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Mit mehr als 160 Besuchern  war die Festhalle in Oberwolfach bei der VSH Versammlung bis auf den letzten Platz gefüllt © Philipp Matzku

SägerVersammlung Baden-Württemberg

Es wird so schlimm kommen – aber bitte keine Panik

Ein Artikel von Philipp Matzku | 10.12.2019 - 14:06

Die Festhalle in Oberwolfach/DE war bis auf dem letzten Platz gefüllt. 160 Besucher konnte der Verband der Säge- und Holzindustrie Baden-Württemberg (VSH) zu seiner Mitgliederversammlung im Mittleren Schwarzwald begrüßen. Das Kernthema „Forst- und Holz in Krisen- und Umbruchzeiten“ versprach viel und qualifizierte Informationen.

Baden-Württemberg ist von Käferholz und Trockenheit regional unterschiedlich stark betroffen. VSH-Geschäftsführer Ludwig Jäger verwies auf die Notwendigkeit von Frischholz. Er machte außerdem darauf aufmerksam, dass es in Baden-Württemberg in Zukunft mehr Starkholz am Markt geben werde.

Grün-Schwarz ziehen an einem Strang

Die grün-schwarze Regierungskoalition war durch die Landtagsabgeordneten Reinhold Pix und Patrick Rapp vertreten. Rapp sieht ein Ungleichgewicht beim Anspruch an die Waldnutzung. „Schützen durch Nutzen ist besser als schützen statt nutzen“. Er glaubt nicht, dass die Bevölkerung bereit sei, mehr für das Holz zu zahlen. „Die Gesinnung für Holz und Wald muss wieder wachsen“, erläuterte Rapp. „Der Notfallplan Wald war die richtige Entscheidung, aber erst die Spitze des Eisberges“, erklärte Pix.

Die Aufgabe ist nun, alle Interessen in einen Masterplan bis Sommer 2020 überzuleiten. Vor Weihnachten wird das Budget 2020 beschlossen. Neben zusätzlichem Personal wird der Ausbildungspakt um drei Jahre verlängert, die Holzbauoffensive und das Laubholzkolloquium werden gefördert und die Forstliche Versuchsanstalt wird ausgebaut. Das Schalenwildmanagement muss laut Pix in Ordnung gebracht werden. Wertvolle Wälder werden in Zukunft unter Schutz gestellt werden müssen.

Forst- und Holzwirtschaft werden pauschal in die Tonne getreten

Stefan Schmid, Vorstand im VSH und Geschäftsführer des Säge- und Hobelwerkes Schmid Holz, Bad Rippoldsau-Schapbach/DE, beschrieb die Herausforderungen und Schwierigkeiten von regionalen Sägewerken. Er kritisierte Peter Wohlleben und den Stern-Artikel vom 21. August scharf. In diesem gibt Wohlleben neben dem Klimawandel „der konventionellen Forstwirtschaft“ die Schuld am Zustand der Wälder. Dies wird von vielen in der Branche als pauschales „Förster-Bashing“ erachtet.

Aus Sicht von Schmid zerstört der wenige Seiten lange Artikel mehr als 20 Jahre Erfahrung und Erfolge beim Waldumbau. Suggestive Bilder erzeugen einen großflächigen Plantagenwald. Schmid zitiert Wohlleben: „Mehr als die Hälfte der gefällten Bäume endet im Feuer“. Der Leser denkt sicherlich: furchtbar! Die ernten den Wald, um ihn zu verbrennen! Holz substituiert vielmehr fossile Energieträger. „Das System der Holznutzung bis hin zur Verbrennung ist in sich rund“, wurde Schmid deutlich. Prozessschutzwälder weisen mittelfristig durch ihre Nettoeinbindung von Kohlenstoff eine deutlich geringere Klimaschutzleistung auf als Wirtschaftswälder. „Der wissenschaftliche Beirat schätzt, dass allein in Deutschland zwischen den beiden Systemen jährlich eine Lücke von 80 bis 90 t CO2 entsteht“, informierte Schmid. Das sind bei 866 Mio. t CO2 2018 in Deutschland bereits 10%.

Laut FSC sind mehr als ein drittel der deutschen zertifizierten Wälder mindestens naturnah und zwei Drittel bedingt naturnah. „Entweder Wohlleben hat recht, dann werden regelmäßig gewinnorientierte Monokulturplantagen zertifiziert, oder er übertreibt und die Zertifizierer leisten einen wertvollen Beitrag zum Umbau der Wälder“, formulierte Schmid pointiert.

Am Beispiel der eigenen Branche sollen positive ökologische Argumente, wie Nachhaltigkeit, CO2-Neutralität, regionale Herkunft von Holz, der Bevölkerung nähergebracht werden. „Der Holzbauanteil in Baden-Württemberg beträgt 30%. 75 % des in Baden-Württemberg geschlagenen Holzes verbleiben im Bundesland. Damit ist aber der Verkauf an die Sägewerke in der ersten Verarbeitungsstufe gemeint und nicht die Exporte der Betriebe. Von den 30% Holzbauanteil stammen mindestens 60% nicht aus dem ,Ländle‘, rechnete Schmid vor.

