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Die Elsbeere ist eine vieler Edellaubholz-Arten, welche die Bestände nun stabilisiert und bereichert © DI Andreas Fischer

Es wäre alles ganz einfach

Ein Artikel von DI Andreas Fischer | 07.12.2011 - 09:11
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OFö. Ludwig Neeb sieht als gelernter Waldarbeiter im Waldbau ein handwerkliches Betätigungsfeld © DI Andreas Fischer

Den Weg von der kurzfristigen, risikoreichen Forstwirtschaft zur langfristigen, nachhaltigen Waldwirtschaft ist im Arbeitsfeld der Fürstlich Castell‘schen Forstverwaltung zentral verankert. Bewirtschaftet werden 5241 ha, davon stehen 2622 ha im Eigentum der Fürstenfamilie Castell-Rüdenhausen und 1865 ha im Eigentum der Fürstenfamilie Castell-Castell. Ein 754 ha großer Wald (Gemeinde Roden) sowie ein kleineres Privatwaldrevier werden zusätzlich in Dienstleistung betreut. „Jährlich schlagen wir rund 35.000 fm ein. Je nach Holzmarktlage erzielten wir in den vergangenen Jahren einen Umsatz zwischen 2 und 2,5 Mio. €“, erklärt Forstbetriebsleiter Oberförster Ludwig Neeb.

Zur Lage der Reviere

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Bis 1990 war die waldbauliche Zielsetzung in den Revieren von Nadelholz geprägt © DI Andreas Fischer

Die sieben Kernreviere des Hauses Castell liegen weit verstreut in Unter-, Mittel- und Oberfranken in den Wuchsbezirken Steigerwald und Fränkische Platte. Das 2005 von der Fürstenfamilie Castell-Rüdenhausen erworbene Revier Oberschönau befindet sich im Thüringer Wald bei Oberhof.
Laut Forsteinrichtung (2003) dominieren auf 56 % der Fläche Nadelwälder. Auf 1100 ha stocken fichtendominierte Bestände, die Hälfte davon im Reinbestand. Durch Sturm und Käfer sind hier seit 2003 etwa 300 ha Kahlflächen entstanden. „Mehr als 2 Mio. € (etwa drei Millionen Pflanzen) wurden seither in die Aufforstung dieser Flächen investiert“, beziffert der Waldbauer.

Vorzeigerevier Lisberg

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Die Elsbeere ist eine vieler Edellaubholz-Arten, welche die Bestände nun stabilisiert und bereichert © DI Andreas Fischer

Die Redaktion war zu Gast im nadelholzreichsten Revier Lisberg (616 ha), das am Ostrand des Wuchsbezirkes Steigerwald rund 15 km westlich von Bamberg zu finden ist. „Die Höhenlagen reichen hier von 280 bis 390 m. Es herrscht Weinbauklima. Der Jahresniederschlag bewegt sich zwischen 600 und 650 mm“, erklärt Neeb. Die feinsandigen bis grobkörnigen Böden zeichnen sich durch mäßige Wasserversorgung aus. Durch frühere Streunutzung sind die Böden nachhaltig geschädigt. Von Natur aus wären Buchen- und Eichenmischwälder unter Beteiligung von Kiefer auf diesen Standorten heimisch. Durch die Einbringung von Laubholz soll langfristig die ursprüngliche Ertragskraft des Bodens wiederhergestellt werden und die Schadanfälligkeit gesenkt werden. Gemäß dieser Zielsetzung ist mittlerweile großteils eine gesicherte Verjüngung vorhanden. Seltene und wertvolle Baumarten werden großzügig beigemischt.

Risiko minimieren, Ergebnisse erhöhen

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Vom Tannenreichtum und der Verjüngungskraft sind Fachleute aus Wirtschaft, Forschung und Lehre begeistert © DI Andreas Fischer

