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DI (FH) Ralph Kirst, Key Account Manager bei Jowat © Michael Reitberger

Wer nicht klebt, gewinnt nicht

Ein Artikel von DI Michael Reitberger | 04.07.2012 - 07:00
Holzklebstoffe haben eine vielversprechende Zukunft vor sich, waren sich die Referenten des Kooperationsforums „Kleben von Holz und Holzwerkstoffen“ von 19. bis 20. Juni in Würzburg einig. Mit über 200 Teilnehmern stellte man sich im Juliusspital der fünftgrößten bayerischen Stadt gemeinsam die Frage, wie sich bestehende Verwendungen von Klebstoffen im Holzbereich noch verbessern und neue Einsatzmöglichkeiten erschließen lassen.
Das positive Resümee der Hörerschaft spiegelte sich in hitzigen Diskussionsrunden wider. Kaum ein Vortrag ließ alle Teilnehmenden auf ihren Stühlen sitzen, sofern diese nicht bei rund 30° C auf besagten kleben blieben.

Von Buchen-BSP bis Holz-Blei-Verbunde

„Sperrholz wird heute noch immer gleich gemacht wie vor vielen Jahren“, leitete Karl Moser, Geschäftsführer von Karl Moser Consulting, Aichach/DE, seine Kritik an der mangelnden Innovationskraft der Holzbranche ein. Die Holzindustrie scheitere daran, bestehende Produkte ausreichend gut zu vermarkten und hätte dadurch nicht den Mut für Neues. Doch, „wer nicht wagt beziehungsweise klebt, der nicht gewinnt“, so Mosers Devise. Die aufstrebende Entwicklung des Holzbaus in Europa sieht er als richtungsweisenden Trend zur verstärkten Verwendung von verklebten Holz- und Holzwerkstoffprodukten: „In Bezug auf Holzbau wird die Klebetechnik mit Sicherheit die alles bestimmende Technologie sein.“ Brettsperrholz stecke, wie er meinte, noch in den Kinderschuhen. Buchen-BSP sei ein Werkstoff der Zukunft. Mosers Vorstellungen von Holzverbundmaterialien reichen von Holz-Beton-Fertigteilen über kohlefaserverstärkte Holzwerkstoffe bis hin zu Holz-Blei-Verbunden für Anwendungen mit besonders hohen Schallschutzanforderungen. Mit kleinen Veränderungen könne man bereits „tolle neue Produkte“ erzeugen, glaubt der erfahrene Brancheninsider.

Leime als Alleskönner

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DI (FH) Ralph Kirst, Key Account Manager bei Jowat © Michael Reitberger

„Alles soll verklebt sein, aber keiner will den Leim sehen“, lautete das Eingangsstatement von Ralph Kirst, Key Account Manager bei Jowat, Detmold/DE, auf dem von Bayern Innovativ und Partnern veranstalteten Forum. Neben der „Unsichtbarkeit“ sollen die Klebstoffe von morgen noch eine Vielzahl weiterer Funktionen aufweisen. Kirst zählte Formaldehydfreiheit, Wetterfestigkeit, Leitfähigkeit, Entklebbarkeit und biologische Abbaubarkeit auf. Klebstoffe sollen fester, wertschöpfender, dauerhafter, wärmebeständiger, nachhaltiger und gesünder werden. Sie sollen neue Design- und Konstruktionsmöglichkeiten eröffnen und den Ideenreichtum von Planern und Designern nicht einschränken.
In holzindustriellen Prozessen, wie bei der BSH-Herstellung, habe sich die Menge des aufzutragenden Leimes im Laufe der Jahre stetig reduzieren lassen, informierte Kirst. Dies sei daran festzumachen, dass die Qualität der Holzoberflächen immer besser wurde. Kirst erwähnte, dass versuchsmäßig bereits eine zufriedenstellende Produktion von BSH-Trägern mit einer Leimauftragsmenge von 70 g/m2 glückte. 150 g/m2 sei heutzutage Standard und werde auch zulassungstechnisch vorgeschrieben.

