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DI Dirk Kruse, Fraunhofer-Institut für Holzforschung © DI (FH) Susanne Jacob-Freitag

Bekanntes neu überdacht

Ein Artikel von DI (FH) Susanne Jacob-Freitag | 13.10.2009 - 11:44
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150 Veranstaltungsteilnehmer konnten neue Einblicke und Spezialwissen von den Karlsruher Tagen mit nach Hause nehmen © DI (FH) Susanne Jacob-Freitag

Der eröffnende Vortrag von DI Antje Richter, TU München, stellte den etwa 150 Teilnehmern die Ergebnisse des Forschungsvorhabens „Schwingungstechnische Optimierung von Holz- und Holz-Beton-Verbund-Decken“ vor, das Richter und Univ.-Prof. Dr.-Ing. Patricia Hamm an der TU München durchführen. Ziel ist, die von Nutzern erzeugten Schwingungen in einem Gebäude und das daraus resultierende Schwingungsempfinden in die Bemessungs- und Konstruktionsregeln von Holzdecken einfließen zu lassen. Denn die Komfortansprüche sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Schon leichtes Schwingen einer Decke wird heute als Mangel empfunden. Hintergrund sind die von Bauherrn gewünschten, immer größer werdenden Spannweiten und die daraus resultierende erhöhte Schwingungsanfälligkeit.

Richter zeigte auf, wie die Art der Deckenkonstruktion, die Dicke und der Aufbau dies beeinflussen. Die Untersuchungsergebnisse ermöglichten die Ableitung konstruktiver Maßnahmen für schwingungsarme Holzdecken. „Am besten schneiden bisher Holz-Beton-Verbunddecken ab“, resümierte Richter den Wissensstand.

Wundermittel im Brandschutz

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DI Dirk Kruse, Fraunhofer-Institut für Holzforschung © DI (FH) Susanne Jacob-Freitag

DI Dirk Kruse vom Fraunhofer Institut für Holzforschung (Wilhelm Klauditz-Institut) aus Braunschweig/DE, stellte bei seinem Referat „Hochleistungsbrandschutzbeschichtungen für den mehrgeschossigen Holzbau“ ein neues Wundermittel in Aussicht: Dämmschicht bildende Brandschutzbeschichtungen für den Holzbau. Diese erzeugen bei Feuereinwirkung eine voluminöse Dämmschicht aus Kohlenstoff und schützen das darunter liegende Material.

Bisher waren solche Beschichtungen vor allem aus dem Stahlbau bekannt. Sollte es demnächst etwas Vergleichbares für den Holzbau geben, wäre dies revolutionär. Damit entfielen künftig aufwändige Brandschutzbekleidungen aus Gipsfaserplatten zur Kapselung von Bauteilen.

Über die Holz-Beton-Verbundbauweise bei Schwerlastbrücken sprach Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karl Rautenstrauch, Bauhaus-Universität Weimar, Institut für konstruktiven Ingenieurbau. Er informierte über die Besonderheiten, die bei der Tragwerksplanung von Straßenbrücken in dieser Hybridbauweise zu beachten sind. Besondere Aufmerksamkeit widmete er den Verbundelementen sowie der Verzahnung der zu verbindenden Ebenen aus Beton (oben) und Holz (unten).

Einfache Modelle für BSP-Faltwerke

Über „Modellbildungen für faltwerkartige Konstruktionen mit Brettsperrholz“ referierte DI Johann Riebenbauer, Lehrbeauftragter der TU Graz. Sein Schwerpunkt lag darin, möglichst einfache statische Modelle für komplexe Faltwerke zu finden, die die Realität dennoch zutreffend abbilden.

Dass der Ingenieur bei hochkomplexen Systemen meist nicht mehr ohne aufwändige FE (Finite Elemente)-Berechnungen auskommt, machte Riebenbauer deutlich. Dennoch sieht er in der Simulation ebener Teilsystemen eine Möglichkeit, weniger komplexe Strukturen mit einfachen Mitteln zu erfassen oder aber FE-Berechnungen damit zu kontrollieren, wie Riebenbauer am Beispiel der Überdachung der Schaudestillerie St. Nikolai im Sausal in der Steiermark und zahlreicher anderer Projekte demonstrierte.

