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Gute Zusammenarbeit: Charles Fessel und Helmut Stranzinger (v. li.) © DI (FH) Cornelia Schneider

Piemonter Dorfanlage

Ein Artikel von DI (FH) Cornelia Schneider | 11.10.2005 - 00:00
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Gute Zusammenarbeit: Charles Fessel und Helmut Stranzinger (v. li.) © DI (FH) Cornelia Schneider

Die Vier-Stern-Hotelanlage Pragelato Village Ressort ist mit einem Bauvolumen von 25 Mio. € der größte Auftrag, den ein deutsches Fertighaus-Unternehmen bislang im Ausland an Land gezogen hat. Den Zuschlag für das als Dorf angelegte Objekt an einem der Austragungsorte der Olympischen Winterspiele 2006 hat Haas Fertigbau, Falkenberg/DE, im vergangenen Jahr erhalten.Kurze Bauzeit. Ende August 2004 wurde von Haas mit den Arbeiten begonnen, im November rechnet Helmut Stranzinger, Leiter Hausbau-Abteilung, mit der vollständigen Übergabe der 87 Häuser mit 205 Wohnungen an den Betreiber. Die offizielle Eröffnung ist am 15. Dezember, am Tag darauf wohnen bereits 500 Gäste im Hotel.
Der seit 40 Jahren in der ganzen Welt tätige Schweizer Hotel-Entwickler Charles Fessel, Geschäftsführer RecreAction, Monaco/MC, konnte eine irische Investoren-Gruppe für das Projekt gewinnen. Nach zähen Verhandlungen mit zahlreichen Bau-Unternehmen, die überwiegend in Stein und Stahlbeton angeboten haben, hat Haas den Zuschlag erhalten.
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Blick auf einen Teil der 87 Häuser des Pragelato Village Resorts, die sich um 20 Innenhöfe anordnen © DI (FH) Cornelia Schneider

Von Holzbau überzeugt. „Nach einem Besuch in Falkenberg konnten mich die Bayern durch Flexibilität, konstruktiven Vorschlägen und der Garantie überzeugen, das Projekt in der vorgegebenen Zeit zu realisieren“, zeigt sich Fessel mit seiner Wahl zufrieden. Zudem habe sich Haas intensiv mit seinem Drehbuch, das Fessel für jedes neue Projekt schreibt und „Magic of the Hotel“ nennt, auseinandergesetzt und Detaillösungen angeboten.
Als Architekt wurde Bauer und Partner, München/DE, eingesetzt. Die 20 Hofeinheiten sind farblich in drei Themen unterteilt: Brücken, Steine, Blumen. Die nur 2 m breiten Wege sind mit Pflastersteine belegt und werden nur mit Golfcarts befahren. Die Anlage ist terrassiert und wird mit Bäumen und Pflanzen der Region gestaltet. Auch ein Flüsschen und eine künstlicher See wird angelegt.
Robin Fessel, Sohn des Investors, fertigt Skulpturen und liefert mit seinem Unternehmen Dreirad 600 Bilder, die auf die Zimmer abgestimmt sind.
Auch 40 verschiedene Holzbank-Modelle, die am Gelände verteilt sind, wurden von Fessel jun. entworfen. Die Ausführung hat ein Handwerker im Aostertal übernommen.
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Gelände ist terrassiert und weist Höhenunterschiede von bis zu 4 m auf – die Fortbewegung wird mit Golfcarts von statten gehen © DI (FH) Cornelia Schneider

Ein Haus pro Tag. Innerhalb von sieben Wochen wurde im vergangenen Jahr die erste Hälfte der Häuser montiert – ein Haus pro Tag. Dies stellte auch eine logistische Herausforderung dar: Von Falkenberg ist ein Lkw rund 14 Stunden unterwegs und erreicht das auf 1700 m Höhe gelegene Dorf über Passstraßen. In den Wintermonaten wurden die Innenausbau-Arbeiten in Angriff genommen. Ab Mai diesen Jahres errichtete Haas Fertigbau die zweite Hälfte der Häuser.
In Spitzenzeiten hatten die beiden Haas-Bauleiter 120 Mitarbeiter auf der Baustelle zur Verfügung. Die Monteure sind jeweils zwei Wochen am Stück in Pragelato. „Unsere Mitarbeiter wurden in einer Sitzung in Falkenberg auf das Projekt und den knappen Zeitrahmen eingeschworen“, bestätigt Stranzinger. Und das mit Erfolg: „Sie weisen eine extrem hohe Arbeitsmoral auf“, zeigt sich Fessel sehr zufrieden.
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Die Fassaden sind überwiegend verputzt oder – wie hier – mit einer Fichtenfassade mit sichtbarer Baumkante versehen © DI (FH) Cornelia Schneider

