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Historische Titelseite aus dem Jahr 1998: 8000 fm nordisches Rundholz am Weg in den Seehafen Wismar © Holzkurier.com

Klausner

Klausner veränderte mitteleuropäische Sägeindustrie wie kein zweiter

Ein Artikel von Gerd Ebner | 28.04.2020 - 13:33
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Das Schiff fährt in den Hafen. © Holzkurier

Klausners Weg war immer extrem. Fast alles war neu, kurzzeitig sehr erfolgreich, aber spekulativ und vieles deutlich zu riskant.

Ein Millionensägewerk, weit entfernt von jedem Wald? Klausner erdenkt sich das und baut es an der Ostsee in Wismar. So wird ein Holzindustrie-Cluster etabliert.

Die Gründe für den Aufstieg von 1993 bis 2005 sind vielfältig: Die Nutzung der üppigen Förderrichtlinien in den neuen deutschen Bundesländern ist nur einer davon. Klausner installiert uniforme Hochgeschwindigkeitslinien, die nur eine Aufgabe hatten: schneiden rund um die Uhr.

Damit ist man einige Jahre zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort: als der deutsche Rundholzpreis passt und die USA ihren Nadelschnittholz-Bedarf nicht decken können.

Als gäbe es kein Morgen, expandiert Klausner in extrem kurzen Abständen. Ein Sägewerk in Sachsen: 45 Mio. €. Das reicht noch nicht. In Landsberg entsteht um 65 Mio. € ein weiteres 1,5 Mio. fm-Sägewerk. Dafür gibt es 2005 einen Langfrist-Liefervertrag mit den Bayerischen Staatsforsten. 2007 folgt ein ähnlicher Vertrag in Nordrhein-Westfalen. Um 54 Mio. € wird dort immer noch vor Gericht gestritten.

Dann kommen viele Sachen zusammen. Landsberg verzögert sich. Auch, um Lieferverpflichtungen zu erfüllen, erwirbt man Kühne Holz in Adelebsen. Klausner investiert 30 Mio. €, um ein universelles deutsches Sägewerk in ein uniformes Hochgeschwindigkeits-Sägewerk umzubauen. Klausner holt sich 100 Mio. € über eine Anleihe – als „drittgrößte Sägewerksgruppe mit 8,6 Mio. fm Einschnittskapazität“.

Dass man im Wesentlichen von einem einzigen Markt abhängig ist, wird Klausner in der Finanzkrise zum Verhängnis. Nur ein Schuldenschnitt von 120 Mio. € rettet Klausner Holz in den Krisenjahren 2007 bis 2012. In Summe erleidet der Konzern knapp 200 Mio. € Verlust, 238 Mio. € an Darlehen werden an die Gläubiger zurückgeführt (s. Beitrag „Ein Mal Ausgleich und zurück“).

Ab 2010 erfolgt schrittweise der Verkauf der europäischen Assets. Aufgeben? Au contraire: Klausner versucht sein Glück nun in den USA. Drei Sägewerke mit europäischer Technik sollten Plantagenholz schneiden. Nur ein Werk kam halbwegs ins Laufen.

Mitte April melden zwei Klausner-Unternehmen Insolvenz an – auch, weil der Verkauf der US-Werke offenbar gescheitert ist. Ein Kapitel europäischer Sägewerksgeschichte ist damit wohl endgültig geschlossen.

Bleibt die Frage:  Wie würde die deutsche Sägeindustrie heute aussehen, wenn Klausner einfach sein elterliches Sägewerk in Tirol weitergeführt hätte? Die Frage ist zwar müßig – aber interessant. Meine Meinung: Deutschland wäre nicht der größte Nadelschnittholz-Produzent Europas. Klausner gab das Tempo in Deutschland vor. Er wirkte wie ein Katalysator: Binderholz in Kösching, Egger in Brilon, Pfeifer in Lauterbach – sind allein Tiroler Beispiele, die alle zeitlich ziemlich ähnlich starteten.

Die Ex-Klausner-Werke prägen weiterhin das Bild der deutschen Sägeindustrie: Ilim Timber in Wismar und Landsberg, HS Timber (also Schweighofer) in Kodersdorf und Mercer Timber in Friesau. Die Ironie der Geschichte: Knapp nach dem Firmenschildwechsel an diesen deutschen Standorten gab es wieder „Klausner-Bedingungen“: Die globale Schnittholznachfrage zieht an und Schadholz gibt es im Überfluss.

Betrachtet man den BaySF-Langfrist-Vertrag für Landsberg mit 15 Jahren Abstand, so ist er eines: eine Wette auf die künftige Marktentwicklung. Mehreren Unternehmen war diese Wette angeboten worden, erst Klausner schloss sie ab. Dass eine so langfristige Preisbindung eine Todsünde des Rundholzverkäufers ist, ist nicht Schuld des Käufers. Aber der Benefit „Klausner-Preis versus Marktpreis“ summiert sich über die Vertragslaufzeit wohl auf über 150 Mio. €. Trotz dieses Vorteils holen der eigene Erfolg und Übermut Klausner aber schließlich ein.

