Passivhaus als Mindestmaß

Ein Artikel von DI Michael Reitberger | 23.10.2012 - 10:25
Die Energiewende ist in aller Munde? Ob das tatsächlich so ist, wagte DI Johannes Kislinger, Obmann der IG Passivhaus Ost und Vorsitzender der IG Passivhaus Österreich zur Pressekonferenz am 16. Oktober in Wien infrage zu stellen. „Sicher ist, dass sich etwas tut in Österreich. Wir wollen den Klimaschutz ernst nehmen.“ Der heurige September sei der wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen. An sich verändernde Bedingungen müsse man sich spätestens jetzt anpassen. Die IG Passivhaus stehe mit seinen 300 Mitgliedern dafür, aktiven Klimaschutz zu betreiben und effiziente Systeme in der Haustechnik zu fördern. Mit 8500 Objekten und wegweisenden Industrien befinde sich Österreich bezüglich Passivbau unter den führenden Ländern in der EU.

Am besten: keine Energie

Kislinger weiß, dass der Schlüssel zur energieeffizienten Bauweise in einer richtig ausgeführten Gebäudehülle steckt. Die 20-20-20-Ziele seien keine Vorgabe, sondern Gesetz, erinnerte er und lobte dabei die Entwicklungen in Niederösterreich, wo man im geförderten Wohnbau mittlerweile eine durchschnittliche Energiekennzahl von 33 erreicht. Die Passivhaustechnologie spiele hier eine entscheidende Rolle: „Die beste Energie ist jene, die man gar nicht erst verbraucht“, lautet Kislingers Devise. Dazu komme, dass Passivhäuser einen um 67 % geringeren Primärenergiebedarf aufweisen als Gebäude, die nach den Mindestanforderungen der OIB-Richtlinie 6 errichtet werden.

Österreichisches Haus-Hightech in USA

Um der Forschung und Entwicklung bei energieeffizienten Gebäuden zusätzlichen Schub zu verschaffen, veranstaltet das US-Energiedepartment alle zwei Jahre einen Wettbewerb zu dieser Thematik. Nominierte Teilnehmer planen und bauen dafür kleine Häuser, welche nach sehr strengen Kriterien von einer Jury hinsichtlich ihrer Energieeffizienz begutachtet werden. Für den Wettbewerb 2013 hat sich erstmals ein österreichisches Team qualifiziert. Studenten der TU Wien entwickelten zusammen mit Projektleiterin Ass.-Prof. Dr. DI Karin Stieldorf das erste österreichische Plus-Energie-Haus, welches im Oktober 2013 in Irvine/US teilnehmen wird. Beim Contest konkurrieren 20 studentische Teams. Dabei legt man nicht nur auf energieeffiziente, sondern auch auf architektonisch anspruchsvolle Bauweise, sinnvolle Kombination der Gebäudeteile und der Innenausstattung sowie Erschwinglichkeit Wert. Grundvoraussetzung ist, dass die Häuser mit Solarenergie betrieben werden. Nach ausführlichen Klimastudien setzt das Team Austria dafür auf PV-Dünnschichtelemente.
Laut den Vorgaben des Wettbewerbs müssen die Planungen bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. Anschließend möchte Stieldorf in Wien mit der Vorfertigung beginnen. Mitte 2013 wird das fertige Haus dann nach Irvine transportiert und am Ort der Wettbewerbsaustragung neben den 19 Mitstreiter-Gebäuden aufgestellt. „Simple“, „excellent“ und „smart“ soll der Beitrag des Team Austria sein. Das Konzept soll global realisierbar sein und allen Klimabedürfnissen gerecht werden. Laut Stieldorf waren mit Blick auf das in Kalifornien gelegene Irvine besonders Beschattung und Kühlung des Gebäudes große Herausforderungen. In Kooperation mit der FH St. Pölten, IG Passivhaus, der FH Kuchl, der WU Wien sowie dem Austrian Institute of Technology und Griffnerhaus, Griffen, konstruiert das Team Austria das vielversprechende Konzept in Holzmassivbauweise. Das Haus wird sich an heimische Standards halten. Eine marktreife Version wird ebenfalls angedacht.

Organisiert für große Aufgaben

„Passivhaus ist für uns Mindeststandard“, informierte Mag. Günther Jedliczka, Geschäftsführer der OeAD Wohnraumverwaltungs GmbH, Wien. Und das muss seiner Meinung nach nicht unbedingt teurer sein als herkömmlich zu bauen. Mit dem ersten Passivhaus-Studentenwohnheim soll in der Seestadt Aspern für Wien ein Zeichen gesetzt werden.
Um sich verstärkt der Problematik um Klimaschutz, Energiepolitik und Energiewende zuzuwenden, hat sich der Dachverband IG Passivhaus Österreich auch neu organisiert, gab Kislinger in Wien bekannt. Eine grundlegende Änderung hinsichtlich der Verbandsstatuten betreffe die Öffnung gegenüber Industriepartnern. Man will sich schlagkräftiger und internationaler präsentieren und die Idee des Passivhauses intensiver nach außen tragen, hieß es. Die Nominierung zum Österreichischen Klimaschutzpreis bestätige den eingeschlagenen Weg des Verbands.
Auf die Frage, wie man dem erkennbaren Trend entgegentrete, dass sich vermehrt private Bauherren bewusst gegen die Wohnbauförderung entscheiden und dann nach „eigenen Gesetzen“ bauen, antwortete Kislinger: „Dieser Paradigmenwechsel wird in den kommenden zwei Jahren eine Verschiebung erfahren. In Zukunft werden Bürgermeister darüber entscheiden, nach welchen Standards in der Gemeinde gebaut wird. Man wird sich das nicht mehr aussuchen dürfen.“