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Die Holzhybridbauweise macht besonders aus statischer Sicht Sinn - Prof. Wolfgang Winter kennt die Herausforderungen, die damit verbunden sind © Michael Reitberger

Die Chancen liegen im Verbund

Ein Artikel von DI Michael Reitberger | 01.09.2012 - 14:35
Beton, Glas und Stahlbeton sollen Hand in Hand mit dem Holzbau gehen. Aus dem Verbund der Werkstoffe eröffnen sich neue Gestaltungs- und Optimierungsmöglichkeiten. Wie bereits umgesetzte Hybridbauten in der Praxis ihre Stärken ausspielen, wurde von Vortragenden auf der Veranstaltung Holz-Hybridbau am 31. August auf dem Gelände der Internationalen Holzmesse Klagenfurt anhand mehrerer Beispiele vorgeführt.

The race is on – aber nur mit Hybrid

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Die Holzhybridbauweise macht besonders aus statischer Sicht Sinn - Prof. Wolfgang Winter kennt die Herausforderungen, die damit verbunden sind © Michael Reitberger

Das von Prof. Uwe Germerott des forum-holzbau, Biel/CH, moderierte Fachreferatsprogramm begann mit einer kurzen Einführung in die Holz-Hybridbauweise unter dem Titel „Herausforderungen und Grundlagen“. Prof. Wolfgang Winter von der TU Wien informierte, dass in Österreichs Hauptstadt jährlich rund 1,9 Mio. t Estrich und Beton verbaut werden, was er unter anderem auch damit begründete, dass Beton (80 €/m^3) im Vergleich zu Holz (200 €/m^3) schlichtweg sehr billig sei. Gleichzeitig sei Beton aber auch für 5-8 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Das „grüne“ Umdenken und der daraus resultierende Trend zum Holzbau sei derzeit aber, wie in der Branche bekannt, ungebrochen. Doch warum solle man – den Vorteilen des Bauens mit natürlichen und ökologischen Werkstoffen zum Trotz – Holz mit mineralischen und metallischen Baustoffen vermischen? „An der richtigen Stelle eine kleine Dosis“ könne dort, wo die technischen Eigenschaften von Holz, wie Druckfestigkeit und Kriechverhalten an ihre Grenzen stoßen, viel bewirken. Winter zeigte sich als großer Befürworter des Verbunds aus Holz und Glas. „Glas ist ein fantastisches Baumaterial. Holz ist optimal, um es zu begleiten.“ Bauphysikalisch begründete er seine Begeisterung an den Werten für die Wärmedehnung der Stoffe, die für beide gleich ist. Für Holz-Beton-Verbunde, wobei Holz Zugkräfte und Beton Druckkräfte aufnehmen, sieht er eine große Herausforderung darin, wirksame Verbindungselemente zu verwenden, um die Vorteile der Elemente hinreichend ausnutzen zu können. Winter erweckte unter der Hörerschaft den Eindruck, dass der Holzbau um die intensive Auseinandersetzung mit anderen Baustoffen nicht herum komme. „The race is on“ zitierte er abschließend kanadische Kollegen, welche in Vancouver den ersten 30-geschoßigen Holz-Hybridbau „noch“ in der Schublade haben. Mit einem derartigen Projekt, welches sich vom Architekt Michael Green laut Internetrecherche im finalen Planungsstadion befindet, könnten die Kanadier in punkto mehrgeschossiger Holzbau die weltweite Spitze übernehmen.

Von Verbindungen und Sanierungen

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Prof. Andreas Müller sieht große Potenziale des Holz-Beton-Verbunds - auch im Brückenbau © Michael Reitberger

