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Klein, fein und nagelneu - die Kindertagesstätte in Augsburg © Eckhart Matthäus Fotografie

Neuer Raum für mehr Bewegung

Ein Artikel von Mag. Birgit Koller (für Timber-Online bearbeitet) | 06.12.2012 - 10:20
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Klein, fein und nagelneu - die Kindertagesstätte in Augsburg © Eckhart Matthäus Fotografie

"Wir sind klein, fein und nagelneu“, damit wirbt die neue städtische Kindertagesstätte in einem Neubaugebiet des Augsburger Stadtteils Göggingen. Die bestehende, zweigruppige Kita wurde bereits 2002 eröffnet. 2008 beschloss der örtliche Stadtrat, das Betreuungsangebot an der Josef-Felder-Straße um zwei weitere Kindergartengruppen und eine Kindergrippe zu erweitern. Das Entwicklungskonzept sollte eine räumliche Verbesserung sowie einen Ersatz des pavillonartigen Bestandsgebäudes umfassen.

Ein lebendiger Ort zum Wohlfühlen

Kaum ist man drin, kann man auch schon spielen. Im neuen Kindergarten wird kein Platz für leere Erschließungs- und Verkehrsflächen verschwendet. Gleich hinterm Eingang liegt schon die erste Spielmulde. Regina Schineis, die mehrfach ausgezeichnete Augsburger Architektin, hat einen lebendigen Ort zum Wohlfühlen geplant und diesen gemeinsam mit ihrem Mann und Kollegen, Stefan Hiendl, mit dem sie inzwischen in Passau wohnt, gebaut. Der Kindergarten in dem noch jungen Stadtteil ist etwas ganz Besonderes und das gleich in doppelter Hinsicht: Erstens hat das städtische Hochbauamt damit einen kommunalen Modellversuch in Holzbauweise gewagt, zweitens haben die Architekten in enger Absprache mit den Erzieherinnen innovative Pädagogik baulich umgesetzt. Das alte Bestandshaus soll später einmal abgebrochen werden. Durch die moderne Erweiterung kann der Kindergartenbetrieb mit den nun insgesamt fünf Gruppen aufrechterhalten werden.

Locker komponierte Holzkuben

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Ideen freien Lauf lassen: Es scheint, als hätte auch der Architekt seine Freude am Spiel mit dem Holz gehabt © Eckhart Matthäus Fotografie

Dass der Holzbau etwas ganz Besonderes ist, liegt nicht nur am Material selbst. Die moderne Architektur sticht sofort ins Auge und setzt einen angenehmen Akzent in das Wohnbaugebiet am Südrand der Stadt. Der neue Baukörper ist aus fünf niedrigen Kuben locker komponiert. Alle haben eine Fassade aus Lärchenschindeln, die schon nach außen hin viel Wärme ausstrahlen. Dazu passen die weich abgerundeten Ecken. Amorphe, dreiecksrunde Fenster, die sich durchs ganze Haus ziehen, unterstützen die liebevoll konstruierte Oberfläche.
Der Eingang ist hell und freundlich, dessen zentraler Bereich zu Bewegungsspielen und Veranstaltungen einlädt. Belichtet und belüftet wird dieser Raum über drei 1,5 mal 1,5 m große Lichtkuppeln. Über diese zentrale Fläche erschließen sich die weiteren Räume der Kindertagesstätte im Süden und Osten – neben den einzelnen Gruppen befinden sich dort auch ein Werk- und Kochraum sowie Aufenthaltsmöglichkeiten für das Personal. in Richtung Osten orientiert sich der Platz für die Kleinsten. Dort findet man auch alles, was den Bedürfnissen der Kleinkinder entspricht: eine eigene Garderobe, ein Nassbereich mit Wickelmöglichkeiten, Duschen, Toiletten und einen eigenen Außenbereich mit viel Möglichkeit zum Spielen.
Die einzelnen Aufenthaltsmöglichkeiten entfalten sich mit Brücken und Bänken, Nischen und Höhlen sowohl vertikal als auch horizontal. Das Architekturbüro Hiendl-Schineis legte bei der Planung der Gruppenräume viel Wert auf Dreidimensionalität – „hoch, runter und rüber“ lautet das Motto – passend zum pädagogischen Konzept, welches die Kindergartenleitung verfolgt.

