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Erfahrungsaustausch bei den Karlsruher Tagen während der Pausen © Susanne Jacob

Pflegen und sanieren

Ein Artikel von Susanne Jacob | 12.10.2007 - 10:38
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Erfahrungsaustausch bei den Karlsruher Tagen während der Pausen © Susanne Jacob

Unter den thematischen Schwerpunkten „Bewahren” und „Entkomplizieren” veranstalteten der Lehrstuhl für Ingenieurholzbau und Baukonstruktion der Universität Karlsruhe/DE zusammen mit dem Bruderverlag, Köln/DE, am 4. und 5. Oktober die 8. Ingenieurholzbau -Karlsruher Tage. Mit dem Anspruch „Forschung für die Praxis” reichte das Vortragsangebot von der Bauwerksanalyse und -erhaltung bis zur Vereinfachung von komplexen Rechenverfahren.
Seit dem Einsturz der Eissporthalle Bad Reichenhall/DE Anfang 2006 sind die Pflege und die Sanierung zur Bewahrung von Bauwerken verstärkt in den Blickpunkt gerückt. Dr.-Ing. Matthias Frese, TH Karlsruhe, stellte die Forschungs-Ergebnisse einer Schadensanalyse von bestehenden Hallenkonstruktionen vor, die in den Monaten nach Bad Reichenhall initiiert wurde. Aus der Analyse ging hervor, dass viele Schäden darauf zurückzuführen sind, dass nicht materialgerecht konstruiert wurde.
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans Joachim Blaß, Technische Hochschule Karlsruhe, ergänzte mit der Erläuterung des „Leitfadens zu einer ersten Begutachtung von Hallentragwerken aus Holz”, den die Studiengemeinschaft Holzleimbau im Juli 2006 herausgegeben hatte. Der Leitfaden beschreibt in den wesentlichen Zügen, was bei der Bauwerksbegutachtung überprüft und dokumentiert werden muss. „Dieser ist jedoch keine erschöpfende Checkliste und kann auf den Sachverstand der Ingenieure nicht verzichten”, warnte Blaß.
Die Ergebnisse der Felduntersuchungen an der Eishalle in Bitburg/DE, die ebenfalls infolge der Vorkommnisse von Bad Reichenhall durchgeführt wurden, präsentierte Univ.-Prof. Dr. Franz Feldmeier, FH Rosenheim/DE. Sie bestätigten die theoretisch vermuteten Zusammenhänge zwischen Tauwasserausfall und Kältestrahlung. (Zur Erinnerung: Auf Bauteiloberflächen, die einer Eisfläche gegenüberliegen, treten große Tauwasser-Mengen auf, die Bauteile dauerhaft durchfeuchten. Dieses physikalische Phänomen erläuterte Feldmeier im vergangenen Jahr.) Überraschend war, dass die Luftumspülung der Dachkonstruktion trotz Hallenöffnungen so gering war, dass das Dachtragwerk als nicht belüftet betrachtet werden muss. Weiters konnte ein positiver Effekt zur Minderung der Holzfeuchte durch Abschattung der vom Eis ausgehenden Kältestrahlung (Licht) durch Sperrholzplatten festgestellt werden.
Dass offensichtliche Mängel und Schäden sehr differenziert beurteilt werden müssen, zeigte Univ.-Prof. Dr.-Ing. Brüninghoff auf. Dabei kann es vorkommen, dass vermutete Mängel gar keine sind. Um tatsächliche Bauteilschäden jedoch mit geeigneten Mitteln zu beheben, bedarf es eines großen Sachverstands. Viele seiner Bildbeispiele dokumentierten wie Schäden durch Verkleben der Risse, Verstärkungen mit Stabdübeln oder den Einbau von Gewindestangen richtig saniert werden.
Er wies darauf hin, dass Schadensursachen durch Planungsfehler oft schon vor Baubeginn vorprogrammiert sind - dazu gehören Fälle wie Schwindbehinderungen, gekrümmte Bauteile oder Queranschlüsse.
Dr.-Ing. Mandy Peter, Institut des Zimmererund Holzbaugewerbes, Berlin/DE, und DI Jürgen Kunkelmann, Forschungsstelle für Brandschutztechnik, Universität Karlsruhe, zeigten Problemlösungen auf, wie hölzerne Treppen in bestehenden Geschosswohnbauten brandschutztechnisch weiterhin sicher und sinnvoll benutzbar erhalten werden können.
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DI Robert Jöbstl © Susanne Jacob

Der zweite Tag der Karlsruher Tage lockte mit der Möglichkeit, Komplexes mit Systematik zu vereinfachen. Die ersten beiden Referate beschäftigten sich mit dem immer öfter konstruktiv eingesetzten Werkstoff Brettsperrholz. DI Robert Jöbstl von der Technische Universität Graz stellte eine vereinfachte Biegebemessung dafür vor. Er zeigte wie man auf Grundlage von Verformungsuntersuchungen das Verformungsverhalten von Brettsperrholz mit sehr einfachen Formelansätzen wirklichkeitsnah nachweisen kann. Jöbstl hat die Vereinfachung in Formulierungen gefasst, mit denen man nur so viel Aufwand treiben muss wie bei anderen Holzbauprodukten.
Über die Verbindung von Brettsperrholz-Bauteilen mit mechanischen Verbindungsmitteln wie Stabdübel, Schrauben und Nägeln, referierte DI Thomas Uibel, TH Karlsruhe. Er stellte mechanische Modelle für Bemessung von Verbindungsmöglichkeiten vor, die durch Forschungsergebnisse abgesichert sind.
DI (FH) Klaus Fritzen, Herausgeber des Bruderverlages, Köln, sprach über sein Modell der „Vorbemessungen nach DIN 1052 - einfach, schnell, zutreffend durch drastisch vereinfachte Formelansätze”. Aufgrund der kaum überschaubaren Berechnungsansätze der DIN 1052 „neu” strebte Fritzen eine Vereinfachung an, um Bemessungen schnell am Papier zu überschlagen und Lösungsansätze überprüfen zu können. Er löste die verketteten Berechnungsansätze auf und konkretisierte sie, bezogen auf bestimmte stiftförmige Verbindungsmittel oder Holzwerkstoffe, etwa auf Zahlenwerte in Tabellenübersichten, die in verkürzten Formeln schnell und einfach handhabbar sind. Die Ergebnisse liegen mit bis zu 90% Auslastung auf der sicheren Seite.
Einen würdigen Schlusspunkt setzte Univ.-Prof. Richard Harris, University of Bath/GB und Mitgeschäftsführer beim Büro Happold, Bath. Er spannte einen großen Bogen vom Baum zum fertigen Bauwerk, der die Nachbildung von historischen Konstruktionen ebenso einschloss wie hochmoderne komplexe und organische Gebäude. Er sensibilisierte dafür, dass ein gelungenes Bauwerk immer das Ergebnis des Zusammenwirkens vieler Aspekte ist, aber insbesondere vom Material-Verständnis und der Gestaltung abhängt.
Viele Vorträge der 8. Karlsruher Tage bauten aufeinander auf und ergänzten sich. So profitierten die rund 180 Teilnehmer vom dargebotenen Stoff und konnten am Schluss ein umfangreiches Kompendium in Form des Tagungsbandes mit nach Hause nehmen. Die Karlsruher Tage sind mit ihren Beiträgen in der Lage, die in der Praxis stehenden Ingenieure handlungsfähig zu machen.