Der richtige Korrosionsschutz

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DI Emil Lüning, Ingenieurbüro Lüning © DI (FH) Susanne Jacob-Freitag

Einen aufschlussreichen Vortrag bot Prof. Dr.-Ing. habil. Ulf Nürnberger mit seinem Thema „Korrosionsverhalten der Baumetalle in der Atmosphäre und bei Kontakt mit Holz“. Metallische Verbindungen und Anschlüsse an tragende Holzbauteile haben stets Kontakt mit dem Holz und stehen meist abschnittsweise mit der Atmosphäre in Berührung.

So machte Nürnberger darauf aufmerksam, dass im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der Verbindungsmittel immer auch die Korrosionsanfälligkeit aufgrund von Feuchtigkeit und Schadstoffen in der Luft zu betrachten ist. Man muss sich gut auskennen, will man den richtigen Korrosionsschutz unter Beachtung der Nutzungsklassen der DIN 1052 und den Korrosivitätskategorien der DIN EN ISO 12944-2 wählen.
Glücklicherweise stellt Nürnberger mit seinem Manuskript im Tagungsband den Ingenieuren dafür ein brauchbares Nachschlagewerk sowie eine tabellarische Übersicht zur Verfügung. Hier dürfte jeder den richtigen Korrosionsschutz für seinen speziellen Fall finden.

Kugelförmige Dachtragstrukturen

DI Emil Lüning, Ingenieurbüro Lüning aus Doetinchem/NL, entführte das Fachpublikum in sein Thema „Geodätische Kuppeln – Geschichte, Systemmodellierung, Konstruktion und Montage“. Die Struktur einer geodätischen Kuppel hat ihren Ursprung in der Natur.
Mit der Übertragung des Prinzips auf das Bauwesen sind Dachtragstrukturen in Form von Kugeln und Kugelabschnitten entstanden. Als Kuppeln – zusammengesetzt aus Stäben – erlauben sie große Spannweiten bei geringem Materialverbrauch. Lüning gab Empfehlungen für die Lastannahmen, die Schnittgrößenermittlung und die Bemessung solcher Tragwerke. Zuletzt wies er die Leistungsfähigkeit und die Wirtschaftlichkeit des Konzeptes in Holzbauweise nach.

Der Vortrag von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jan-Willem van de Kuilen, TU München, behandelte „Stabdübelverbindungen aus hochfesten Stählen“. Anhand der Auswertung zahlreicher Versuche an Holz-Holz- und Holz-Stahl-Verbindungen zeigte van de Kuilen auf, dass man Stabdübel aus hochfestem Stahl mit entsprechender Stahlqualität als Verbindungsmittel ohne weiteres einsetzen kann. Gegenüber gängigem Stahl erlauben sie kleinere Durchmesser und erreichen bei gleicher Geometrie der Verbindungen eine höhere Tragfähigkeit. Wichtigste Anforderung ist eine relativ niedrige Holzfeuchtigkeit.

Die Karlsruher Tage schlossen wie gewohnt mit einem Projektbeitrag ab. DI Peter Gröber, Holzbau Gröber, Eberhardzell-Füramoos/DE, zeigte zunächst Entwicklungen bei der Holz-Beton-Verbundbauweise für Decken auf und dokumentierte am Beispiel des Projekts „Justizvollzugsanstalt Bettenreute“ deren Wirtschaftlichkeit. Dabei stellte er das von Gröber entwickelte HBV-TT-Deckensystem vor. Es besteht aus vorgefertigten BSH-Trägern, die mit Filigrandeckenelementen kombiniert werden – ein bisher kaum genutzter Ansatz, der laut Gröber sehr vielversprechend ist. Sema, Wildpoldsried/DE, hat dafür ein neues Statikprogamm entwickelt, das bis Jahresende erhältlich sein soll.

Plädoyer für Holzcharta

Angesichts der neu gedachten Möglichkeiten, mit Holz zu bauen, erinnerte DI Klaus Fritzen, Herausgeber des Bruderverlages, Köln, in seinem Schlusswort an die Charta für Holz. Er ermutigte die Anwesenden, zukünftig im Sinne der Charta Alternativangebote für Holzkonstruktionen abzugeben, wo Holz wirtschaftlich mit Stahl und Stahlbeton konkurrieren kann – ein wichtiger Hinweis, um den Holzbau im Gespräch zu halten.