Eine wärmende Gebäudehülle

Holz aus glatten und rauen Flächen findet man überall. Vorsorglich wurden die rauen Schindeln im Inneren mit Bürsten etwas geglättet. Eine wärmende Gebäudehülle für viel Gemütlichkeit und Geborgenheit ist den Kindern aber gewiss. Das Gebäude steht auf einer Stahlbetonplatte. Auf einer Fußbodenheizung wurden Dielenböden, ebenfalls aus Lärche, verlegt. Die Decken und Wände – allesamt 40 cm dick, massiv und mit Holzfaserdämmung ausgestattet – kamen vorgefertigt auf die Baustelle und wurden in kurzer Zeit vor Ort zusammengebaut. Gebaut wurde von April 2010 bis Juni 2011. Für eine Nutzfläche von 593 m2 und einen umbauten Raum von 2435 m3 investierte das örtliche Bildungs- und Schulreferat als Bauherr insgesamt 1,9 Mio. €.

Brettsperrholz next generation

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Wohlfühlen im Holzspielzimmer: Der "weiche" Baustoff Holz erzeugt in Kombination mit großen lichterfüllenden Fensterelementen eine besondere Atmosphäre © Eckhart Matthäus Fotografie

Die Massivholzelemente stammen von KLH, Katsch a. d. Mur, welche von Biber Holzbearbeitung, Bobingen/DE mittels modernster CNC-Anlage zugeschnitten wurden. Die massiven Kreuzlagenholzplatten blieben unbehandelt. Nur in den Nassbereichen hat man sich für raumhohe Fliesen entschieden. „Ein angenehmes und behagliches Wohn- und Arbeitsumfeld zu schaffen, ist unsere Philosophie. Gesundes Wohnklima, individuelle Nutzungsmöglichkeiten, Vielseitigkeit in Design und Konstruktion sind wesentliche Vorteile unserer Elemente“, heißt es vonseiten KLH-Massivholz.
KLH beliefert zahlreiche Projekte im Kommunalbau. Holz in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen sorgt im neuen Kindergarten in Augsburg dafür, dass trotz der durchwegs gleichen Holzart keine Monotonie und Langeweile aufkommen. Die Räume wirken spannend und abwechslungsreich und bieten viel Platz für kindliche Selbstentfaltung und offene Pädagogik. Zusätzlich haben die Architekten einfache und hochwertige Tische und Stühle aus Holz entworfen. Auf nachhaltige und lösungsmittelfreie Baustoffe wurde an allen Ecken und Enden viel Wert gelegt.

Effizient dank Holzpellets

Die Verantwortlichen des Stadthochbauamtes erwarten sich nun eine hervorragende Energiebilanz. Der Niedrigenergiestandard soll langfristig zum wirtschaftlichen Unterhalt des Kindergartens beitragen. Holzpellets bewerkstelligen die Versorgung mit Wärmeenergie. Dadurch sollen in den kommenden 20 Jahren über 200.000 € eingespart werden (im Vergleich zu den Kosten, die eine Ölheizung in diesem Zeitraum verursacht). Die Gebäudehülle entspricht der aktuellen Energieeinsparverordnung (EnEV). Der zukunftsweisende Neubau wurde deshalb auch für den BDA-Preis (Bund Deutscher Architekten) Bayern 2013 nominiert. Dieser wird bereits zum 22. Mal ausgelobt und zeichnet bemerkenswerte Werke zeitgenössischer Architektur und damit das erfolgreiche Zusammenwirken von Bauherren und Architekten aus.