Was kann man aus diesem Wirtschaftskrimi lernen? Gute Rechtsanwälte sind goldwert – sh. BaySF-/NRW-Vertrag. Selbst das schlankeste Unternehmen darf nie von einem Markt abhängig sein. Außerdem hat abnormales Wachstum immer einen Haken.

Klausner-Gruppe - 31 Jahre Rückblick 1989 bis 2020
Monat Ereignis
1989 70.000 fm Einschnitt im Stammwerk in St. Johann i. T.
1991 Absiedlung Stammwerk in St. Johann i. T. scheitert.
Jan 93 Eröffnung Klausner-Holz Thüringen – Fritz Klausner ist 29 Jahre. Investitionssumme: 30,4 Mio. €
1997 Grundsteinlegung Klausner Nordic Timber, Wismar
1998 Eröffnung Klausner Nordic Timber – Säge- und Hobelwerk; Einschnitt bis zu 2,2 Mio. fm/J
2004 Klausner Holz Sachsen, Kodersdorf/DE – Start nach sechs Monaten Bauzeit. Investitionsvolumen: knapp 45 Mio. €. Einschnittskapazität: 1 Mio. fm/J
2004 Einschnittskapazität Gesamtgruppe: bis 5,5 Mio. fm/J
Jan 05 BWI2-Referat am Sägerseminar Rosenheim: „Weiteres Sägewerk wäre logische Konsequenz aus Bundeswaldinventur 2.“ – Infolge der Zuwachsschätzungen der BWI2 entstanden weitere Großsägewerke in Deutschland.
Jan 05 Klausner Trading International (KTI) wird gegründet: weltweiter Vertrieb gebündelt.
Apr 05 Klausner-Gruppe verkündet Neubau in Landsberg am Lech. Investitionsvolumen: 65 Mio. €. Geplante Einschnittskapazität: 1,5 Mio. fm/J. Einschnittskapazität Gesamtgruppe: 6,9 Mio. fm/J. Damit Klausner mit vier Sägewerken hinter Stora Enso (24 Sägewerke) und Finnforest (30 Sägewerke) Nummer 3 in Europa
Apr 05 Bayerische Staatsforsten unterzeichnen mit Klausner-Gruppe langfristigen Rundholzliefervertrag.
Jun 05 Deutsche Schnittholzlieferungen in die USA (im Wesentlichen Klausner) steigen auf 200.000 m³ pro Monat.
Okt 05 Baustopp in Landsberg wegen Bürgerinitiative. Klausner: „Wir halten an Landsberg fest.“
Jan 06 Klausner-Gruppe meldet Schnittholzproduktion von 2,7 Mio. m³ in 2005.
Feb 06 Klausner übernimmt Kühne Holz, Adelebsen – Klausner Holz Niedersachsen entsteht. Man will 30 Mio. € investieren.
Aug 06 Baustopp in Landsberg wird aufgehoben: Klausner darf weiterbauen.
Dez 06 Produktionsbeginn in Landsberg: knapp vier Monate nach Baubeginn
Feb 07 Sägerpräsident Hans-Günther Sturm nennt den BaySF-Vertrag „Jahrhundertfehler mit fatalen Folgen“
Feb 07 Klausner-Gruppe will 100 Mio. € über Anleihe erhalten. Unternehmenscharakterisierung vor Bankern: „Drittgrößte europäische Sägewerksgruppe mit 8,6 Mio. fm Einschnitt in 2007. Seit 1992 haben wir 450 Mio. € investiert.“
Feb 07 Klausner-Gruppe schließt nach Kyrill langfristige Rundholzlieferverträge, unter anderem mit Landesforstbetrieb Nordrhein-Westfalen (NRW), ab.
Mär 07 Siebenjährige Anleihe spült 125 Mio. € in Klausner-Kassen. Laufzeit: 7 Jahre, Verzinsung: 5,25 %
2008 Für Restrukturierung kommt Roland Berger ins Haus.
Mai 08 Klausner-Anleihe wird vom Handel ausgesetzt.
Jun bis Dez 08 Standorte führen Kurzarbeit ein. Ab Dezember stellen Wismar und Landsberg die Produktion ein: „Kurzarbeit 0“.
Sep 08 Lehman Brothers gehen pleite. Die Wirtschaftskrise beginnt.
Mär 09 Klausner Holz Niedersachsen meldet „Kurzarbeit 0“ an.
Mitte 09 In Landsberg und Adelebsen wird nicht produziert, in Saalburg-Ebersdorf, Kodersdorf und Wismar entsprechend der Auftragslage.
Feb 10 Das Anleihen-Umtauschangebot der Klausner-Gruppe endete: 61 % der Anteilseigner haben zugestimmt.
Apr 10 Södra erwirbt die Adelebsen-Linie.
Jun 10 Die Sägewerke Wismar und Landsberg werden an Ilim Timber, St. Petersburg, verkauft.
Dez 10 Klausner bezeichnet Anleihenrückkauf als abgeschlossen.
Jun 11 Klausner kauft die Sägewerksanlage in Domat-Ems/CH.
Okt 11 Ex-Klausner-Linie startet bei Södra in Värö/SE.
