rohstoffpreise vor, Starkholzprodukte liefen am Weltmarkt jedoch „gut”.
Für die deutsche Forstwirtschaft gelte es daher, sich von „undifferenzierter Starkholzproduktion” zu verabschieden und für die Holzindustrie, aufnehmende Kapazitäten zu schaffen sowie Standorte zu verlagern. Um die Suche nach potenziellen Standorten zu unterstützen, schlug Rettenmeier zusätzliche, regionale Inventuren vor.
Chancen für Export. Wolf-Georg Fehrensen, Georg Fehrensen, Hannoversch Münden/ DE, sieht gegenüber dem aktuellen Bucheneinschnitt von jährlich 3 Mio. m³ ein Wachstumspotenzial von 35%. Die Vermarktungschancen im Inland bezeichnete er aufgrund von „Imageproblemen” sowie politischem Rahmen als „gering” und setzt daher weitgehend auf den Export.Nordosten nachhaltig versorgt. Michael Funk, Geschäftsführer Zellstoff Stendal Holz, Arneburg/DE, analysierte das Aufkommen von Nadelschwachholz in norddeutschen und neuen Bundesländern. Hier stehen jährlich 17 Mio. m³ zur Verfügung - ausreichend, um bis 2022 die Nachfrage von Holz- sowie diejenige der Sägeindustrie in Höhe von jährlich zusätzlich 4 Mio. m³ zu decken. 25% dieses Volumens stocken im Kleinprivatwald bis 20 ha Betriebsgröße.Private mobilisieren? Dieses Holz lasse sich idealerweise per Forstbetriebsgemeinschaft mobilisieren, zeigte sich Dr. Markus Hecker von der Waldmärkerschaft Uelzen, Uelzen/DE, überzeugt. Diese ermöglichten notwendige Bewusstseinsänderungen und vermittelten ökonomische Anreize. Für eine weitere Mobilisierung von Holz aus dem Kleinprivatwald schlug Hecker Effizienzkriterien für eine staatliche Anschubfinanzierung vor - von diesem Ziel sei Deutschland allerdings noch „sehr weit” entfernt.
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Gut versorgt: 17 Mio. m³/J Nadelindustrieholz aus Deutschlands Norden und Osten bis 2022 © Peters

Regelmäßige Inventuren? Noch offen blieben in Bezug auf die BWI²-Ergebnisse Fragen nach der Holzqualität, so PD Dr. Ute Seeling, AGDW-Geschäftsführerin. Daneben sollten alle Interessierten Zugang zu Daten und Auswertungen der BWI² erhalten.
Um permanent auf eine solide Datenbasis zugreifen zu können, schlug Funk unter dem Namen BWI³ eine turnusgemäße Folgeinventur für 2012 vor - bei einer Vorbereitungszeit von fünf Jahren sollte bereits 2007 begonnen werden. Schmitz sah dagegen aus Sicht seines Ministeriums noch „keinen hinreichenden Bedarf” an einer BWI³. Dies allerdings würde gegenüber der Historie einen erheblichen Rückschritt bedeuten: So beschloss der Bundesrat bereits 1892, die Forsten des Deutschen Reiches regelmäßig alle 10 Jahre zu inventarisieren.Endkunden begeistern. Auf eine offensichtliche Störung innerhalb des Informationsflusses wies abschließend Dr. Seeling hin: Zwar engagiere sich die Bundesregierung derzeit sehr aktiv dem Cluster Wald und Holz - erkenntlich etwa am Nationalen Waldprogramm, Erneuerbaren Energiengesetz, Charta für Holz oder Waldzustandsinventur. Außerhalb der Fachpresse jedoch fanden die Ergebnisse der BWI² bisher kaum Beachtung.