Wanderer kennen das Zwiebelschalenprinzip: Mehrere Lagen Kleidung übereinander getragen ermöglichen eine gut dosierte Abstimmung auf wechselnde Witterungsbedingungen und körpereigene Wärmeproduktion. Am Hochschwab wird dieses Prinzip nun für den Bau einer Schutzhütte adaptiert.
Sicht frei auf das Hochschwabmassiv: Großzügige Verglasung sorgt für Weitblick und Wärme © Simulation: Solar4alpin
Bei Bedarf können die äußeren Zonen „dazugeschaltet” werden. Da der Besucherstrom mit dem Wetter korreliert, sind Tage mit großem Andrang meist auch Tage mit stärkerer Sonneneinstrahlung, das Gebäude wird passiv erwärmt. Wind als statische Herausforderung. Die Nutzfläche des Gebäudes beträgt 505 m², welche sich auf 3 Geschosse verteilen. So ist Platz für 70 Schlaf- und 160 Sitzplätze im Haus und auf der Terrasse. Im massiv gebauten Sockel ist die Haustechnik untergebracht. Dazu gehören eine biologische Kläranlage und ein Brauchwasser-Behälter für 34.000 l Regenwasser, das über das Dach aufgefangen wird.
Die Obergeschosse entstehen in Holzriegelbauweise. Die hohen Windgeschwindigkeiten und die zu erwartende Schneelast stellen große Anforderungen an die Statik. Die Kräfte werden von den Außenwänden und außerdem von 5 innen liegenden Achsen abgefangen, die im Obergeschoss als tragende Querwände ausgeführt sind. Um in der Gaststube ein offenes Raumkonzept zu verwirklichen, übernehmen Stahlrundrohre als Diagonalstreben die Funktion der Achsen.
Die Außenmauern bestehen aus einem konstruktiven Kern mit 24 cm TJI-Elementen und dazwischen liegender Wärmedämmung. Im Inneren sind OSB-Platten mit Dampfsperren und 3Schicht Platten angebracht. Außen schließen eine winddichte und dampfdurchlässige Folie sowie eine Lärchenschalung vor einer 3 cm starken Luftschicht die Gebäudehülle ab. Maximale Öffnung zur Landschaft. Die Stube im Untergeschoss ist nach Süden hin weitgehend verglast. Dies dient vor allem der passiven Energiegewinnung. Es entspricht zudem dem architektonischen Prinzip der maximalen Öffnung zur Landschaft, wobei sich die Ausrichtung nach Süden hin aus den Vorgaben des Standorts von selbst ergibt.
Die Fassade des Obergeschosses ist mit 68 m² Photovoltaik-Paneelen verschalt. Damit kann ein großer Teil des benötigten Stroms autark über Sonnenenergie erzeugt werden. Als Backup dient ein Generator, der mit Pflanzenöl betrieben wird.Per Hubschrauber zum Bauplatz. Die alpine Insellage mit ihrer meteorologisch bedingten kurzen Bausaison und den eingeschränkten Transportmöglichkeiten macht es notwendig, Bauteile in hohem Maß vorzufertigen und gleichzeitig deren Größe und Gewicht so zu bemessen, dass eine Anlieferung per Hubschrauber möglich ist.
Die Holzfertigteile dürfen 1500 kg wiegen, ihre Größe ist wegen der Windanfälligkeit beim Transport limitiert. Die Fertigstellung des Hauses ist für heuer geplant.Modellbau. Das Schiestlhaus soll als Modell für ein energie- und ressourcenbewusstes Bauen in Extremlagen fungieren, sowie als Experiment, aus dem Erkenntnisse über die Sanierungen alpiner Stützpunkte gezogen werden können. Gleichzeitig soll es den aktuellen Stand der Passivhaus-Technologie in exponierten Lagen dokumentieren.