Das oberste Bewirtschaftsziel besteht in der „langfristigen Sicherung des Betriebes“. Nicht der schnelle Gewinn, sondern Sicherheit und Nachhaltigkeit stehen im Vordergrund. Aufgebaut werden stabile, naturnahe, laubholzdominierte Mischbestände. Dabei sollen wieder von Natur aus heimische Laubbäume, wie Eiche, Buche, Esche, Ahorn, Wildkirsche, Elsbeere und Linde, die führende Rolle übernehmen. Auch die ursprünglich angesiedelte Tanne und seltene Baumarten, wie Walnuss, Eibe, Kastanie, Wildbirne und -apfel oder Speierling, werden eingebracht. Das Nadelholz wird als Beimischung toleriert.
„Durch die Verteilung des Risikos auf mehrere Baumarten und Altersstufen sollen die Bestände widerstandfähiger gegenüber natürlichen Schadereignissen werden“, bekräftigt Neeb. Die bewusste Entscheidung für das Laubholz ist für ihn angesichts der zu erwartenden Klimaveränderung ein wichtiger Teil der Betriebsphilosophie. Die Risikoverteilung lässt sich mit vielen Baumarten am besten erreichen“, betont der Waldliebhaber. Durch das Anstreben eines hohen Wertholzanteils sollen langfristig die Holzerträge gesteigert werden und die Kosten durch das Ausnutzen der Naturverjüngung unter Schirm reduziert werden.
„Stabilität und Qualität machen auch betriebswirtschaftlich Sinn. Vergleicht man die Betriebsergebnisse unseres laubholzreichsten Reviers mit unserem nadelholzreichsten in den zurückliegenden Jahren, dann liegt das durchschnittliche Betriebsergebnis mit 26 €/fm Einschlag im Laubholzrevier mehr als dreimal so hoch wie im Nadelholzrevier (8 €/fm)“, verweist der Betriebsleiter.
Er begründet dies wie folgt:
– Unabhängigkeit vom Holzmarkt
– hoher Wertholzanteil
– hoher Brennholzpreis
– hohe Bestandesbegründungskosten
– hohe Zaunbaukosten
– hohe Forstschutzkosten
– hohe Wegunterhaltungskosten
– Vorratsverlust, Hiebsatzreduzierung

Auf gleicher Fläche „Mehr-Wert“ schaffen

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Pfleglichkeit steht an erster Stelle: Die systematische Erschließung der Bestände mit Rückegassen bringt viele Vorteile in Bewirtschaftung und Ergebnis © DI Andreas Fischer

Aufgrund des waldbaulichen Reichtums ist Lisberg heute auch Lehrrevier der Fachhochschule Weihenstephan sowie Forschungs- und Projektstätte. Während früher Massensortimente im Vordergrund der Holzproduktion standen, ist es jetzt die Qualität. Dabei gelte es, die Holzerntekosten und etwaige Schäden durch den Einsatz moderner Holzernteverfahren so weit als möglich zu senken. „Geerntet wird nur, wenn das Wetter passt. Ich will dem Wald in die Augen schauen können“, signalisiert Neeb. Möglich wurde dies erst durch die systematische Erschließung der Bestände mit Rückegassen und die damit verbundenen kürzeren Transportstrecken. Um die Gassen freizuhalten, leistet man sich den Luxus des Mulchens. „Ein Vorteil, den auch unsere Forstunternehmer zu schätzen wissen. Durch die Bildung von großen Durchforstungseinheiten (Arbeitsblöcken) kann effizienter gearbeitet werden und jeder Baum ist rasch erreichbar“, fasst Neeb zusammen.

Waldgerechte Jagd

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Ein ausgebildetes Revier-Einrichtungssystem in Kombination mit fachmännischer Jagdhundeführung erhöht Effizienz und Erfolg in der Bejagung © DI Andreas Fischer

