1105974578.jpg

Zivilingenieur DI Eberhard Nossek © DI Martin Heidelbauer

Marktnahe Bewertung

Ein Artikel von DI Martin Heidelbauer | 16.01.2005 - 00:00
1105974486.jpg

Zivilingenieur DI Gerhard Josef Maier © DI Martin Heidelbauer


Die Diskrepanz zwischen Wert und Preis, neue Lösungsansätze bei der forstlichen Verkehrswertermittlung, der gespaltene Bodenpreis und die außerökonomischen Kaufmotive wurden während der stark besuchten Ziviltechniker-Tagung am 13. und 14. Jänner in Klosterneuburg erörtert.
Eine unzureichende Berücksichtigung von ausschließlich gewinnorientierten Käufer- und Investorinteressen in den klassischen Bewertungsmethoden von Forstbetrieben (Vergleichs-, Sach- und Ertragswertverfahren) bemängelte Zivilingenieur DI Gerhard Josef Maier, Oberfucha. Auch das Liegenschaftsbewertungsgesetz fordert Marktanpassungszu- oder -abschläge, wenn das tatsächliche Marktgeschehen nicht vollständig abgebildet wird. Falscher Zinssatz für Ertragswert. Das Vergleichswertverfahren ist nur für Betriebe, die mittel- oder langfristig keine nennenswerten Erträge abwerfen (sehr stark übernutzte Wälder, Schutzwald außer Ertrag), geeignet. Üblicherweise wird aus der Gewichtung von Sachwert (Zerschlagungswert von Grund und Boden) und Ertragswert (kapitalisierter Erfolg aus betrieblicher Tätigkeit) der marktrelevante Verkehrswert abgeleitet. Erfahrungsgemäß liegt der Sachwert eines Forstbetriebes deutlich über und der Ertragswert weit unter dessen Verkehrswert.
So kann der Sachwert das 5- bis 12-fache des Ertragswertes ausmachen. Durch die gegebenen geringen Verzinsungsaussichten ist praktisch kein Investor bereit, eine größere forstliche Liegenschaft um den Sachwert zu erwerben. Die extrem niedrigen Rechenergebnisse des Ertragswertverfahrens sind vor allem auf eine falsche Wahl des Kapitalisierungszinssatzes zurückzuführen, so Maier. Während sich forstlich investiertes Kapital tatsächlich mit 0,5 bis 1% verzinst, wird üblicherweise mit einen Zinssatz von 2,5 bis 3,5% bewertet. Problematisch ist auch die Gewichtung von Ertrags- und Sachwert, da meist aufgrund fehlender lokaler Vergleichsdaten nicht begründbare Ansätze genommen werden müssen. Marktrelevantes Barwertverfahren. Als alternative Be-wertungsmethode, welche dem Stand der Wissenschaft entspricht und ein profitausgerichtetes Investordenken unterstellt, nennt Maier das Barwertverfahren. Man kann sich damit gut dem Verkehrswert annähern. Das Hauptaugenmerk dieser Methode liegt auf der Ermittlung der Reinerträge in den nächsten 10 bis 15 Jahren, der Verkaufspreis-Bestimmung der Immobilie nach diesem Zeitraum sowie der Ableitung des Kapitalisierungs-Zinssatzes. Ein Investor wird zunächst versuchen Kapitalrückflüsse aus der getätigten Investition zu erzielen. Übernutzung durch Investoren. Das Marktgeschehen der vergangenen Jahre zeigt, dass Käufer kurzfristig die Holzvorräte auf 30% unter dem Normalvorrat absenken. Weiters sind Verkäufe von nicht betriebsnotwendigen Immobilien (Forsthäuser, Baugründe) und stille Reserven (Schotternutzung) zu berücksichtigen. Allerdings müssen die unterstellten Ertragserwartungen gesichert sein und dürfen keine spekulativen Annahmen darstellen.
Vielen Investoren gehen davon aus, dass sie für einen stark übernutzten Wald, aufgrund außerwirtschaftlicher Gründe (Jagd, landschaftlich schöne Lage) trotzdem einen gewissen Betrag bekommen. Als Liegenschaftszinsfuß empfiehlt Maier die inflationsbereinigte Rendite festverzinslicher Wertpapiere unter Beachtung der Besonderheiten der Realinvestition.
Die Vorteile des Barwertverfahrens betreffen, die realistische Abbildung der vorhandenen Marktmechanismen und zukünftigen Entwicklungen in überschaubaren Zeiträumen (10 bis 15 Jahren). Außerdem ist keine Gewichtung sehr unterschiedlicher Wertergebnisse (Sach-/Ertragswert) notwendig.
1105974578.jpg

Zivilingenieur DI Eberhard Nossek © DI Martin Heidelbauer

Gespaltener Bodenpreis. Über das Phänomen des „gespaltenen Bodenpreises“ berichtete Univ.-Doz. DI Dr. Karl Bochsbichler, Universität für Bodenkultur, Wien. Dieser entsteht, wenn bei land- und forstwirtschaftlichen Grundeinlösen im öffentlichen Interesse regelmäßig mehr bezahlt wird als der ortsübliche Preis. Hauptbetroffene sind meist Infrastrukturerrichter, da sie für die notwendigen Grundstücke mitunter den bis zu 4-fachen Verkehrswert zahlen müssen.
Aufgrund der spezifischen Grundbeanspruchung für Schiene und Straße ergeben sich relativ hohe Entschädigungen für Restwertminderungen. Weiters werden Haupt- und Nebenersatzleistungen zur Gesamtentschädigung addiert. Die primäre Ursache für den gespaltenen Bodenpreis ist die politisch motivierte tunliche Vermeidung der Enteignung, so Bochsbichler. Dadurch werden die Errichter erpressbar und die Grundeigentümer zu überhöhten Forderungen ermutigt. Häufig sind Gemeinden mit Sonderinteressen (Zufahrts-, Umfahrungsstraße) dazu bereit, eine Aufzahlung auf den ermittelten Verkehrswerts zu leisten. Der neue Einlösepreis kann nun in Zukunft nie unterschritten werden. Als Ausweg wäre die Erstellung zweier Gutachten mit Verkehrswert und Einlösepreis möglich, so Bochsbichler. Das Gericht müsste dann entscheiden, welche Entschädigung erfolgt. Nichtproduktionswirtschaftliche Wertschätzung. Die Existenz der nichtproduktionswirtschaftlichen Wertschätzung zeigt sich besonders deutlich bei Realitätenverkäufen, so DI Dr. Paul Ronay-Matschnig. Der Käufer ist bereit, für den außerökonomischen Nutzen (Berufsfreude, Jagd, Ansehen, Landschaftserlebnis) einen beträchtlichen Geldbetrag über den reinen wirtschaftlichen Ertragswert hinaus zu bezahlen.
Soziologisch bedeutet der Grundbesitz für viele Menschen etwas Nobles und Aristokratisches, so a.o. Univ.-Prof. Dr. Roland Girtler, Universität Wien. Man will sich von den Besitzlosen abheben. Neuer Bewertungskatatlog Ende 2005. An einer umfassende Überarbeitung des Bewertungskataloges wird gearbeitet, so Zivilingenieur DI Eberhard Nossek, Hollabrunn. Im Oktober möchte man die Endredaktion mit 20 bis 30 Experten erstellen. Danach sollen die Bewertungsgrundsätze entsprechend dem Erkenntnisstand laufend aktualisiert werden.