Schlüsselfertige Ausführung. Die Anlage soll nach Fessels Vorstellungen an ein uriges Bergdorf im Piemont erinnern. Er verzichtete bewusst auf die Architektur Süddeutschlands und Österreichs.
Die 87 Häuser sind in Gruppen von vier bis fünf Häusern um unterschiedlich gestaltete Innenhöfe mit Brunnen angeordnet. Diese sollen als Ort der Begegnung dienen. Jeweils ein Haus pro Hof ist unterkellert. Dort sind die Gas-Heizungen sowie die Haustechnik aller fünf Häuser untergebracht. In vielen der 205 Appartements, die im Durchschnitt rund 100 m² Wohnfläche haben, sind zusätzlich offene Kamine installiert.
Der Lieferumfang durch Haas umfasst die schlüsselfertige Ausführung ab Oberkante Bodenplatte. Die 25 cm breiten StandardHolzrahmenbau-Wände erzielen trotz der im Vergleich zu Steinbauten geringeren Wandstärke bessere Dämmwerte. In der Hotelanlage wurde auf erhöhten Schallschutz Wert gelegt. Die Ausführung ist darüber hinaus erdbebensicher.
Eine Herausforderung war die Anordnung der Häuser inmitten des alten Baubestands, der laut Fessels Vorgaben nicht angetastet werden dürfte. „Manche Gebäude sind bis zu einem halben Meter bei Bäumen aufgestellt“, erläutert Stranzinger. Auch zwischen den Häusern wurde oftmals nur ein Meter Platz vorgesehen. Zudem wurden Höhenunterschiede von 3 bis 4 m überwunden.
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Original Piemonter Baustil: Regenrinnen aus Holz, bei der Dacheindeckung hat man sich auf Lärchenbretter geeinigt © DI (FH) Cornelia Schneider

Viel Bauholz – wenig BSH. Auf 1700 m Seehöhe muss im Vergleich zu Tallagen mit der rund 10-fachen Schneelast – also 9,8 kN/m² – gerechnet werden. Dies verlangt Pfetten bis zu einer Dimension von 36 mal 48 cm. Diese werden aus BSH gefertigt, während für die Sparren unverleimtes, getrocknetes Bauholz eingesetzt wird – dies garantiert die von Fessel erwünschte, rustikale Optik mit Rissen und Ästen.
„Bei der Dacheindeckung wurde die Verwendung eines Naturproduktes zur Auflage gemacht“, erläutert Stranzinger. „Neben Granit kam da nur Holz in Frage, so dass wir uns letztendlich für Lärchenbretter entschieden haben.“ Zum einen konnte die Dachkonstruktion statisch mit schlankeren Dimensionen ausgelegt werden, zum anderen war die Liefersicherheit der Lärche gegenüber der im örtlichen Steinbruch gewonnenen Platten eher gegeben.
Die Fassaden sind teilweise verputzt, teilweise mit unbehandelten Fichten-Brettern samt sichtbarer Baumkante verschalt.
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Alle Wohnungen sind mit einer vollausgerüsteten Küche von Voglauer ausgestattet © DI (FH) Cornelia Schneider

Holzprodukte aus dem eigenen Haus. Bei den Häusern wurden Holz-Produkte der Haas-Gruppe verwendet. Die Fenster und Fensterläden lieferte Bayerwald, Neukirchen vorm Wald/DE, das gebürstete und geölte Lärchenparkett kommt von Hoco, Eggenfelden/DE, und die Treppen von Haas Fertigbau. Das Grundmaterial für Fensterläden und Haustüren wurde aus dem Plattenwerk VHP, Ruhpolding/DE, bezogen.
Moderne Akzente geben Elemente aus Glas und Naturstein. Die Möbel sowie die Küchen samt Elektrogeräte liefert Voglauer, Abtenau. Auch die Lampen steuerte ein österreichisches Unternehmen bei.
Derzeit wird am Gelände noch das Verwaltungsgebäude mit Büros, Rezeption, verschiedenen Restaurants sowie ein Hallenbad mit Fitnessraum und Saunen in Stahlbeton-Bauweise errichtet.
Ab Jänner bezieht das IOC das Domizil für drei Monate. In Pragelato werden das olympische Skispringen sowie die Langlauf-Wettekämpfe abgehalten. Danach hat ein italienischer Reiseveranstalter das Objekt für zehn Jahre gemietet, um die 4-Sterne-Anlage am Fuße der neu gebauten Gondel ins 2000 m hoch gelegen Skigebiet Sestrier/IT zu betreiben.
2006 wird in unmittelbarer Nähe ein Konferenzzentrum errichtet. Fessel ist zuversichtlich, dass er auch diesen Auftrag an Haas vergeben wird können.