Die Grundvoraussetzung für die getroffene waldbauliche Zielsetzung sieht der Oberförster in einer revierüberschreitenden Bejagung. „Die Jagd dient nicht einem Selbstzweck, sondern ist untrennbar mit dem Waldbau verbunden. Ohne einen, dem Wald angepassten Wildstand lässt sich das Ziel des naturnahen Waldbaus nicht verwirklichen“, untermauert Neeb. So werden im Gegensatz zur früheren Ansitzjagd sämtliche Reviere über eine Kombination von Ansitz- und Drückjagden bejagt. Des Weiteren wurden alle Jagdpachtverträge mit neunjähriger Laufzeit aufgelöst und in Ein-Jahres-Begehungsscheine umgewandelt. „Die Verkürzung der Laufzeit hat dazu beigetragen, dass jederzeit steuernd auf das jagdliche Geschehen in den Revieren eingewirkt werden kann. Der erfolgreichste Jäger ist nämlich nicht der Häuptling, sondern der Indianer“, bringt es Neeb auf den Punkt.
Den Großteil der Ansitzjagd übernehmen Revierleiter sowie Begehungsschein-Inhaber gemeinsam. Die Pirschbezirke der Begeher haben dabei eine durchschnittliche Größe von 100 ha. „Die Kosten für den Ausgehschein belaufen sich auf 500 € jährlich. Als Gegenleistung dürfen die Begeher das erlegte Wild behalten. Die Forstabteilung braucht sich somit nicht mehr um die (zeitintensive) Vermarktung des Wildes zu kümmern. Der Jäger kann wiederum seinen Deckungsbeitrag durch erfolgreiches Jagen neutralisieren. Rund 60 % der Strecke entfallen auf die im Herbst stattfindenen Drückjagden. Das dort erlegte Wild bleibt im Eigentum der Forstabteilung. Dabei wird in der Regel jedes Revier, also auch die Pirschbezirke der Begehungsschein-Inhaber, zwei Mal pro Jagd bejagt. „Entscheidend für den Erfolg der Drückjagden ist gute Organisation. Dazu gehört neben erfahrenen Hundeführern und drückjagdtauglichen Schützen auch die notwendige jagdliche Infrastruktur“, weiß der Betriebsleiter.
Zum heutigen Reviereinrichtungsinventar zählt ein Netzwerk an gut positionierten, überdachten Drückjagdkanzeln, im Abstand von 200 bis 300 m. „Die aus Lärche oder Douglasie gebauten Kanzeln sind 5 m hoch und bieten den Schützen ein besseres Sichtfeld und höhere Sicherheit im Jagdbetrieb (Kugelfang). „Die Streckenergebnisse bei den Drückjagden haben sich in den vergangenen fünf Jahren nachhaltig verdoppelt. Der naturnahe Waldbau eröffnet auch für das Wild paradiesische Ausmaße“, schildert der Betriebsleiter. Die Erfolge bei den Drückjagden führten, wie auch unsererorts bekannt, dazu, dass diese in benachbarten Jagdrevieren verpönt sind.

Rahmenbedingungen müssen stimmen

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Zum erfolgreichen Gespann bei den Drückjagden gehört auch der Jagdhund © DI Andreas Fischer

Die Politik hat den Grundsatz „Wald vor Wild“ im BaywaldG verankert. Daneben unterstützt sie mit Fördermitteln den Waldumbau. Neeb appelliert, hierfür bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Überarbeitung des Jagdgesetzes zugunsten der Waldbesitzer erachtet er als wünschenswert. Hilfreich wäre eine Liberalisierung der Abschussplanung, wie sie in Pilotprojekten bereits durchgeführt wurde. Warum man sich bei der Umsetzung in Deutschland wie in Österreich so schwertut, verdeutlicht Neeb mit einem bekannten Zitat von Johann Wolfgang von Goethe: „Es verdrießt den Menschen, dass alles so einfach ist!“

Daten & Fakten

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Bunt gekennzeichnetes Naturschutzprojekt: Das übergeordnete naturnahe Bewirtschaftungskonzept fördert in allen Revieren Tot- und Spechtholz © DI Andreas Fischer

Fürstlich Castell‘sche Forstverwaltung
Gesamtfläche: 4487 ha Eigenbesitz (+ 944 ha in Betreuung: Gemeindewald Roden, Privatwaldrevier)
Eigentümer: Johann-Friedrich Fürst zu Castell-Rüdenhausen (2622 ha) sowie Ferdinand Erbgraf zu Castell-Castell (1865 ha)
Leitung: Oberförster Ludwig Neeb
Personal:1 Betriebsleiter, 4 Revierleiter, 1 Bürokraft, 7 Waldarbeiter, 2 Lehrlinge
Klima: Niederschlag 500 bis 700 mm, Jahresdurchschnittstemperatur 8,5 ° C
Baumarten: 56 % Nadelholz (28 % Fi/Ta, 21 % Kie, 4 % Dou, 4 % Lä) und 44 % Laubholz (28 % Bu, 9 % Ei, 3 % ELbh, 4 % sLbh)
Hiebsatz: 31.500 fm (zzgl. 3500 fm im Gemeindewald Roden)
Walderschließung: 45 lfm/ha Lkw-fähige Wege