Die Offensive sollte mit der Herkunft aus Baden-Württemberg verbunden werden, forderte Schmid. „Ich habe Zweifel, dass jeder Zimmerer weiß, wo sein Holz herkommt“. Der Holzbau nutzt aus seiner Sicht die Ahnungslosigkeit des Verbrauchers aus. Der „Zimmerer der Region“ werde vom Verbraucher mit dem „Holz aus der Region“ gleichgesetzt. In Baden-Württemberg gibt es abseits von Lignotrend, Weilheim-Bannholz, wenige industrielle Massenverarbeiter. Die Lücke wird aber bald geschlossen. Es fehlt weder am Holz noch an der dazugehörenden leistungsfähigen Holzindustrie.

Licht am Ende des Tunnels

Der Weltklimarat hat zwei Referenzszenarien (sogenannte RCPs – Repräsentative Konzentrationspfade) für die Klimaänderung bis 2100 entworfen. RCP 4.5 geht von einem moderaten Klimawandel und einem Temperaturanstieg von 2° C und RCP 8.5 von einem extremen Klimawandel und 4° C aus. „Wir müssen jetzt reagieren“, wurde Konstantin Freiherr von Teuffel, Direktor der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg, deutlich. Wir werden planare Verhältnisse, wie in der Rheinebene, im ganzen Land bekommen. In der Rheinebene und im Neckarland entstehen mediterrane und im Schwarzwald und der Schwäbischen Alb submontane Klimazonen. Baden-Württemberg hat 100.000 ha empfindliche Wälder. Alle Hauptbaumarten (Fichte, Tanne, Eiche, Buche) sind in beiden Varianten auf den meisten Standorten möglich bis wenig geeignet und sollten laut von Teuffel nicht mehr als 50% der Fläche einnehmen. Die Eignung der Fichte als bestandesbildende Baumart ist in den nächsten Jahren nicht mehr gegeben und sollte nur noch als Beimischung vorkommen. „Die Existenz der Wälder ist vorerst nicht gefährdet, aber die Risiken der Waldbewirtschaftung nehmen zu. Also kein Grund zur Panik“, beruhigte von Teuffel. Trotz allem wird auch bei der moderaten Variante auf 26% und bei der harten Variante auf 53% der Landesfläche keine der Hauptbaumarten geeignet sein. Alternative und vor allem ertragsorientierte Baumarten sind nach von Teuffel die Roteiche, der Ahorn, die Douglasie sowie Schwarzkiefer.

Stabilität und Kommunikation mit anderen

„Der FSC hat ein sehr waldfreundliches Konzept“, gab sich Uwe Sayer, Geschäftsführer FSC Deutschland, überzeugt. Auf der Freifläche und den Verjüngungsflächen sind 20 % Fremdhölzer, wie Douglasie, erlaubt. 10 % Stilllegungsflächen im öffentlichen und im kommunalen Wald über 100 ha Wald sind gewünscht. Der Privatwald ist von dieser Regelung komplett ausgenommen. „Wir setzen nur die Standards von Informationen aus der Forschung. Wenn sich deren Ergebnisse ändern, muss sich auch unser Standard ändern“, verdeutlichte Sayer.

Neuorganisation der ForstBW

Ab 2020 tritt die neue Forstorganisation in Baden-Württemberg in Kraft. Sie besteht aus zwei Säulen. Die erste Säule ist das Ministerium mit dem Regierungspräsidium in Freiburg. Die neu gegründete ForstBW AöR mit den 21 Forstbezirken ist die zweite Säule. Die Revierleiter sind für die Auszeichnung zuständig, der Gebietsleiter technische Produktion für die Holzernte. „Wir wollen die Holzbereitstellung professionalisieren“, erklärte Hans-Joachim Hormel, Fachbereichsleiter Holzverkauf beim ForstBW. Großkunden bekommen Jahresverträge, bei regionalen und überregionalen Kunden muss der Holzfluss termingerecht gewährleistet sein. Meistgebotstermine, auch wenn kartellrechtlich ein Thema, sollen weitergeführt werden.

Neuorganisation ForstBW ab 2020

1. Säule:
Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz mit dem Vor-Ort-Präsidium in Freiburg, 44 Untere Forstbehörden bei den Stadt- und Landkreisen
Zuständigkeiten: Betreuung, Beratung und Förderung im Körperschafts- und Privatwald (auch über private Anbieter), Hoheitliche Zuständigkeit für den Gesamtwald

2. Säule
ForstBW AöR mit Vorstand und Aufsichtsrat sowie 21 Forstbezirke
Zuständigkeiten: Bewirtschaftung des Staatswaldes,
Forstfachliche Fortbildung in allen Waldbesitzarten,
Daseinsvorsorge im Staatswald (mit Schutz- und Erholungsfunktion), Konzeptionelle und operative Waldpädagogik