Forstökonomische Tagung 2021

Zuwachs & Hyperkalamität

Ein Artikel von Philipp Matzku | 11.12.2021 - 07:43
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Die Forstökonomische Tagung 20121 fand reges Publikumsinteresse
© LFBÖ

In den vergangenen sechs bis acht Jahren sind in dem 2800 ha großen Privatforstbetrieb der Guts- und Forstverwaltung Horn ganze Reviere mit mehrheitlich Fichtenbeständen gänzlich ausgefallen. Seit 1990 kam es in der Region zu einem Anstieg der Jahresmitteltemperatur von 2° C mit heißen Sommern und konstant niedrigem Niederschlag.

„Nicht der Borkenkäfer ist der Auslöser der Katastrophe, sondern der Temperaturanstieg. Während einer halben Umtriebszeit entwickelten sich die Wuchsbedingungen von moderat zu intolerabel“, betont Forstmeister Stefan Wukowitsch.

„Scio nescio“

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Hyperkalamität: Eine Wortkreation von Stefan Wukowitsch, Guts- und Forstverwaltung Horn © LFBÖ

„Die Fichte ist nur mehr in der 1. und 2. Altersklasse vorhanden, alles andere ist weg.“ Wukowitsch spricht in dem Zusammenhang von „ruinöser und flächendeckender Hyperkalamität“. Zwei von vier Revieren hätten sich innerhalb von sechs Jahren von Profit- zu Kostencentern entwickelt. „Bei Marktpreisen von 2019 und 2020 und ohne Subventionen wie dem Waldfonds sind wir für Generationen ein Zuschussbetrieb“, bekräftigt der Forstmeister.

Mithilfe eines „Blumenstraußes an Baumarten“ soll die Umwandlung in einen Laubmischwaldbetrieb erfolgen. Scio nescio („Ich weiß, dass ich nichts weiß“) ist der Leitsatz von Wukowitsch, wenn es um die Auswahl der 26 zu pflanzenden Baumarten geht. Neben Eiche, Hainbuche, Linde sind das auch Roteiche und Douglasie. Zwei Fragen sollten beantwortet werden: Wo auf der Welt gab es in der Vergangenheit Klimate, die unserem zukünftigen Klima ähnlich sind, und welche forstwirtschaftlich interessanten Baumarten wachsen dort? In Europa ist das der Ost- wie Westbalkan, der Kaukasus sowie in Nordamerika die Region rund um die Großen Seen.

„Wir wollen möglichst eigenes Saatgut verwenden. Der Umtrieb von Eiche muss auf guten Böden in 100 Jahren möglich sein“, erklärt Wukowitsch. In Mischbeständen kann es zu einer Reduktion des Nadelholzanteils von 75 % sowie einer Mischwuchsregulierung zugunsten der Kiefern und Birken kommen. Der Rehwildabschuss soll bei mindestens 15 Stück/100 ha liegen. „Alle diese Maßnahmen wären vor fünf Jahren noch ein Kündigungsgrund gewesen“, erzählt Wukowitsch lächelnd.

Zuwachs und Wiederbewaldung

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Referenten und Moderatoren: Putzgruber, Rothleitner, Motecuccoli, Knoke, Schüler, Wukowitsch, Sekot, von Blomberg, Findeis  (v. li.) © LFBÖ

