Nachhaltigkeit und Passivhaus: Mit diesen Themen kommt Holz als Baustoff in Tschechien vor allem durch die jungen Architekten ins Gespräch. Sie sehen den ältesten Baustoff der Welt als neues Baumaterial gegen das Establishment von Ziegel und Beton. Fehlendes Fachwissen, wenig Holzbaukompetenz, mangelnde Kaufkraft und Imageprobleme verhindern eine raschere Breitenwirkung. Jede Information über Holzbau fällt auf fruchtbaren Boden, wie das Interesse der Planer beim jüngsten proLignum-Seminar in Brünn mit anschließender Exkursion zu prämierten Holzbauten nach Wien zeigte.
4000 Häuser aus Holz
Auf 4000 Häuser pro Jahr - inklusive Fertighäuser - schätzt Rudolf Böhm, Leiter des Bautechnikzentrums NSC, Brünn, den Marktanteil von Holz im Hausbau. Bestimmend ist dabei die Rahmenbauweise. Böhm installierte im Rahmen einer Dauerausstellung auf der Messe Brünn einen kleinen Fertighauspark nach dem Muster der Blauen Lagune südlich von Wien. Jährlich kommen 134.000 Besucher auf das Gelände, ein Viertel davon bei der Baumesse im April. Derzeit stellen acht Unternehmen aus, darunter Elk Haus, Echsenbach, und Haas Fertigbau, Großwilfersdorf. Letzteres hat im Vorjahr in Prag für den Investor Liveta die mehrgeschossige Viersterne-Freizeithotelanlage „Park Holiday” in Elementbauweise aus Holz errichtet.Jugend hilft Holzbau für Aufschwung
Besonders die jungen Architekten entdecken Holz als neues, frisches Material und beginnen Holz demonstrativ zu zeigen. Erste Beispiele für Passivhäuser finden ihren Weg in die Architekturzeitungen. Eher schwerfällig auf die neuen Gestaltungsmethoden reagiert anscheinend der Holzbau in Tschechien selbst. Es fehlt an Wissen und somit an Vertrauen sowie Risikobereitschaft, Neues anzugehen. Schlüssel für die Zukunft im Holzbau ist der Architekt, der mit seiner kreativen Rolle einen neuen Umgang mit dem Holz fordern wird.Vorfertigung und Passivhaus
Beim Fachseminar war daher auch das Interesse der jungen Architekten mit rund 130 Teilnehmern groß. Themen wie Passivhaustechnologie und moderne Produkte, deren technische und gestalterische Möglichkeiten standen bei den Präsentationen im Vordergrund. Georg Jeitler, Konsulent der holz.bau.forschung/TU Graz, sprach über die Vorteile der neuen standardisierten Produkte für „Stab und Fläche”. An Hand von konkreten Bauten widmete sich Patricie Taftova, Mitarbeiterin aus Zlin/CZ im Architekturatelier Reinberg in Wien, dem Passivhaus. Gerhard Mitterberger, Architekt aus Graz, brachte schließlich mit drei Beispielen von Gestaltung mit Kreuzlagenholz die neue Coolness des Holzbaus auf den Punkt. Jan Divoniak, TU Prag, und Zenka Havirova von der Mendel-Forstuniversität in Brünn beleuchteten die Themen aus der Sicht Tschechiens. Fünf Aussteller schätzten den Kontakt mit dem Fachpublikum: Haas Fertigbau, EPL, Vesetin/CZ, Mayr Melnhof Holz, Paskov/CZ, KLH, Katsch/Mur, und Dupont, Prag.Auf nach Viden (Wien)
Erfreulichen Anklang fand die erstmals angebotene proLignum-Exkursion zu prämierten Holzbauten im Umfeld von Wien. 45 Teilnehmer, darunter Vertreter der Institute der Tragwerkslehre sowie des Hoch- und Städtebaus der technischen Universität und des Instituts für Holzbau an der Forstuniversität kamen aus Brünn und Mähren, um modernen Holzbau zu besichtigen.Misstrauen und Vorbehalte
Besucht wurden das Büro des Ateliers Reinberg in Niedrigbauweise von Biotop, Weidling, und das Einfamilienhaus des Architekten Petit Boday in Kritzendorf.Positives Echo löste bei den Teilnehmern die Passiv-Wohnanlage am Mühlweg, Wien 21, aus. Einerseits erstaunte die bauliche Qualität der Sozialwohnungen (Quadratmeterzahl, Passivhaustechnik, Farbkonzept). Diese waren in Tschechien keineswegs Sozialbau.
Andererseits wäre so ein Wohnkomplex in Holzbau- oder Mischbauweise in Tschechien noch nicht möglich, da der Behördenwille dazu fehle. Es zeigte sich, dass für uns selbstverständliche Bauweisen und Baudetails in Holz echtes Neuland für die Planer aus der Nachbarregion darstellen.
Wirtschaft schwächer
Die fetten Jahre sind vorbei. Experten rechnen, dass sich die Wirtschaft in Tschechien abschwächen und von einer langen, deutlichen Wachstumsphase in eine normale Nachfragesituation übergehen wird. Die Prognose der tschechischen Nationalbank für 2009 sagt ein Wachstum von nur noch 3,6% voraus statt 6% wie in den vergangenen Jahren.Ungewiss ist, wie sich die Finanzkrise in Tschechien auswirken wird. Das Bankgeschäft ist überwiegend in Hand von großen Bankgruppen wie der italienischen Unicredit oder der österreichischen Raiffeisen und Erste-Banken.
Die Situation in Tschechien wird also davon abhängen, wie gut diese Banken die Krise in ihren Stammhäusern bewältigen werden. Vorsichtshalber hat die tschechische Regierung die Spareinlagen bis zu einer Höhe von 50.000 € gesichert - auch um das Abfließen der Guthaben nach Österreich und Deutschland zu verhindern.
Die Stadt von nebenan
Bald nur mehr eine Autobahnstunde nördlich von Wien liegt die zweitgrößte Stadt Tschechiens, Brünn. Der Ballungsraum mit knapp 400.000 Einwohnern ist größer als Graz. 10 % der Einwohner sind Studenten. Mit sechs Universitäten, darunter Hochschulen für Forstwirtschaft und für Bauingenieure sowie Architekten, ist Brünn neben Prag das wichtigste Ausbildungszentrum Tschechiens.Im Holzbereich gibt es traditionell Kontakte zwischen der Forstuniversität der mährischen Hauptstadt und der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien. Bei den Bauingenieuren und der Architektur fehlt jedoch zum Thema Holzbau eine derartige Verbindung mit Wien. Vielleicht ist es wenig attraktiv, mit den Kollegen in der Nachbarstadt zu arbeiten. Brünn ist eben keine Hauptstadt mit Ruf wie Prag. Sinnvoll für die positive Entwicklung des Holzeinsatzes in unserer unmittelbaren Nachbarschaft wäre es sicherlich.
Der Jugend gehört die Holzbauzukunft in den östlichen Nachbarländern. Je früher wir beginnen, diese auszubilden, umso besser.