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Teibinger, Mahdavi, Treberspurg und Hans Peter Schober (v. li.) © Mag. (FH) Hubert Burböck

Energiesparen zählt

Ein Artikel von Mag. (FH) Hubert Burböck | 02.04.2007 - 00:00
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Über 150 Teilnehmer konnte der Veranstalter am 8. und 9. März beim Fenster- und Fassadentag in Loipersdorf begrüssen © Mag. (FH) Hubert Burböck

"Die Kioto-Ziele werden sehr schwierig einzuhalten sein, war eine der Kernaussagen zum Thema Energiepolitik im Rahmen der Fenster- und Fassadentage, die im März von der Holzforschung Austria (HFA), Wien, in Loipersdorf veranstaltet wurden. „Was heute an Standards und neuen Richtlinien beschlossen wird, kommt erst in einigen Jahren zur Umsetzung”, entkräftete Mag. Klemens Leutgöb, Österreichische Energieagentur, Wien, Hoffnungen der über 150 Teilnehmer, dass die beschlossenen Energieziele rasch erreicht werden können.

Gesamt-Energieeffizienz als Ziel. „Das maßgebliche Ziel der EU-Gebäuderichtlinie ist eine Gesamt-Energieeffizenz”, berichtete Leutgöb. Dabei fließen in die Berechnung alle relevanten Parameter von der Belüftung bis hin zur Gebäudehülle ein. „Die neue Bauordnung hat größere Auswirkungen auf Nicht-Wohngebäude, die bisher nicht berücksichtigt wurden”, so der Energiespezialist.
Der einzuführende Energieausweis soll die Markttransparenz sicherstellen - wie dieser aussehen wird, ist noch offen. „Allgemein kann man sagen, dass die EU-Gebäuderichtlinie auf Schiene ist. Bisher hat aber noch kein EU-Land die zeitgerechte Umsetzung geschafft”, fasste Leutgöb zusammen.
„Das mehrseitige Dokument der EU ist durch die Umsetzung des Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) auf 400 Seiten angewachsen”, ergänzte DI Heinz J. Ferk, TU Graz, und unterstrich, dass diese auf bestehende und neue Gebäude Gültigkeit habe. „Energie-Effizienz muss mit Nutzung und Konstruktion einhergehen, sonst kann viel schief gehen”, warnte Ferk vor einseitigen Ansätzen. „Wirklich Energie sparend ist ein Gebäude erst dann, wenn die Energiebilanz über die Bestandesdauer stimmt”, ist Ferk überzeugt.

Preis ist nicht alles - Konzepte zu Ende denken. „Architekten muss man bei Bauprojekten fertig arbeiten lassen”, forderte Univ.-Prof. Arch. DI Dr. Martin Treberspurg, Universität für Bodenkultur, Wien. „Nur wird aus Kostengründen oft darauf verzichtet”, hielt der Architekt fest. Ausschreibungen nur nach Preis zu führen sei der falsche Weg. Laut Treberspurg wird sich das Passivhauskonzept - auch für Sanierungen - mit entsprechendem sommerlichen Hitzeschutz durchsetzen, weshalb er Produkten wie dem Passivhausfenster für die Zukunft gute Chancen einräumt.
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Teibinger, Mahdavi, Treberspurg und Hans Peter Schober (v. li.) © Mag. (FH) Hubert Burböck

Sanierung wird auf Branche ,hereinbrechen’. „Gerade im Fensterbereich werden bei Ausschreibungen viele Parameter nicht berücksichtigt”, weiß Robert Rosenfelder, Rosenfelder & Höfer, Graz. Das Problem bei der Gebäuderichtlinie sei, dass die Bewertung nach Gebäudeanforderungen und nicht nach dem Benutzerverhalten durchgeführt wird. „Sanierungen werden in Zukunft auf die Branche ,hereinbrechen’. Fensterhersteller sind gefordert, Konzepte und Lösungen für die positive Umsetzung der energetischen Optimierung zu entwickeln”, so der Bauingenieur.
„Bei der Berechnung des Gebäudepasses ist unbedingt auf die Einbaulage und die daraus resultierenden U-Werte zu achten”, gab Rosenfelder zu bedenken, dass sich die Glaseigenschaften je nach Einbaulage ändern.
Rosenfelder glaubt nicht, dass die Kapazität für die flächendeckende Einführung des Energieausweises in Österreich
existiert, zumal noch wenig Know-how vorhanden sei.

