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Kritik an der Energiepolitik der EU und der deutschen Bundesregierung übte Bernd Rettig, Präsident des Verbandes Deutscher Papierfabriken © Forstassessor Peter Liptay

Papiertiger zeigt Zähne

Ein Artikel von Forstassessor Peter Liptay | 29.09.2008 - 16:50
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Kritik an der Energiepolitik der EU und der deutschen Bundesregierung übte Bernd Rettig, Präsident des Verbandes Deutscher Papierfabriken © Forstassessor Peter Liptay

Man muss sein Leben aus dem Holz schnitzen, das einem zur Verfügung steht”, machte Bernd Rettig, Präsident des Verbandes Deutscher Papierfabriken und Senior Executive Vice President bei Stora Enso, Düsseldorf/DE, anhand eines Sprichwortes auf die Herausforderungen für die Papierindustrie aufmerksam. Diese sieht sich bei der Holzversorgung mit großen Problemen konfrontiert.

Rettig kritisierte den zunehmenden Holzverbrauch für die energetische Nutzung: „Das meiste Holz wird in Deutschland verbrannt.” Mit 40 Mio. fm/J habe die Verwendung von Holz als Energieträger sogar den Holzverbrauch der Sägeindustrie überholt. „Es gibt einen Wettlauf um den Rohstoff”, sagte Rettig.

Verfehlte Energiepolitik

Schuld an der Konkurrenz um den Rohstoff sei die Politik. „Die Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel sind am Holzweg. Die Holzverbrennung ist ein Irrweg”, fand Rettig deutliche Worte. Bis 2020 will die EU 20 % ihres Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien decken. Sofern dabei Biomasse eingesetzt werde, handele es sich zu 80 % um Holz, so Rettig.

Dass Österreich ähnlich ehrgeizige Ziele für den Einsatz von Biomasse als Energie verfolge, und dazu viel Holz aus Deutschland importiere, verschärfe den Rohstoffmangel in Deutschland. Dabei habe die energetische Holznutzung eine geringe Wertschöpfung und Beschäftigungswirkung und führe zu Verlusten der Holzwirtschaft. Es sei sinnvoller, Holzfasern bei der Papierproduktion mehrmals, als bei der Verbrennung nur einmal zu nutzen.

Rettig verwies auf eine McKinsey-Studie, nach der für 2020 eine Versorgungslücke von 200 bis 260 Mio. fm/J in Europa erwartet wird, bereits 2012 soll es zu Engpässen kommen. „Mit einer Produktion von 23 Mio. t Papier, Karton und Pappe belegt die deutsche Papierindustrie Platz 1 in Europa und steht weltweit an Platz Nummer 4”, unterstrich Rettig. Die wirtschaftliche Lage der Branche sei aber von Stagnation geprägt. Nur 0,5 % des Umsatzes machte das Ergebnis der Branche 2007 aus. Heuer sei eine Verschlechterung zu erwarten. Der Anstieg der Energie- und Rohstoffpreise ziehe die Insolvenz von Unternehmen nach sich. Der Strompreis sei seit 2000 um 120 % gestiegen. Diese Kosten konnten nicht an die Verbraucher weitergegeben werden.

Ohne Holz kein Papier

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Steigerungspotenziale der Holzproduktion beschrieb Heinz Röhle auf der Forsttagung in Freiburg © Forstassessor Peter Liptay

Mit 10,6 Mio. fm/J beträgt der Rohstoffanteil von Holz bei der Papierproduktion 23 %. „Ungeachtet des hohen Altpapiereinsatzes wächst der Holzbedarf”, informierte Rettig. Er appellierte an die Politik, auf die Subvention der energetischen Nutzung von Holz über die Energiepreise zu verzichten, bestehende Holzreserven zu mobilisieren und ein separates Sortiment Energieholz zu schaffen.

Die CO2-Speicherung müsse nicht nur in stehendem Holz, sondern auch in Holzprodukten als Maßnahmen für den Klimaschutz anerkannt werden. Ferner sollten keine weiteren Waldflächen mehr zugunsten des Naturschutzes aus der Nutzung genommen werden. Falls die Rohstoffprobleme nicht gelöst werden könnten, sei die Branche gezwungen, mehr Altpapier einzusetzen.

Univ.-Prof. Dr. Heinz Röhle von der TU Dresden bestätigte in seinem Vortrag, dass der erhöhte Brennholzbedarf zur Energiegewinnung für die Holzindustrie zu einem verschärften Wettbewerb um den Rohstoff Holz führe. Die Preise für Industrieholz seien durch die Holzverknappung 2006 um 50 % gestiegen. Die Erschließung neuer Produktlinien bei der Be- und Verarbeitung von Holzwerkstoffen und die Erzeugung von Treibstoffen aus Biomasse erhöhten die Nachfrage nach Holz. Innerhalb der EU sei seit 2001 ein deutlicher Anstieg beim Holzeinschlag auf 380 Mio. fm/J festzustellen. Röhle schlug die Mobilisierung, die Anlage von Kurzumtriebsplantagen und waldbauliche Konzepte als kurz-, mittel- und langfristige Lösungswege zur Deckung des steigenden Bedarfs vor.

Produktion kann gesteigert werden

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Max Reger, Landesforstpräsident von Baden-Württemberg, kündigte eine Verdopplung des Biomasse-Anteils am Primärenergieverbrauch an © Forstassessor Peter Liptay

Es sei möglich, die Waldbesitzer zum Einschlag zu bewegen, ohne die Nachhaltigkeit zu gefährden, sagte Röhle. „Energiewälder zeichnen sich durch enorme Wuchsdynamik aus”, erklärte er. Pappelplantagen in den USA erzielten - gedüngt und bewässert - Zuwächse von über 20 t/ha/J. Dabei gebe es sogar Möglichkeiten, das großporige, leichte Holz als verdichtetes Rundholz zu Kons-truktionszwecken zu nutzen.

Bei den Ernteverfahren gebe es noch Verbesserungsbedarf, sagte er. Es müssten Mähhäcksler entwickelt werden, die in der Lage seien, Holz > 7 cm BHD zu ernten. Als waldbauliche Maßnahme schlug Röhle vor, schnellwüchsige Baumarten femel- oder streifenförmig in den Hochwald einzubringen, um den Wuchsraum effektiver auszunutzen. Sturmereignisse böten Gelegenheit, schnellwachsende Baumarten als Vorwald oder Außensaum anzubauen. „Bäume, die effizient mit Wasser umgehen, sind im Vorteil”, sagte Röhle. Als Beispiel nannte er die Douglasie, die zur Produktion von 1 g Trockensubstanz 30 % weniger Wasser verbrauche als Fichte.

Landesforstpräsident Max Reger kündigte an, den Anteil der Biomasse aus Land- und Forstwirtschaft am Primärenergieverbrauch in Baden-Württemberg von derzeit 5 auf 10 % auszubauen. „Wir wollen Kurzumtriebsplantagen zum Durchbruch verhelfen”, sagte er. Gründlichkeit vor Schnelligkeit müsse der Grundsatz bei weiteren Forschungen sein, um Entscheidungshilfen zu gewinnen.