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Brettsperrholz begeistert global: Von Österreich bis nach Uganda sind knapp 30 Nationen in Portland vertreten © Raphael Kerschbaumer

Mass Timber Conference

BSP: großes Potenzial in Nordamerika

Ein Artikel von Raphael Kerschbaumer | 21.04.2022 - 08:01

Mehr als 2100 Besucher bedeuteten einen neuen Teilnehmerrekord auf der 7. International Mass Timber Conference an der amerikanischen Westküste im US-Bundesstaat Oregon. Die Fokusthemen waren dabei weit gestreut. Von nachhaltiger Waldbewirtschaftung und Holzzertifizierung über die aktuelle Marktsituation in den Vereinigten Staaten bis hin zu technischen Weiterentwicklungen oder den in den USA omnipräsenten Problemen am Arbeitsmarkt – in mehr als 70 Fachvorträgen von Branchenexperten wurden von 12. bis 14. April jegliche Themen rund um BSP und BSH adressiert.

Dem Himmel entgegen

Unter ‚Tall Timber‘ werden Massivholzbauten verstanden, die eine Schwelle von zumindest sieben Stockwerken überschreiten. Stand Februar 2022 sind diesem Segment global 139 Projekte zuzurechnen. Rund die Hälfte davon konnte bereits realisiert werden – der Rest befindet sich entweder in fortgeschrittener Planungs- oder bereits in der Bauphase. Weltweit lassen sich hier deutliche Unterschiede feststellen: Mit 71 % der Projekte auf europäischem Boden ist das Zugpferd der globalen Massivholzbranche jedoch schnell ausfindig gemacht.

Die USA wollen weiter nachziehen. Durch eine Anpassung aller relevanten Baurichtlinien im vergangenen Jahr ermöglicht zumindest der rechtliche Rahmen, den nächsten Schritt zu gehen. Speziell in diesem Kontext brauche es aber „wichtige Initiativen und gezielte Förderprogramme“, denn viele amerikanische Bundesstaaten hinken in dieser Sache noch deutlich nach. „Es bringt nichts, wenn wir weiter überlegen, wie wir die nächste Code-Novelle zugunsten des Massivholzbaus verändern können, wenn viele Staaten noch nicht einmal die Anpassungen aus 2021 übernommen haben“, heißt es aus den Vorträgen.

Luft nach oben

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Mehrere Hundert Besucher verfolgten die Vorträge der Keynote-Speaker im Oregon Convention Center © Raphael Kerschbaumer

Nur rund 0,4 % des produzierten Schnittholzes gehen in die Werke der BSP- und BSH-Produzenten. Zusätzlich hinkt die Produktivität Nordamerikas im Vergleich zu europäischen Produzenten deutlich nach. Nur knapp 60 % der installierten Maschinenkapazitäten werden in den USA und Kanada auch tatsächlich genutzt – ein Prozentwert, der enorm viel Optimierungsspielraum zulässt.

Ungenutzte Potenziale lassen sich auch auf den Immobilienentwicklungssektor umlegen. Laut Bill Parson, WoodWorks Vice Präsident, hätten sich in den USA im vergangenen Jahr rund 17.000 Bauprojekte mit Massivholz anstatt mit Stahlbeton realisieren lassen. Neben dem Wohnbausektor, dem Zugpferd der amerikanischen Bauindustrie, sieht Parson vor allem Potenziale im Bau von Bürokomplexen: „Obwohl COVID hier stark auf die Bremse gedrückt hat, kehren die Menschen langsam wieder in ihre Büros zurück. Noch lieber jedoch in Umgebungen, die einen gewissen Wohlfühlcharakter mit sich bringen – Holz erfüllt diese Anforderungen.“

Faktor Holzpreise

„Aktuell haben wir im Massivholzbau drei Themen: Schnittholzproduktion, Produktionskapazität und der Einfluss der Schnittholzpreise auf die fertige Platte“, eröffnet Roy Anderson, Vice President der Beck Consulting-Gruppe, seinen Vortrag. Letztere haben laut dem Branchenexperten auf ihrem Höchststand bis zu 80 % der gesamten Produktionskosten einer BSP-Platte ausgemacht. Speziell die amerikanische Produzentenstruktur, meist ohne vorgelagertes Sägewerk, ist hier klar ein Nachteil. Fragt man die Produzenten, so hört man zumeist, dass die hohe Nachfrage es noch ermögliche, die steigenden Rohstoffkosten an die Endkunden durchzureichen.

Trotz seit Anfang April sinkender Schnittholzpreise dürfte eine gewisse Marktvolatilität erhalten bleiben. An einen Preissturz bis auf Vorpandemieniveau glaubt man in Branchenkreisen aber nicht.

