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Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)

Die dunkle Seite des Holzes

Ein Artikel von Raphael Kerschbaumer | 16.03.2023 - 08:47

Die globale Holzindustrie schreibt inklusive einiger österreichischer Branchenführer dieser Tage Negativschlagzeilen. Auslöser sind die Recherchen des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), die unter dem Titel „Deforestation Inc.“ seit Märzbeginn veröffentlicht werden. Folgender Artikel soll eine Zusammenfassung der umfangreichen Vorwürfe sein und einen Einblick in die unschönen Seiten der Branche geben.

Bereits amtsbekannt

Fällt das Wort Rumänien, werden viele Branchenakteure sofort hellhörig. Das osteuropäische Land ist nicht nur Heimat großer europäischer Urwaldflächen, sondern wurde im Laufe der vergangenen Jahre auch zum Inbegriff illegalen Holzeinschlags. War bisher zumeist die HS Timber Group im Zentrum der Kritik, so führten unzählige Hausdurchsuchungen im Herbst des Vorjahres dazu, dass auch die aus Tirol stammende Egger-Gruppe in das Schussfeld der Ermittler geriet.

Ein System voller (Schlupf-)Löcher

Wie in den ICIJ-Recherchen bekannt wurde, erhielt die rumänische Egger-Tochter nur rund ein halbes Jahr vor den Vorwürfen erneut die FSC-Zertifizierung – und dies ohne jegliche Beanstandungen vonseiten der Auditoren. Das Ganze, obwohl sich etliche Verstöße und Ermittlungen zwar nicht direkt auf Egger, aber sehr wohl auf einen zentralen Zulieferer des Konzerns, der in Radauti ein Span- und OSB-Plattenwerk betreibt, richten. Illegale Machenschaften wichtiger Partnerfirmen sollten damit entlarvt und aufgedeckt werden, möchte man meinen. Laut eines im profil (österreichisches Wochenmagazin) veröffentlichten Berichts gibt es bei FSC jedoch durchaus tiefgehendere strukturelle Probleme, worauf die Versäumnisse aus mehreren rumänischen Fällen zurückzuführen sind. Die Vorwürfe der Investigativjournalisten richten sich dabei ganz grundlegend an die FSC-Praktiken. Prüfungen seien demnach viel zu oberflächlich und binnen kürzester Zeit „erledigt“. Zudem finden sich einzelne Prüfer beauftragter Subunternehmer gleichzeitig in einer Prüf- und Beraterrolle wieder. Ein Schelm, wer hier Böses denkt.

Ein schmaler Grat zur Illegalität

Nach einem ICIJ-Bericht, veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, wird in Rumänien jeder zweite Baum illegal geschlagen. Trotzdem verfügen 226 der 313 rumänischen Forstbetriebe über ein FSC-Siegel. Das entspricht 72 % aller forstlichen Unternehmen. Sämtliche Zertifikate in Rumänien wurden dabei nur von einer einzigen Prüfanstalt vergeben. Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung bei der betroffenen Soil Association heißt es lediglich: „In den vergangenen fünf Jahren musste kein Zertifikat entzogen werden, da keine FSC-Standards verletzt wurden.“ Der letzte bekannte Fall dürfte somit wohl HS Timber gewesen sein. „Wir haben weltweit 52.000 Zertifikate im FSC-System und es ist ganz klar, dass wir in keiner Weise illegal geschlägertes Holz in unseren Lieferketten zulassen. Wenn das passiert, reagieren wir scharf, aber ich denke, solche Vorkommnisse sind Ausnahmeereignisse und keineswegs die Regel“, mit diesen Worten wies Marc Jessel, FSC-Integritätsbeauftragter, dieser Tage die Vorwürfe im Ö1-Morgenjournal scharf zurück.

FSC gelte dabei lediglich als „Organisator zur Aufrechterhaltung des gesamten Systems“, wie es profil beschreibt, und vergebedie Audits in letzter Konsequenz an diverse Subunternehmer. Ob dies den Sachverhalt insgesamt in ein besseres Licht rückt, sei jedoch dahingestellt.

Grundsätzlich kann und darf man sich laut Stimmen aus der Branche auf zertifizierte Hölzer noch verlassen – „Speziell auch in Österreich“, wie Felix Montecuccoli, Präsident der Land&Forst Betriebe Österreich, beteuerte. Die teilweise freilaufenden „schwarzen Schafe“ der Branche sollten jedoch so schnell wie möglich eingefangen werden, um dem hölzernen Image nicht noch mehr zu schaden.

Ebenfalls abseits rechter Wege, jedoch fernöstlich der Urwälder Rumäniens findet der nun folgende Sachverhalt seinen Ursprung.

„Der König der Hölzer“

Mit diesem klingenden Namen wurde Burma-Teak (Anmerkung: Burma war der ehemalige Name des heutigen Myanmars) immer wieder in Verbindung gebracht. Das aus Südostasien stammende Gehölz verbindet, wie kein zweites, Optik mit natürlicher Dauerhaftigkeit und weckt somit seit jeher großes Interesse europäischer Kunden. Spätestens seit Myanmar im Februar 2021 gewaltsam von Putschisten in eine Militärdiktatur überführt wurde, ist die Einfuhr von Hölzern aus der Region beziehungsweise der Handel mit der lokalen „Myanmar Timber Enterprise“ in der EU jedoch strengstens untersagt.