„In Zürich werden pro Jahr 1800 Wohneinheiten im mehrgeschossigen Holzbau gebaut“, informierte Prof. Andreas Müller vom BFH Biel über die erfreuliche Entwicklung in Richtung nachhaltiger Bauwirtschaft. Der Schweizer konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die verschiedenen Verbindungsmittel, die in Holzhybridbauweisen zum Einsatz kommen. Im Besonderen sieht Müller im Brückenbau große Potenziale für den Holzhybridbau. Eine Reihe bereits umgesetzter Projekte bestätige deren Funktionstüchtigkeit. In Bezug auf Verbindungsmittel machte er den Anschein, als wäre die bestmögliche Lösung noch nicht gefunden. Formschlüssige Verbindungen hätten oftmals den Nachteil, Kräfte nicht optimal ableiten zu können. Bei mechanischen Verbindungen sei die Menge an Verbindungsmitteln und der Arbeitsaufwand zur Installation häufig noch zu hoch.Architektin Ingrid Domenig-Meisinger von Arch+More, Linz, teilte anhand ausgewählter Projektbeispiele ihre Erfahrungen zum Verbund aus Holz und Glas mit dem Publikum. Ihr Büro stellt sich klar auf die Seite des Bauens mit ökologischen Materialien. Unter anderem durch die konsequente Bevorzugung optimierter Komponenten und die Fokusausrichtung auf energieeffiziente Bauweisen konnte sich ihr Unternehmen bereits mehrere Architekturpreise verdienen. An einem Sanierungsvorhaben in der Linzer Markartstraße verdeutlichte Domenig_Meisinger den Einsatz von Holz-Glas-Verbundelementen als vorgehängtes Fassadenelement. Durch die Sanierung mit Isosolution-Elementen von Gapsolution, Leonding, konnte eine Reduktion des Heizwärmebedarfs von 179 kWh/m^2a auf 14,4 kWh/m^2a erreicht werden und erfüllt somit Passivhausstandard. Der Clou des Isosolution-Systems, das auf nahezu allen bestehenden Fassaden aufgebracht werden kann, liegt in einer Solarwabe aus Zellulose, das das durch die Glaswand eindringende Licht der flachstehenden Wintersonne aufnimmt. Die Strahlung erwärmt die Wabe und gleicht den Temperaturunterschied zwischen Außen- und Innenraum praktisch aus. Im Sommer verschattet sich das System durch den hohen Sonnenstand selbst, erklärte Domenig-Meisinger. Die bis dato sehr positiven Erfahrungen der Architektin und der Hausbewohner mit dieser Technologie führten zu einer weiteren Umsetzung in noch größerem Stil. Mit Baubeginn August wird im Mühlviertel ein Schulkomplex auf Nullenergiestatus saniert.
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Architektin Ingrid Domenig-Meisinger sieht die Zukunft des ökologischen Bauens im Holz-Glas-Verbund © Michael Reitberger

Holz muss in die Stadt

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Architekt Valentin Tschikos war maßgeblich am Projekt LCT One beteiligt - der achtgeschossige Holzbau wurde in nur acht Tagen aufgebaut © Michael Reitberger

Mit dem Life Cycle Tower hat es Rhomberg Bau, Bregenz, geschafft, die Thematik des mehrgeschossigen Holzbaus auch über die Fachpresse hinaus an die breite Öffentlichkeit zu tragen. Nach nur acht Tagen Bauzeit steht nun das achtgeschossige Vorzeigeprojekt LCT One in Dornbirn, Vorarlberg. Warum Holzbau überhaupt so hoch hinaus muss, erklärte Architekt Valentin Tschikos von Hermann Kaufmann Architekten, Schwarzach, in Klagenfurt mit dem Argument, dass „Holz in urbane Regionen muss“. Auch der LCT One ist als Holzhybridbau mit einem massiven Kern ausgeführt. Ziel des Projektes war, eine einfach aufzustellende, aber optisch ansprechende Konstruktion zu entwerfen, die überall schnell gebaut werden kann. Für Tschikos und seine Kollegen war dabei wichtig, Holz im Innern sichtbar zu belassen. Der Bau des LCT One zeigte, wie kompliziert die vorgefertigten Teile zu einem Haus „gefaltet“ werden können. Zuerst errichtete man den massiven Kern bis zur Hälfte der endgültigen Gebäudehöhe. Dann zog man die ersten vier Geschoße des Holzbaus hoch. Das gleiche Spiel vollzog sich für die restlichen vier Geschoße. Die Geschoßdecken bestehen aus BSH-Trägern mit darauf verbundenen 8 cm-dicken Betonscheiben. Zwischen den Trägern wurde die Gebäudetechnik eingebracht. Die Fassade des Holzturms setzt sich aus zementgebundenen Faserplatten, Glas und Aluminium zusammen.Nachdem das Konzept des Life Cycle Towers bereits schon in einem weiteren Projekt in Montafon umgesetzt wird, erhofft man sich, auch Großstädte damit zu erobern. Der großvolumige Holz-Hybridbau soll weltweit Anklang finden, wenn es nach den Befürwortern geht.