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Univ.-Prof. DI Dr. Richard Pischl © Schneider

Potenzial Leimholz

Ein Artikel von Dipl.-Ing. (FH) Cornelia Schneider | 24.10.2004 - 00:00
Nach zweijähriger Pause veranstalteten proHolz Steiermark und die Technische Universität Graz am 22. Oktober wieder einen Holzleimbautag in Graz.
Im Mittelpunkt der Einführungen von Univ.-Prof. DI Dr. Hans Sünkel, Rektor der TU Graz, und Heinz Gach, stellvertretender Obmann proHolz Steiermark, stand die Emeritierung von Univ.-Prof. DI Dr. Richard Pischl, ordentlicher Universitätsprofessor für Holzbau an der TU Graz. Die Nachfolge hat Univ.-Prof. DI Dr. Gerhard Schickhofer mit 1. Oktober angetreten.
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Univ.-Prof. DI Dr. Richard Pischl © Schneider

50 Jahre Holzleimbau. Die rasante Entwicklung des Holzleimbaus in Österreich beleuchtete Anton Kaufmann, Mitglied im Österreichischen Leimbauverband. Schon in den 1950iger-Jahren hat man das Potenzial erkannt, das im damals noch händisch geleimten und genagelten BSH steckte. Für eine Kirche in Bregenz, die 1963 von Kaufmann, Reuthe, errichtet wurde, wurden die Träger mit einer Spannweite von 36,5 m und einem Stichbogen von 5,5 m händisch beleimt - 30 Mitarbeiter waren damit beschäftigt. Die Oberflächen wurden noch mit Handhobeln bearbeitet. Ab 1963 stieg Kaufmann in den Bau von Landwirtschafts-Gebäude ein, in den 1970iger-Jahren kamen Eis- und Tennishallen dazu.
Bei der statischen Berechnung einer Kirche, die komplett in Holzbauweise errichtet wurde und einer Schneelast von 1000 kg/m² standhalten muss, war Professor Julius Natterer zur Stelle. Auch beim Rinterzelt, das 1980 in Wien montiert wurde, war der Schweizer für die Statik verantwortlich. Das 83 m hohe Zelt hat ein Traufhöhe von 13 m und einen Außendurchmesser von 185 m.Kurze Bauzeiten. Innerhalb von nur drei Monaten wurde 1986 am Silvrettasee von Kaufmann ein Restaurant errichtet. Dabei wurde von Architekt Leopold Kaufmann nicht nur das Gebäude sondern auch die gesamte Inneneinrichtung geplant und in Reuthe gefertigt.
Als weiteren Meilenstein gibt Kaufmann den Bau von Schulen an: Neben Frastanz erstellte man auch die Schule in Dornbirn. Bei letzterer wollte man trotz Brandschutz nicht auf elegante, schlanke Stützen verzichten - und fertigte das BSH deshalb aus Eiche.
Schon seit 15 Jahren schreibt die Holzindustrie Binder, Fügen, alle Produktionshallen in Holzbauweise aus. Gestaltet werden diese von renommierten Architekten. Das Dach des Leimbinderwerk 1 in Jenbach ist als selbsttragendes Faltwerk ausgeführt. Je Schiff sind sechs vormontierte Elemente im Einsatz. Die Spannweite liegt bei 44 m.Hoher Vorfertigungsgrad. Ein hoher Vorfertigungsgrad wurde bei der Dornbirner Wohnanlage Ölzbündt von Kaufmann an den Tag gelegt - die Nasszellen waren schon montiert. Aus dem Segment des mehrgeschossigen Wohnbaus hat man sich wieder zurückgezogen - die Bauträger waren zu unflexibel.
Elegant und wirtschaftlich - so beschreibt Kaufmann die „Gigaboxen” der Schulanlage in Memmingen/DE. In diesen Boxen aus aufeinander geleimten Mehrschicht-Massivholz-Platten, die die Decke ausbilden, sind Beleuchtung, Lüftung sowie Elektroinstallationen untergebracht.
Die glatte Untersicht wurde auch bei einer Bäckerei eingesetzt. Hier verbieten Hygienevorschriften Versorgungsleitungen, auf denen sich Staub ansammeln kann.
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Vielbeachtetes Holzleimbau-Projekt im vergangenen Jahr: Messehalle in Karlsruhe/DE © Wiehag

Auszeichnung für Holzleimbau. Über Projekte des bisher fünf Mal vergebenen Glulam Awardes, der höchsten Auszeichnung für Holzleimbau-Konstruktionen, berichtete Ing. Helmut Stingl, Europäischer Holzleimbauverband.
Die Aufbahrungshalle in Hard wurde von Leopold Kaufmann gestaltet. Dabei wurde das Dach in Form eines Regenschirms mit einem Durchmesser von 13 m ausgeführt und in Regenbogenfarben bemalt. Die Halle, die in Hamar/NO für die Olympischen Winterspiele 1994 gebaut wurde, ist wegen ihrer Form als Wikingerschiff bekannt. Sie ist 260 m lang und hat eine freie Spannweite von 96 m.
In Form einer 6 m hohen Schachtel ist eine Ausstellungshalle in Murau gestaltet. Darauf wurden Lichtsheds aufgesetzt. Europa als Vorreiter. „Im Leimbau haben die USA in den vergangenen 50 Jahren nichts dazu gewonnen - Europa schon”, ist Stingl überzeugt.
Dieser Fortschritt war nur durch die maschinelle Sortierung des Holzes, die CNC-Technik beim Abbund sowie firmeninterne Forschungs- und Entwicklungsabteilungen möglich. Stabilitätsfragen im Holzbau elegant gelöst. Pischl hat sich in den vergangenen Jahren mit Stabilitäts-Problemen im Bauwesen befasst. Daraus ist ein Lehrbuch entstanden, das in der Praxis Zugang zur schwierigen Thematik ermöglicht.
„Der Nachweis der Tragsicherheit von auf Druck und Biegung beanspruchten Bauteilen kann auf zwei Arten erfolgen”, erläutert Pischl, „nach der Stabilitätstheorie mit Hilfe der Knicklänge (Ersatzstab-Verfahren) oder der Spannungstheorie II. Ordnung”. Die Wahl des Verfahrens bleibt dem Ingenieur überlassen.Holz sparen mit II. Ordnung. Pischl hat die Ergebnisse des Ersatzstab-Verfahrens denen der Spannungstheorie II. Ordnung gegenübergestellt.
Bei einer auf Druck und Biegung beanspruchten Kragstütze mit starrer Einspannung konnte die Spannungstheorie II. Ordnung eine gegenüber dem Ersatzstab-Verfahren rechnerisch bessere Ausnutzung von 15,2% erreichen. Hierbei wurden die Schnittgrößen, die Querschnittwerte und die zulässigen Knick- und Biege-Spannung berücksichtigt. Nimmt man noch die unvermeidbaren Vorverformungen des Holzes mit in die Betrachtung auf, so erzielt die Theorie II. Ordnung eine gegenüber dem Ersatzstab-Verfahren rechnerisch bessere Ausnutzung von 8,2%.