Nur ein Einzelfall

Auslöser der jüngsten Affäre rund um Teak in der EU war ein Container in der polnischen Hafenstadt Danzig. Sein Inhalt: laut profil-Recherchen rund 21,7 m3 Teak aus Myanmar. Sein Ziel: die JAF-Gruppe mit Sitz im niederösterreichischen Stockerau. Auf profil-Nachfrage bezog die JAF-Gruppe zu den Vorwürfen Stellung: „Diese Funktion des Importeurs hatte in diesem Fall ein estnischer Großhändler inne. Von diesem kaufte das polnische Tochterunternehmen von Frischeis den betroffenen Container.“ Gegenüber dem ORF sprach man dabei von einem internen Versäumnis: „In diesem Einzelfall dürfte der rechtliche Rahmen ausgereizt worden sein. Kontrollmechanismen hätten nicht gegriffen“, heißt es in einer ersten Stellungnahme.

Das Bundesamt für Wald betonte zudem auf profil-Anfrage, „dass, bezogen auf Holzerzeugnisse aus Myanmar, Händler und Produzenten laufend kontrolliert und seit Sommer 2021 keine Verstöße festgestellt wurden“.

Offshore auf Österreichisch

Zypern, Malta oder Liechtenstein. Alles Orte, wo man einen der weltgrößten Spanplattenproduzenten wohl eher nicht vermuten würde. Im Fall der Salzburger Kronospan-Gruppe trifft dies jedoch zu. „Die verschachtelte Firmenstruktur verschleiert die Eigentümerstruktur und ermöglicht intransparente Offshoregeschäfte“, schreibt beispielsweise die österreichische Tageszeitung Kurier.

Einer, dem das Firmengeflecht jedoch genau bekannt sein müsste, ist die Raiffeisen Bank International (RBI). Laut Der Standard-Informationen kritisierte die österreichische Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) die RBI in der Vergangenheit immer wieder scharf, da man seinen gesetzlichen Aufsichts- und Überprüfungspflichten im Fall von Kronospan nicht nachgekommen sei. Seit Jahren befinden sich beide Parteien (RBI und FMA) nun schon in einem Rechtsstreit, der in einer rund 3,5 Mio. € schweren Strafzahlung 2018 einen zwischenzeitlichen Höhepunkt fand.

Luda oder doch Betuva?

Bereits 2014 kaufte Kronospan laut Berichten der Wiener Zeitung auf Malta eine eigene Bank, die zuvor im Besitz der RBI stand. Die zypriotische Gesellschaft Banasino Investment Limited agierte dabei als „Vehikel für die Transaktion“, wie es Addendum in einem Recherchebericht bezeichnete. Eben jenes Vehikel kaufte im vergangenen Jahr im Namen der Familie Kaindl auch stückweise Anteile an West Fraser, der zweitgrößten Holzindustrie der Welt. Mit 10,2 % ist man bereits der drittgrößte Anteilseigner des kanadischen Holzgiganten. Die Marktkapitalisierung von West Fraser liegt gegenwärtig bei rund 8,6 Mrd. CAD (rund 5,9 Mrd. €). Will man den Eigentümerstrukturen von Banasino Investment Limited auf den Grund gehen, so gelangt man nach Addendum-Recherchen wieder zurück in die Alpen – genauer gesagt, nach Liechtenstein zu einer Stiftung namens Luda. Der gleiche Name fällt gemeinsam mit einer zweiten Liechtensteiner Stiftung namens Betuva, wenn man Kronospan-Geldern aus Osteuropa und Russland, gelenkt über eine zypriotische Holding, folgt. Bei den Begünstigten der beiden Stiftungen, in deren Unterlagen der Öffentlichkeit beinahe jeglicher Einblick verwehrt bleibt, soll es sich rein um Vertreter der Kronospan-Gründerfamilie Kaindl handeln.

Im Fall von Kronospan sind jedoch nicht nur bei den Stiftungen die Verantwortungsträger schwer zu identifizieren und zu benennen. So schreibt der profil, dass beispielsweise bei der genannten zypriotischen Holding im Firmenbuch „nicht einmal die direkten Aktionäre namentlich angeführt sind, geschweige denn die tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten“.

Was zum Schluss bleibt, ist ein über Jahrzehnte gebautes Gebilde aus Auslandsniederlassungen, Beteiligungen und Firmen in diversen Steueroasen, verschachtelt in Stiftungen und Subunternehmen ohne öffentliche Einsichtnahme. Der Tatsache, dass dies kein gutes Bild auf die ursprünglich als beschauliches Sägewerk gegründete Kronospan-Gruppe wirft, dürften wohl nur die wenigsten widersprechen.

International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)

Österreichische Teilnehmer des internationalen Rechercheprojekts mit 40 Medien aus 27 Ländern sind unter anderem der ORF, das Nachrichtenmagazin profil sowie die Tageszeitung Der Standard. In Deutschland gehören beispielsweise die Süddeutsche Zeitung, Der Spiegel oder auch die Medienhäuser NDR und WDR zum Kreis der internationalen Investigativjournalisten.

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Allen im Bericht namentlich genannten und mit Vorwürfen konfrontierten Unternehmen wurde vonseiten der Holzkurier-Redaktion die Möglichkeit gegeben, Stellung zu beziehen. J. u. A. Frischeis, FSC und Egger waren darüber hinaus bereit, zusätzliche Fragen der Redaktion schriftlich zu beantworten. Lediglich von Kronospan kam bis rechtzeitig vor Drucklegung keine Rückmeldung.

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