Russlands Ziele zu ehrgeizig

Ein Artikel von Franz Campestrini sen. | 27.10.2008 - 06:34
2001 schloss ich die ersten Kontakte zu Sägewerken in einer der holzreichsten Regionen Russlands - in Kirov. Ab 2004 bis dato lebe ich beinahe durchgehend in Kirov. Ich bin der Senior Chef der Holzindustrie Serafin Campestrini, Ottensheim, und Serafin Campestrini Holzindustrie, Borohradek/CZ, und betreibe hier das ebenfalls zu Campestrini gehörende Unternehmen „000” Viatka-Euro-Les, welches sich vorwiegend mit der Schnittholz-Versorgung unseres tschechischen Unternehmens beschäftigt. Im Laufe der Jahre habe ich nicht nur viele reale Kontakte hauptsächlich in der Region Kirov gepflegt, sondern auch im Zuge von einigen durchlebten Joint Ventures und Know-how-Partnerschaften die Realität der Rundholzaufkommen kennengelernt. Die von den russischen Medien herausgegebenen Informationen sind mit großer Vorsicht zu genießen, um Russland Sägewerksinvestoren vor Worst-Case-Szenarien zu schützen.
Meine Argumente zur Realität:
In den russischen Wäldern gibt es so gut wie keinen Waldstraßenbau, deshalb sind die Wald-Nutzungszeiten sehr eingeschränkt. Vorwiegend sind diese nur von Mitte Dezember bis Ende April, also maximal vier Monate möglich. Später, vorausgesetzt die Witterung passt und der Boden ist trocken, sind noch Nutzungen in den Sommermonaten Juli und August möglich. 2008 gab es keine Sommernutzungen. Die Wege von den so genannten oberen Lägern waren unbefahrbar und sind im Oktober immer noch.Von 20. April bis Ende Mai werden die Landesstraßen gesperrt. Der Rundholz-Transport stand still. Nur Waggon-Verladungen zu stetig enorm steigenden Preisen waren möglich. […]In der Regel gibt es Fichte, Kiefer, Birke, Aspe. Die prozentuelle Verteilung der Gesamtbiomasse liegt bei 45 % Fichte/Kiefer, 40 % Birke und 15 % […] Aspe. Unser Partner in der Region Kirov hat drei Forstbetriebe mit einem Gesamtaufkommen von maximal 600.000 m3 Biomasse. Sein definitives Ergebnis: 45 % Fichte/Kiefer ergibt 270.000 m3 Biomasse, davon maximal 60 % als brauchbares Sägerundholz inklusive allfälligem Wertholz für die Furnierherstellung […] sind dann 162.000 m3 Sägenutzholz. Birke: 240.000 m3 Biomasse, davon maximal 15 % […] für die Sperrholzindustrie geeignet, dann noch etwa 10 % […] für die Zündholzindustrie, der Rest - auch gute Zöpfe bis 20 cm - bietet kaum Verwendungsmöglichkeiten für Schnittholz. Pappel: etwa 15 % […] ausschließlich für Platte/Papierindustrie zu Niedrigstpreisen. Mit 600.000 m3 Biomasse zählt unser Partner hier in Kirov zu den vier größten Waldnutzern.Die Waldflächen in den angeführten Regionen liegen kaum über 140 m über dem Meeresspiegel […]. Darum gibt es einen hohen Anteil an sogenannten Sumpfflächen […].Der Einsatz von leistungsfähigen Erntemaschinen, wie beispielsweise Harvester, ist großteils kaum möglich.In manchen Regionen Russlands wird ausschließlich 6,2 m Rundholz erzeugt. Lkw sind nur für diese Länge ausgerichtet beziehungsweise bei Waggonverladung ist diese Länge optimaler […]. Man kann sich das nach österreichischen Verhältnissen kaum vorstellen, aber das sind unabänderbare Hindernisse.[…] Es gibt große Flächen, welche zwar in den Statistiken aufscheinen, aber in der Praxis gar nicht zugänglich sind, […].Für mich ist es unverständlich, […] wie sich Investoren zu Großsägewerken in russischen Waldgebieten hinreißen lassen. […] Dabei erwähne ich noch gar nicht, die für uns kaum vorstellbare Geldpolitik sowie Steuergepflogenheiten und Unternehmensformen, welche in Russland üblich sind […].Gebraucht und gesucht werden, jedenfalls für die Region Kirov, Verarbeiter, die große Mengen Biomasse-Resthölzer für alle hiefür in Frage kommenden Produktsparten benötigen […].