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Steffen, Rathke, Holzwerke Keck © DHWR

INterview mit Steffen Rathke

Kalkulation wird Spekulation

Ein Artikel von Gerd Ebner | 05.10.2022 - 07:41

Herr Rathke, kürzlich mahnten Sie, dass die Lage extrem angespannt sei. Sie haben sogar vor dem Niedergang der deutschen Laubholzindustrie gewarnt. Warum sehen Sie das so?

Wir haben in den vergangenen Jahren speziell bei der Eiche die Entwicklung, dass immer mehr Holz in sägefähigen Qualitäten im B-Holzbereich 4. Klasse aufwärts im Durchmesser submittiert, also nicht versteigert, wird. So kommen wir als Laubholzsäger nicht mehr freihändig an das Holz. Jegliche Grundlage der Kalkulation von Menge und Preis ist uns entzogen. Somit können wir eigentlich keine Verträge mehr mit unseren langjährigen Kunden abschließen. Wir sind voll im spekulativen Bereich. Wir wissen nicht, was wir bekommen und was nicht. Diese Situation ist für uns absolut nicht tragbar.

Einige Kollegen haben es schon angedeutet und in Frankreich ist es schon so: Wenn es in den nächsten Jahren so weitergeht, dass der Waldbesitz diese Art der Vermarktung wählt, dann werden einige Laubholzsäger aus der Eiche rausmüssen. Damit ist die Eiche sicherlich nicht mehr das Produkt, das für den Waldbesitz mittelfristig interessant ist. Denn letzten Endes brauchen wir langjährige Kunden, die auch in Zeiten, wenn die Eiche nicht mehr so modern ist, diese abkaufen.

Die Entwicklung, die Sie jetzt geschildert haben, ist eine langjährige. Seit 24. Februar des heurigen Jahres ist die Situation wieder eine völlig andere. Inwiefern spielt der Krieg oder verschärft der Krieg in der Ukraine eine Rolle bei den Tendenzen, die sie jetzt erwähnt haben?

Die Ukraine ist im europäischen Eichenbereich einer der Global Player. Meines Wissens ist sie nach Frankreich der zweitgrößte Produzent von Eichenschnitt- und -rundholz. Wenn jetzt dieser Lieferant für die EU aufgrund der EUTR-Richtlinien seit Juli ausfallen sollte, dann resultieren für den Markt daraus gravierende Mangelerscheinungen. Die Holzart Eiche dominiert bei Möbeln und Fußböden. Wenn diese in großen Mengen fehlt, dann haben die Möbel- sowie Sägeindustrie große Versorgungsprobleme. Die potenziellen Käufer werden sich schließlich in den westeuropäischen Märkten, wie Frankreich oder Deutschland, bedienen. Das hat die Preise bereits jetzt in die Höhe gebracht. Wie ab Februar in den Submissionen dargestellt wurde, gab es innerhalb weniger Jahre fast eine Verdoppelung der Gebotspreise. Das ist eben rein im spekulativen, nicht mehr im kalkulativen Bereich.

Sie haben den 10. Juli angesprochen, dass da die Sanktionen noch mal hochgefahren wurden. Sie haben die EUTR angesprochen: Können Sie reflektieren, wie sich die Einkaufs- und Verkaufspreise seither verändert haben?

Für das Holzwerk Keck haben sich die Einkaufspreise in den vergangenen zwei Jahren durchschnittlich verdoppelt. Die Verkaufspreise versuchen wir natürlich quartalsweise anzugleichen, was sehr schwierig ist. Sie können sich vorstellen, wenn wir die Preise in die Höhe treiben, dann wird die Eiche in vielen Bereichen nicht mehr genutzt. Das ist das, was ich vorhin meinte: Wir kommen beim Einkauf für die kommende Saison in den spekulativen Bereich. Der Forst hat jetzt bei den Verhandlungen von den Orientierungspreisen, die wir hier in Baden-Württemberg haben, noch mal Erhöhungen von 20 % und mehr angedeutet. Bei der Eiche geht man natürlich noch mehr in die Spekulation. Das bedeutet für uns, dass wir langsam überlegen müssen, was können wir noch kaufen und was sollten wir lassen.

Wenn ich mit Kunden spreche, dann sagen die natürlich, dass sie diese Preise niemals zahlen können. Andererseits wünschen sich die Kunden, dass wir für 2023 genug Holz kaufen, um eine Versorgung zu gewährleisten. Dieses Spannungsfeld haben wir jetzt als Säger.

