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Klang-Porsche auf sechs Rädern: Bösendorfers Kreation im Porsche-Design gewann den Reddot Design Award 2004 © Spannlang

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Ein Artikel von Dipl.-Ing. Robert Spannlang | 13.10.2004 - 00:00
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Klang-Porsche auf sechs Rädern: Bösendorfers Kreation im Porsche-Design gewann den Reddot Design Award 2004 © Spannlang

„Der Bösendorfer-Flügel gehört ebenso zur österreichischen Identität wie die Mozartkugel oder die Lippizaner.” Manfred Aichinger, Geschäftsführer der traditionellen Wiener Klaviermanufaktur, tippt bedeutungsvoll auf den Edelholz-furnierten Schreibtisch in seinem Büro im Wiedner Bösendorfer-Haus, das seit über 100 Jahren die Unternehmens-Leitung beherbergt.
Vor eineinhalb Jahren hat der Ex-Vorstand der Steyrermühl Papierwerke den Platz an der Spitze von Bösendorfer eingenommen - nachdem die Eigentümerschaft des Unternehmens im Jänner 2002 nach 35 Jahren aus den USA wieder nach Österreich zurückkehrte (Sh. Beitrag „Wiener Klangkultur”, 25.10.2002 08:34:44 MEZ).
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Feinmechanik aus Holz und Metall: Bösendorfer-Hammerwerk, berühmt für den charakteristischen Anschlag © Spannlang

Keine rosigen Zeiten. „Die Zeiten im Instrumentenbau sind nicht rosig”, bestätigt Aichinger, dass man als Unternehmen mit 180 Mitarbeitern von Österreich-Klischees allein nicht leben kann. Aber das hat der erfahrene Manager auch nicht vor: Mit Designer-Serien wie dem im Vorjahr vorgestellten Porsche-Modell möchte Bösendorfer seine Stellung im Top-Segment verteidigen und mit dem 2000 präsentierten Konzertflügel Concert Grand 280 die Konzertsäle wieder erobern. Von weltweit 2000 Konzertflügeln der Spitzenklasse pro Jahr aus drei Manufakturen erzeugt Bösendorfer in seiner Produktionsstätte in Wr. Neustadt derzeit 450. Showroom in Peking. Eine Fernost-Offensive der Wiener könnte dazu beitragen, dass diese Zahl sich bald erhöht: Im Dezember wird Bösendorfer eine Repräsentanz in Peking eröffnen, Kooperationen mit dem Shanghai Conservatory und dem Oriental Art Centre Shanghai sollen den Zugang zu Chinas wachsender Oberschicht erschließen. Auch in Japan konnte man mit 60 Flügeln im vergangenen Jahr steigende Verkaufszahlen verbuchen. Der niedrige Dollar-Kurs bereitet derzeit bei USA-Verkäufen Probleme.
Ein von Aichinger gegründetes Entwickler-Team erprobt derzeit fünf Prototypen und verwertet Erkenntnisse, die im verdeckten Flügel-Vergleich unterschiedlicher Hersteller mit renommierten Pianisten gewonnen werden.
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Bösendorfer-Geschäftsführer Manfred Aichinger vor der Gallerie großer internationaler Pianisten, die Bösendorfer spielen © Spannlang

Handgefertigte Grand Dame. „Ein Bösendorfer ist nicht leicht zu spielen, er muss erobert werden”, versucht der Geschäftsführer das komplexe Wechselspiel zwischen Instrument und Interpret zu beschreiben.
90% der Fertigung sei noch immer Handarbeit, fügt er hinzu. Daraus ergibt sich ein eigenständiger Klang jedes Flügels - eine Individualität, die durch zahlreiche Furnier-Optionen noch unterstrichen wird. Großen Anteil am „besten Bass der Welt und dem unvergleichlichen Singen in den Höhen” habe die Kastenwand aus Fichten-Resonanz-Vollholz, bestätigt der spätberufene „Bösianer”, wie die oft bereits in Generationenfolge arbeitenden Betriebsangehörigen liebevoll genannt werden. Auch eine speziell Wiener Saitenaufhängung sorgt dafür, das ein Bösendorfer nicht kopiert werden kann.Inland-Produktion trotz Handarbeit. Nicht nur der Zugang zu qualitativer, in 2 Phasen getrockneter Hochgebirgsfichte wird dafür sorgen, dass die Fertigung im Land bleibt: „Die Produktion bleibt in Wr. Neustadt, sonst würde Bösendorfer seine Seele verlieren”, erweist sich Aichinger traditionsbewusst.
Bösendorfer-Facts
Gründung: 1828 durch Ignaz Bösendorfer
Produktion: 450 Flügel/J, 90 Pianinos/J
Mitarbeiter: 180
Exportanteil: 90%
Umsatz: 18 Mio. €/J