Feb 12 Klausner gewinnt am Landesgericht Münster: Bis 2014 muss der Landesbetrieb NRW jährlich 500.000 fm liefern.
Feb 12 Am Landesgericht München Vergleich KHT und BaySF: Klausner muss für Rundholz mehr bezahlen. Gesamtverteuerung: 15 Mio. €
Apr 12 Nach sieben Jahren urteilt EU-Kommission: „keine staatliche Beihilfe in Landsberg“
Jul 12 Klausner Holding USA, Myrtle Beach, sucht um Baubewilligung für ein Greenfield-Sägewerk in Florida an.
Dez 12 Oberlandesgericht Hamm bestätigt: Die Holzlieferverträge aus 2007 von Landesbetrieb Wald und Holz NRW mit Klausner-Gruppe sind wirksam.
Jan 13 Klausner plant, 1,83 Mio. m³ in Sägewerken in Sachsen und Thüringen zu erzeugen (+13 % zu 2012).
Jan 13 Dritte Baugenehmigung in den USA am Tisch: Nord- und Süd-Carolina sowie Florida
Feb 13 Klausner legt Klage gegen NRW ein: Erfüllung der Holzlieferverträge und Regressforderung wegen Schließung Adelebsen.
Mär 13 Klausner erweitert Klage: Streitwert bis zu 125 Mio. €
Aug 13 Florida überschreibt 63 ha an Klausner.
Okt 13 Klausner-Gruppe schätzt Einschnitt heuer auf 2,7 Mio. fm; operatives Ergebnis soll positiv sein.
Okt 13 Baubeginn in Florida
Mär 2014 Klausner Lumber One LLC erhält die Baugenehmigung für die Errichtung eines Sägewerks am Standort in Northwest Suwannee County, Florida
Jul 2014 Brand im Sägewerk von Klausner-Holz-Thüringen in Friesau/DE
Jul 2014  Klausner Holz, Oberndorf, erhält kein Rundholz mehr aus dem nordrhein-westfälischen Staatswald
Aug 2014 Kein Urteil beim Schadensersatzprozess von Klausner Holz gegen das Land Nordrhein-Westfalen am Landgericht Münster. Die Prozessbeteiligten einigen sich darauf, zunächst die Entscheidung der EU-Komission abzuwarten
Sep 2014 Das Landgericht Münster verkündet, dass der Liefervertrag nach dem Kyrill-Windwurf zwischen Klausner Holz und dem Land NRW eine unzulässige Beihilfe darstellt.
Sep 2014 Södra schneidet auf der  Klausner Holz-Adelebsen-Linie) eine 1 Mio. fm/J. Plus 20% werden noch vorhergesagt.
Jan 2015 Klausner Lumber One beginnt mit dem Einschnitt am Standort Live Oak in Florida
Jul 2015 Klausner Holz Thüringen baut in Friesau 145 Stellen ab und reduziert auf Zweischichtbetrieb.
Aug bis Okt 2015 Die Schweighofer-Gruppe, Wien (nunmehr HS Timber), übernimmt das sächsische Sägewerk Kodersdorf von der Klausner-Gruppe
Nov 2015 Laut der Entscheidung des EuGH, könnte der Rundholz-Liefervertrag zwischen Klausner Holz und dem Land Nordrhein-Westfalen aufgrund des EU-Beihilferechts als nichtig erklärt werden
Jan 2016 Klausner beantragt Verlängerung der Baugenehmigung in Orangeburg, South Carolina/US. Dies wäre die zweite Verlängerung innerhalb acht Monaten
Jan bis Mär 2017 Umbau- und Wartungsarbeiten im Sägebetrieb Live Oak, Florida/US. Der Einschnitt stark gedrosselt und zeitweise gänzlich eingestellt.
Feb bis Apr 2017 Übernahme des  Klausner-Sägewerkes in Friesau/DE durch Mercer Timber Products 
Mär 2017 Klausner Lumber One nimmt den Sägebetrieb in Live Oak, Florida/US wieder auf
Jun 2018 Das Landesgericht Münster entscheidet, dass das Land Nordrhein-Westfalen keinen Schadenersatz an die Klausner-Gruppe zahlen muss
Sep 2018 Die Klausner-Gruppe legt Berufung gegen das Urteil des Landgerichtes Münster ein
Feb 2020 Das Oberlandesgericht Hamm weist die Klage der Tiroler Holzindustrie gegen das Land Nordrhein-Westfalen erneut zurück und bestätigt damit das Urteil des Landgerichts Münster vom 21. Juni 2018.
Mär 2020 Klausner Lumber One steht still. 
Apr 2020 Klausner Nordamerika Beteiligungs GmbH und Klausner Trading International GmbH (KTI), beide St. Johann in Tirol, melden Insolvenz an.
Apr 2020 Klausner legte wegen Urteil um NRW-Vertrag nun Beschwerde bei Bundesgerichtshof (BGH) ein.