MASS TIMBER CONFERENCE

Häuser aus Papier

Ein Artikel von Raphael Kerschbaumer | 19.05.2022 - 15:25

Holz wird als Baustoff immer beliebter. Mit Europa an der Spitze eines globalen Trends werden immer mehr Gebäude mit nachwachsenden Rohstoffen realisiert. Doch muss es nicht immer massives Holz sein, das unter aufwendiger Bearbeitung seinen Weg in die Bauten der Welt findet – oft genügen auch Materialien, die auf den ersten Blick gar nicht wie Baustoffe erscheinen.

Kick-off mit Stararchitekt

Die heurige Mass Timber Conference (MTC) Mitte April in Portland im US-Bundesstaat Oregon startete mit einem Vortrag des japanischen Architekten Shigeru Ban als Keynote-Speaker. Geboren in Tokio, der größten Metropolregion der Welt, zog es Ban in den 1980er-Jahren in die USA an die Cooper Union School of Architecture, eine renommierte Architekturuniversität in New York.

Ban verstand bereits sehr früh in seiner Karriere, dass nachwachsende Rohstoffe einen zentralen Bestandteil in zukünftigen Gebäuden haben müssen. Für seine vielfältigen Projekte wurde der Universitätsprofessor mit unzähligen Ehrungen und Preisen ausgezeichnet. Darunter findet sich auch der Pritzker-Preis im Jahr 2014, welcher als weltweit renommierteste Auszeichnung für Architektur des Modernismus gilt.

(Nicht) für die Ewigkeit

Allgemeine Berühmtheit fand Ban wohl vor allem mit seinen Projekten und Bauten aus Kartonröhren, wie sie beispielsweise als Trägerrolle in der Papierindustrie zu finden sind. Mithilfe des ungewöhnlichen Baustoffs möchte Ban nicht zwingend Bauten realisieren, die Generationen überdauern. Vielmehr geben die Papierröhren dem Architekten die Möglichkeit, schnell und ohne großen baulichen Aufwand stabile, temporäre Bauten zu entwerfen.

„Architekten arbeiteten in der Vergangenheit mehrheitlich nicht für die Gesellschaft – Projekte waren den Menschen mit Reichtum und Einfluss vorbehalten. Mein Ansporn war es stets, Architektur für Personen zu entwerfen, die sie wirklich benötigen. Menschen, die beispielsweise nach verheerenden Umweltkatastrophen ihr Zuhause verloren haben“, erklärte Ban während seines Vortrags im Konferenzzentrum an der amerikanischen Westküste. Mittlerweile hat der japanische Architekt unzählige Bauten aus kleinen und großen Papierröhren realisiert, darunter auch temporäre Schulen und Wohnhäuser nach dem desaströsen Erdbeben in Sichuan/CN 2008. „Nach dem tragischen Unglück haben wir innerhalb von nur fünf Wochen 9000 m2 temporäre Wohnfläche geschaffen – alles mit Papierrollen“, erklärt Ban. Aktuell realisiert der Architekt auch temporäre Häuser und Gebäude für die Menschen in der Ukraine, die durch das Kriegsgeschehen ihr Zuhause verloren haben oder hinter sich lassen mussten.

Seine Projekte finden sich jedoch nicht nur an Orten, die von Naturkatastrophen heimgesucht wurden oder Kriegsschauplätzen dienten, sondern ebenso an den schönsten Adressen der globalen Metropolen, wie beispielsweise das Centre Pompidou im französischen Metz oder auch die berühmte Karton-Kathedrale in Christchurch/NZ.