„Die Fichte wird immer die Brotbaumart bleiben und mit die höchsten Deckungsbeiträge erzielen. Selbst in Laubholzbetrieben mit rund einem Drittel Fichtenfläche macht diese 60 % des Umsatzes aus“, erklärt Dr. Moritz Blomberg, Geschäftsführer bei BB Göttingen. Die Unternehmensberatung führt seit 25 Jahren den größten privaten Forstbetriebsvergleich in Deutschland (70 Betriebe, 90.000 ha) durch. „Bei einer Gewinnerwartung von 150 €/ha hatte ein Forstbetrieb bisher Kosten von 5 bis 7 €/fm/ha. Seit 2018 liegen wir zwischen 25 und 70 €/fm/ha. Der Einschlag hat sich seit 2017 in einem Fichtenbetrieb (mindestens 50 % Fichte) und einem Laubholzbetrieb (maximal 30 % Nadelholz) von rund 6 fm/ha auf 35 fm/ha bei dem Fichten- und 15 fm/ha bei dem Laubholzbetrieb erhöht. Von Blomberg plädiert für eine Verringerung der Umtriebszeiten und eine Konzentration des Zuwachses auf wenige, gute Stämme. Alte, hochbestockte Bestände bedeuten viel gebundenes Kapital über lange Zeiträume und ein zu hohes betriebliches Risiko aufgrund der hohen Umwelt- und Marktrisiken. „Wir leben vom Zuwachs, nicht vom Vorrat“, betont der Unternehmensberater. „Ohne einen gewissen Mindestvorrat haben wir auch keinen Zuwachs“, ergänzt Thomas Knoke, Professor für Waldinventur und nachhaltige Nutzung, TU-München. Der Fokus vieler Betriebe wird in den nächsten Jahrzehnten auf der Wiederbewaldung und Bestandspflege liegen. Erträge aus dem Holzverkauf gehen, auch aufgrund des geringeren Einschlages, zurück. „Ein 1000 ha Betrieb ohne weitere Geschäftsfelder stellt für die nachfolgenden Generationen keinen auskömmlichen Arbeitsplatz dar, das fängt erst ab 2000 ha an“, betont von Blomberg. Er plädiert zur Auslastung des Managementpersonals bei der Betriebsverwaltung für Kooperationen und Dienstleistungen für Dritte.

Artenreich, stabil, klimafit

Rund 1,4 Mio. fm (81 %) der gesamten Holzerntemenge (1,7 Mio. fm) der Österreichischen Bundesforste (ÖBf) waren 2020 Schadholz. Der Normalfall sind 500.000 fm/J. 1,4 Millionen Pflanzen wurden heuer gepflanzt. „Wir rechnen mit einem Wert der Naturverjüngung, inklusive Pflanzungs- und Pflegekosten von 8.748 €/ha. Bei einer Endnutzungsmenge von 400 fm/ha sind das 21,87 €/fm“, rechnet Dr. Norbert Putzgruber, Leiter Wald-­Naturraum-Nachhaltigkeit ÖBf, vor. Bei einer 1 % Verzinsung kommt man auf ein eingesetztes Kapital von 8.000 €/ha und Erträge von 40.000 €/ha. „Es führt also kein Weg an der Naturverjüngung vorbei“, stellt Putzgruber klar. Er beschrieb die Unternehmensstrategie, den Vorrat ab der halben Umtriebszeit zu begrenzen und so die Naturverjüngung frühzeitig zu etablieren. Das Ziel sind baumartenreiche, klimafitte Mischwälder. Die Fichte soll zugunsten von Lärche, Tanne oder ­Eiche zurückgedrängt werden, aber auch der Buchenbestand, so im Wienerwald, in einen Mischbestand überführt werden. Rund 13 bis 15 Mio. €/J investieren die ÖBf in den Waldumbau.

„Die Tanne ist ein guter Indikator. Wenn mehr als 10 % der Leittriebe verbissen sind, fällt sie komplett aus. Derzeit liegen wir bei 20 % Verbiss“, informiert Putzgruber. „Die Tanne hatte historisch die beste Überlebenschance, wenn Buche beigemischt war. Ein ungleichaltriges System kann sich nach einer schwerwiegenden Störung schneller erholen und hat einen 25 % höheren Waldwert. Wir können mit einem Verhältnis von Nadel- zu Laubholz von 70 zu 30 % gut operieren. Viele Waldbesitzer finden das cool“, informiert Knoke.