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Großes Interesse beim Osteuropa-Schwerpunkt von Holz Innovativ '05 in Rosenheim/DE © DI Robert Spannlang

Karlsson am Dach

Ein Artikel von DI Robert Spannlang, aus Rosenheim/DE | 11.04.2005 - 00:00
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Großes Interesse beim Osteuropa-Schwerpunkt von Holz Innovativ '05 in Rosenheim/DE © DI Robert Spannlang

Wie dynamisch sich der Prozess der wirtschaftlichen Heranführung der neuen EU-Mitgliedsländer an das alte Europa gestaltet, lässt sich an der Holzwirtschaft besonders gut ablesen: Über Jahrzehnte sowjetischer Hegemonie wurden die Wälder oft weit unter dem Hiebsatz genutzt, wurden Holzreserven von Tschechien bis ins Baltikum zur Begehrlichkeit westlicher Holzkonzerne wie lokaler Neo-Industrieller gleichermaßen. Zunehmend rigoroser werdende Forstgesetze in den neuen Mitgliedsländern unterbinden Missbrauch und zwingen zur Nachhaltigkeit.
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Univ.-Prof. Albrecht Bemmann © DI Robert Spannlang

„Die Waldfläche Russlands hat sich bis 2003 auf 776 Mio. ha leicht erhöht”, gab Univ.-Prof. Albrecht Bemmann auf der Holz Innovativ in Rosenheim am 6. April (sh. Beitrag S. 10) Entwarnung. Dennoch räumte der Osteuropa-Experte „punktuell grandiose Übernutzungen” ein - etwa im Nordwesten des Landes. Als Folge nehmen dort heute Weichlaubhölzer wie Birke oder Aspe überhand. Für diese Hölzer gibt es in Russland kaum eine industrielle Verwertung - etwa die Verarbeitung zu Kurzfaserzellstoff, hielt Bemmann fest. Fast 100 Mrd. fm. 72% des auf 82 Mrd. fm geschätzten Holzvorrates Russlands liege im asiatischen Teil - mit teilweise sensiblen Primärwäldern ohne Zuwachsakkumulation und bei 98 Vfm/ha. Das größte Hindernis für eine Ausschöpfung des Holz-Potenzials seien aber mangelhafte oder fehlende Forststraßen und Verlademöglichkeiten sowie ein unzureichendes Kreditsystem, so Bemmann.90% Kleinstsägewerke. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass 90% von Russlands Sägewerken weniger als 5000 fm/J einschneiden. Nur 19 Sägewerke produzieren über 100.000 fm/J und 21% des gesamten Schnittholzes. Auch die Verzehnfachung der Rundholz-Exportquote seit 1980 auf 40% der Produktion behindert eine wirtschaftliche Gesundung des Sägewerks-Sektors im Land.
Ebenso kritisch sieht Bemmann den rasanten Anstieg des Schnittholzexports von 21% 1990 auf 56% 2003 bei stagnierender Gesamtproduktion. Besonders stark entwickelten sich in jüngster Zeit die Exporte nach China und Japan, stellte der in Dresden lehrende Professor fest. Verlängerung der Wertschöpfungskette. Die beginnende Etablierung von Produktionsstätten über einer Kapazität von 50.000 fm/J mit ausländischer Beteiligung insbesondere im waldreichen Föderalbezirke Nordwest und Sibirien würde mittelfristig eine Marktbereinigung unter den Kleinsägewerken herbeiführen, so Bemmann sinngemäß. Gleichzeitig sieht er das Anwachsen von Exporten höherwertiger Holzprodukte wie Leim- und Sperrholz voraus.
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Dr. Jan Puttfarken © DI Robert Spannlang

„Die Verlängerung der russischen Wertschöpfungskette ist viel wahrscheinlicher als die Ausdehnung des verfügbaren Rohstoff-Volumens”, schlug Dr. Jan Puttfarken von der Bundesforschungsanstalt für Forst und Holzwirtschaft, Hamburg/DE, in die selbe Kerbe. Mit dem Gravitationsmodell, das die Differenz der Wirtschaftskraft zweier Länder zu ihrer Entfernung voneinander in Relation setzt, ermittelte der junge Wissenschaftler Erwartungswerte für Handelsvolumina bei einzelnen Holzproduktgruppen. Fazit: Exporte aus mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) in die EU (15) waren bereits vor dem Beitritt höher als die Erwartungswerte. Die Importe aus der EU lassen hingegen noch großes Zukunfts-Potenzial erwarten, insbesondere bei technologie-intensiven Produkten wie Papier, Zellstoff, und Holzwerkstoffen. „Bei der erwarteten Angleichung des Pro-Kopf-Einkommens auf europäisches Niveau in den nächsten Jahren ist mit einem erheblichen Anstieg der EU (15)-Exporte in die MOEL zu rechnen”, prophezeit Puttfarken.Überhöhter Einschlag im Baltikum. Nach einer Verdoppelung der Waldflächen unter sowjetischer Herrschaft etwa in Estland liege der Einschlag dort heute ebenso wie in Lettland deutlich über dem Hiebsatz, betonte Bemmann.
Der Aufbau von Holzverarbeitungs-Kapazitäten durch westliche Konzerne sowie die nur langsame Erholung des Produktionsvolumens nach dem Kollaps in den frühen 1990er-Jahren machen Rundholz-Importe aus Russland unumgänglich.
„Der Rohstoff im Baltikum wird knapp”, warnte auch Dr. Carsten Merforth, Geschäftsführer der Rettenmeier-Tochter Baltic Timber. Durch die Vielzahl neuer Sägewerke hätten Rundholzpreise bereits deutsches Niveau erreicht. Holz aus dem Staatswald werde versteigert, die Preisbildung für jenes aus Privatforsten erfolge „über Zeitungsanzeigen”. In den nächsten drei Jahren ortet Merforth im Baltikum ein massives Versorgungsproblem.Diener zweier Herren. In die Marktlücke des Bindeglieds zwischen lokalem Forst und ausländischen Investoren war der austro-finnische Forst-Dienstleister Foria vor drei Jahren vorgestoßen. „Ersteren bieten wir neben Straßenbau, Durchforstung und Holzernte unsere Kontakte zu internationalen Holzkonzernen. Den Verarbeitern gewährleisten wir eine Versorgung genau nach Lieferprofil. Auch die gemeinsame Abwicklung ganzer Investitionsprojekte in Russland ist möglich”, erklärte Foria-Geschäftsführer DI Josef Buerg. Osten braucht keine Karlssons. Mit der Pacht eines 176.000 ha-Waldgebietes nordöstlich von Moskau/RU auf 49 Jahre - wie es die jüngste Novelle des russischen Forstgesetzes zulässt - will Foria einen Modell-Forstbetrieb etablieren. Linkische Selbstbediener-Mentalität stünde westlichen Holzkonzernen in Osteuropa schlecht an, so ein Teilnehmer. Es komme vielmehr darauf an, dass diese ihre wichtige Rolle beim strukturellen Auf- und Umbau wahrnehmen.