Mehr Kapazität für BSP

Die Zahl der BSP- und BSH-Produzenten steigt in Nordamerika jährlich an. 16 Unternehmen haben gemeinsam eine Kapazität von rund 520.000 m³/J. Spannend in diesem Zusammenhang: Im Bereich der erwähnten geplanten Projekte für die nächsten Jahre fiel während Andersons Präsentation auch zwei Mal der Name eines österreichischen Unternehmens mit Sitz in Tirol: „Nachdem Binderholz bereits zwei Sägewerke gekauft hat, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sie auch in den USA damit beginnen, BSP und BSH zu produzieren.“

Süden auf der Überholspur

Die Wohnbauaktivität und die Schnittholzproduktion sind in den USA eng miteinander verwoben. 2005 gipfelte die gemeinsame amerikanische und kanadische Schnittholzproduktion bei über 82,2 Mrd. bft/J (knapp 132 Mio. m³ 2-by-4-Äquivalent). Nach der großen Wirtschaftskrise brach die Produktion 2009 um beinahe die Hälfte auf nur mehr 42,2 Mrd. bft/J (rund 65 Mio. m³/J 2-by-4-Äquivalent) ein. Gleichzeitig ist auch der Immobiliensektor volumsmäßig auf fast ein Viertel seines Höchstwertes aus 2005 eingebrochen. Während im US-Westen die Schnittholzproduktion bereits seit Jahren stagniert und in Westkanada sogar rückläufig ist, steigt die produzierte Schnittholzmenge im Süden des Landes Jahr für Jahr stark an. Seit dem Tiefststand 2009 wurden die Kapazitäten im Süden stetig ausgebaut.
Mit 21,1 Mrd. bft/J (knapp 34 Mio. m³/J 2-by-4-Äquivalent) ist die Region mittlerweile das wichtigste Versorgungsgebiet des Landes. Die Gründe dafür liegen vor allem in den Besitzverhältnissen sowie der lokal vorkommenden Hauptholzart und der Bewirtschaftungsweise. Nach Jahren, die von großen Kalamitäten und anderen Schadereignissen geprägt waren, sowie erschwerten Erntebedingungen brauchen die Wälder Nordwestamerikas „noch immer Zeit, um sich wieder zu erholen“, erklärt Anderson. Die Probleme dieser Regionen kennt man im US-Süden nicht. Hier ist die forstwirtschaftliche Landschaft geprägt von der schnellwüchsigen Southern Yellow Pine (Sumpfkiefer). In den meisten Fällen findet das Plantagenholz bereits nach rund 25 Jahren seinen Weg in ein Sägewerk und treibt damit die Produktionsmenge in den Südstaaten konsequent nach oben. Viele Erzeuger erkennen bereits diesen Trend und beginnen in die südlichen Regionen zu expandieren (siehe Seiten 24-25). „In der Holzindustrie muss man stets dem Weg des Rohstoffs folgen“, hört man aus Produzentenkreisen.

Krise am US-Arbeitsmarkt

Aufgrund der demografischen Zusammensetzung der amerikanischen Bevölkerung dürfte in den kommenden fünf bis zehn Jahren der Bauboom weiter anhalten. Die Pandemie löste einen zusätzlichen Rückstau aus.

Die Produzentenseite möchte darauf reagieren, bekommt in meisten Fällen aber gar nicht oder nur sehr schwer genügend Personal. Dieses Problem betrifft jedoch nicht nur die amerikanische Holzbranche. Beinahe jeder Wirtschaftsbereich ringt um zusätzliche Mitarbeiter – „We are hiring“-Schilder prägen die Landschaft.

Aktuell fehlen aufgrund einer kombinierten Kündigungs- und Pensionierungswelle dem amerikanischen Arbeitsmarkt mehrere Millionen Arbeiter.

Interesse steigt kontinuierlich

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Die Messeteilnehmer waren sichtlich darüber erfreut, sich wieder außerhalb einer virtuellen Umgebung treffen zu können © Raphael Kerschbaumer

„Wir werden mit diesen Problemen in Zukunft fertigwerden“, hört man aus den Vorträgen. Der Druck von der Nachfrageseite im Land wird stetig höher. Massivholzprodukte sind ein Markt, der vor fünf Jahren praktisch noch nicht existierte.

Folglich wollen nicht nur die Produzenten der Massivholzelemente ihre Kapazitäten weiter erhöhen, sondern auch die Sägeindustrie will ihren Einschnitt (mehr als 5 Mrd. bft/J / rund 8 Mio. m³/J 2-by-4-Äquivalent allein im US-Süden) steigern.

„Der Andrang im Vorfeld war groß. Wir erleben von Jahr zu Jahr einen Zuwachs von mehr als 30 % sowohl bei den Besuchern als auch Ausstellern“, erklärt Messeorganisator Tom Waddell im Holzkurier-Gespräch. Man spürt den Willen der Branchenakteure, eine Veränderung im Land weiter voranzutreiben. „Die Begeisterung für den Baustoff Holz ist ungebrochen. Das merken wir auch als Verantwortliche des Organisationsteans. Von 2019 auf 2021 stieg die Zahl der Aussteller von 72 auf 135. Wir sind optimistisch, im nächsten Jahr die 200-Marke zu knacken“, freut sich Waddell.