Aber es ist halt ein Unterschied: Ein Holzhändler, der die Eiche bei Submissionen bebietet, damit Container befüllt, diese nach Asien verkauft, hat innerhalb von vier bis acht Wochen sein Geld. Ein Säger schneidet das Holz, lässt es lufttrocknen und verkauft es dann je nach Stärke in zwei, zweieinhalb oder drei Jahren. Außerdem haben wir natürlich auch eine entsprechende Verantwortung für unsere Mitarbeiter und entsprechende Investitionen mit Abschreibungen. Die Kalkulationen sind völlig anders. Neben den steigenden Rohstoffpreisen erlebten wir in den vergangenen Monaten auch massive Zuwächse bei den Energiekosten. Ein großer Stromverbraucher in den Laubholzsägewerken ist die Kammertrocknung. So steigen beispielsweise bei der Buche oder der Eiche die Trocknungskosten exorbitant. Diese Preissteigerungen verträgt kein Markt. Damit sind wir sicherlich vor einem Riesenproblem oder einer Riesenrezession 2023.

Heißt das am Ende des Tages, dass Eiche zu einem Luxusprodukt wird?

Ja, das wird sie. Wir haben aber beim Laubholz die sogenannten Farbtrends. Im Moment ist Eiche modern. Die Nachfrage nach dunklen Hölzern, wie der Nuss, ebbt gerade etwas ab. Helle Hölzer werden wieder kommen. Ungedämpfte Buche, Birke, Ahorn oder was auch immer das dann sein wird. Wir müssen die Eiche in irgendeiner Form ablösen, um den Markt weiter bedienen zu können.

Sie haben die Preissituation angesprochen, wie schaut die Verfügbarkeit aus?

Wir hatten hier in Baden-Württemberg Submissionen, bei denen über 75 % der Produkte nicht in Deutschland blieben. Sie wurden ins europäische Ausland, aber auch in Länder außerhalb Europas geliefert. Ich warne davor, dass bei der europäischen Laubholzindustrie ähnliche Tendenzen kommen wie bei der Schälindustrie. Diese war bis zu den 2000er-Jahren hier in Europa stark vertreten. Aufgrund der Preisentwicklungen wurde das Schälen unrentabel. Buche kostete auf einmal 300 €/fm. Die ganzen Werke hier haben geschlossen. Heute stehen die Schälmaschinen alle in Asien. Vor ein oder zwei Jahren hat die Schälbuche hier in Europa 130 €/fm gekostet. Wenn das bei der Eiche auch passiert, dann werden wir bei den Laubholzsägern eine Deindustrialisierung bekommen. Ich kenne ein französisches Eichensägewerk. Es schneidet eigentlich 15.000 fm/J, hat aber dieses Jahr nur mehr 4500 fm bekommen hat. Dort können weder die Fix- noch die Lohnkosten gedeckt werden. Der Säger dort muss schlicht und ergreifend zumachen.

Wie sind die Kunden versorgt? Was erwarten die Kunden, insbesondere die Handwerksbetriebe, für 2023?

Die Handwerker sind aufgrund von Altaufträgen noch gut ausgelastet. Weil wegen der quartalsweisen Preisanhebungen die Kalkulation aber oft nicht mehr stimmt, werden die Aufträge meist mit Tränen in den Augen abgearbeitet. Für 2023 sind die Auftragseingänge stark rückläufig.

In der Bauindustrie werden die Auftragsbestände sogar storniert. Wer ein Haus bauen wollte, kann das aufgrund der Zinserhöhung oft nicht mehr finanzieren. Insofern werden wir sicherlich 2023 in eine Rezession reinlaufen, die sich gewaschen haben wird. Der zweite Punkt ist diese Brennholzgeschichte. Im Wald werden wir langsam Kämpfe erleben: Wer kriegt wie viel Brennholz zu welchem Preis? Extrem trifft das die Buche, aber auch Randholzarten, wie Ahorn oder Kirsche, die werden heute im C-Bereich als Brennholz eingesetzt. Das treibt alles nach oben. Ich warne davor, dass wir hier einen Klopapiereffekt haben, also diesen Winter den Markt noch extrem nach oben puschen und dann im nächsten Jahr hinunterfallen.