Bau gefordert, sich durchzusetzen. Einig waren sich die Spezialisten, dass das Baugewerbe „auf den Tisch hauen” müsse: „Es kann nicht sein, dass große Länder wie China mit einer Bauordnung auskommt und bei uns jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht”, verwies man auf die Harmonisierung der Bauordnung, der nun immerhin sieben Bundesländer außer Salzburg und Niederösterreich zugestimmt haben.
Dass Intelligenz in der Gebäudehülle nichts Neues ist, präsentierte Univ.-Prof. DI Dr. Ardeshir Mahdavi, TU Wien. Er verwies auf die so genannte dritte Haut bei alten Gebäuden und sieht die Zukunft in der Verknüpfung mit intelligenten Steuerungs-Systemen. Diese sollten dann etwa Lüftungen oder Beschattungen steuern.
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Ferk, Hartmuth, Schredder, Freundorfer und Rosenfelder (v. li.) © Mag. (FH) Hubert Burböck

Fensterbauer vernachlässigt Beratung und Wartung. „In Normen ist die periodische Wartung oder der Austausch von Heizkesseln angeführt - wir Fensterbauer haben das verabsäumt”, eröffnete Entwicklungsleiter DI (FH) Franz Freundorfer, Optiwin, Ebbs, sein Impulsreferat über Fenster als Heizung der Zukunft. „Der U-Wert des Fensters konnte in den vergangenen Jahren um den Faktor 8 verbessert werden”, veranschaulicht Freundorfer.
Freundorfer appellierte an die Branche mehr Beratertätigkeit wahrzunehmen und die Kunden über den richtigen Einbau der Fenster - vor allem hinsichtlich der Himmelsrichtungen - aufzuklären: „Bis heute kann der konventionelle Fenstermarkt nicht mit der notwendigen thermischen Verbesserung der Fensterrahmen aufwarten.”
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Fenster oder Fassade? Über die genaue Abgrenzung der Definition wird noch gerungen: Fassaden sind bereits CE-kennzeichnungspflichtig © Mag. (FH) Hubert Burböck

Fenster oder Fassade? Die Abgrenzung der Definitionen Fenster und Fassade, versuchte DI Thomas Anderl, HFA, herauszuarbeiten. „Alles innerhalb eines Geschosses ist ein Fenster - darüber sprechen wir von einer Fassade”, machte er auf den Unterschied aufmerksam. Viele Hersteller wüssten oft nicht, was aus ihren Produkten, die als Fenster die Produktion verlassen, auf der Baustelle gemacht wird. „Es passiert nicht selten, dass Fenster auf der Baustelle über die Geschossdecke hinausgehen”, unterstrich auch HTL-Ing. Klaus Peter Schober, HFA.
„Das ist insofern relevant, da Fassaden schon CE-zertifizierungspflichtig sind”, warnte er. Insgesamt fehle es an einheitlichen Richtlinien etwa für Verkäufer, die oftmals nicht über relevante Themen wie Windlasten nicht Bescheid wüssten, so Schober weiter.
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Angenehme Pflicht inmitten der steirischen Weinberge: Degustation beim Dinner mit jeweils passender Weinbegleitung © Mag. (FH) Hubert Burböck

Nanotechnologie (noch) kein Wundermittel. Dass mit den bestehenden Produkten mit Nanotechnologie bereits Verbesserungen von Oberflächen-Haltbarkeiten erzielt werden können, präsentierte HFA-Techniker Dr. Gerhard Grüll. Nach zwei Versuchsprojekten, sei man zuversichtlich, dass die Technologie in Zukunft das Potenzial habe sich durchzusetzen.
„Nanoprodukte ohne zusätzliche Schutzfunktionen können nicht bestehen”, weiß der Techniker. Gute Ansätze konnte man durch den Abperleffekt an Oberflächen feststellen, stellte Grüll fest.
Ebenfalls zuversichtlich ist man bei selbstreinigenden Oberflächen durch die Hydrophobierung, was bisher aber nur für Glasoberflächen funktioniere. „Die Ansätze sind vielversprechend - aber wir haben noch viel Entwicklungsbedarf”, fasste Grüll zusammen.
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Schober mit patentiertem Holz-Glas-Verbund-Element © Mag. (FH) Hubert Burböck

Kleben als Schlüsseltechnologie der Zukunft. „Strukturelles Kleben hat am Bau noch Potenzial”, gab sich Dr. Ing. Christian Lammel, IFF, Ismaning/DE, überzeugt. „Die signifikanten Zuwächse kommen vor allem aus dem Metall verarbeitenden Gewerbe - aber immer mehr Branchen entdecken die Vorteile von Klebeverbindungen”, führte er aus.
Als Benchmark werde vor allem die Automobilindustrie verwendet, wo Verklebungen hinsichtlich leichter Bauweisen schon zum Standard gehören.
Für den Bau prognostizierte Lammel Vorteile bei Einsatz von Klebetechnologien durch die
Möglichkeit der Konstruktion mit größeren Bauelementen. „Bei der Klebung maximiert man die Fläche, wodurch die Klebefestigkeit zunimmt. Nicht zu vernachlässigen ist auch der durch Klebstoffe mögliche Bewegungsausgleich bei Temperaturwechsel”, hielt der Techniker fest.

Nicht Klebstoffe sondern Klebe-Systeme. „Die Akzeptanz der Klebetechnik steigt dort, wo das Verarbeiten schnell, einfach und sicher vor sich geht und die Klebung über eine sofortige Anfangsfestigkeit verfügt. Deshalb müssen wir uns nicht mit Klebstoffen, sondern mit Klebe-Systemen auseinander setzen”, erläuterte er, was in der Podiumsdiskussion die Vertreter unterschiedlicher Hersteller bestätigten.
„Kleben hat Zukunft, nur muss die Ausbildung dahingehend forciert werden”, verglich Lammel etwa mit dem Erfolg der Schweißtechnologie.