Klebstoffe fürs Wohnzimmer

Dr. Dirk Grunwald, Chef-Technologe bei der Ikea-Tochter Swedspan, Bratislava, ist es in Vertretung seines Arbeitgebers, des weltgrößten Möbelherstellers, ein besonderes Anliegen, Innenräume von Formaldehyd und VOCs frei zu halten. Dieses Bestreben, womit man auch auf verschärfte Regulationen seitens der Gesetzgeber vorbereitet sein will, möchte er unter anderem durch in Klebstoffen eingebaute Formaldehyd- und VOC-Fänger realisieren. Gerade bei neuen Leichtbauplatten, wie den von Swedspan entwickelten Colight-Spanplatten, sei die Reduktion flüchtiger Stoffe besonders wichtig. „Klebstoffe von morgen“ sollen auch dann gute Funktionalität aufweisen, wenn sie bei verringertem Pressdruck und niedrigeren Presstemperaturen verarbeitet werden. Oberflächen vergütende Substanzen, die in der Deckschicht von Spanplatten zum Tragen kommen, könnten in die Rezepte der Klebstoffhersteller integriert werden. Grunwald hält eine höhere Resistenz von Klebstoffen gegen Feuchte und chemische Substanzen für wünschenswert.

Nachweis von Fehlverklebungen

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Dr. Ulrich Müller, Privatdozent und Bereichsleiter bei Wood Kplus © Michael Reitberger

Eine neue Prüfanordnung für die Querzugprüfung von Spanplatten mit unterschiedlichen Klebstoffen und Materialien stellte Priv.-Doz. Dr. Ulrich Müller von Wood Kplus, Tulln, vor. An seinem In­stitut hat man im Rahmen einer Dissertation untersucht, wie Fehlverklebungen und Spalter in der Spanplattenproduktion durch die Querzugprüfung nachgewiesen werden können. Da sich die herkömmliche Methode mittels Keilspaltung für die „In-plane“-Untersuchung als nicht durchführbar erwies, entwickelte man bei Wood Kplus den sogenannten „Double cantilever I-beam“-Test, bei dem Stahlprofile auf die Oberflächen von Spanplattenproben aufgeklebt werden, um eine kontrollierte Rissausbreitung zu ermöglichen.

Neue Klebstofffamilie

Zur Offenheit gegenüber der relativ neuen Klebstofffamilie der EPI-Klebstoffe riet der ehemalige akademische Direktor der Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart (MPA), Borimir Radovic. Momentan gebe es am Markt nur einen vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) zugelassenen EPI-Klebstoff. Laut Radovics Informationen eigne sich dieser hervorragend zur Flächen- und Keilzinkenverklebung. „Wir sollten immer glücklich sein, wenn eine neue Klebstofffamilie auftaucht“, empfahl Radovic.

Es geht noch leichter

Der Trend zum Leichtbau hält ungebremst an. Mit Sandwichplatten können Gewichtseinsparungen von bis zu 80 % gegenüber vergleichbaren herkömmlichen Spanplatten erreicht werden. Wie sich die Eigenschaften von leichten Sandwichplatten weiter verbessern und somit Materialeinsparungen, die Gewichtseinsparungen mit einherbringen, umsetzen lassen, erklärte Dr. Max Britzke von der TU Dresden. An seinem Institut hat man einen Weg gefunden, den Klebstoffauftrag auf die aus Papierwaben bestehende Mittellage von Sandwichplatten zu optimieren. Die Lösung erkannte man in einem zweifachen Klebstoffauftrag.
Dabei wird in der kontinuierlichen Produktion nach einem ersten Leimauftrag der Klebstoff auf der Papierwabe getrocknet. Die Mittellage wird anschließend erneut beleimt und mit der Deckschicht aus Dünn-MDF verklebt. Britzkes Ergebnisse zeigten, dass derart produzierte Sandwichplatten bei einer Gewichtsreduktion um 80 % eine Biegefestigkeit aufweisen, welche zu 75 % jener einer gleich dicken Spanplatte entspricht.

Holz klebt auf Beton

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Prof. Dr.-Ing. Werner Seim, Universität Kassel © Michael Reitberger

„Holz ist ein High-Performance-Werkstoff“, machte Prof. Dr.-Ing. Werner Seim von der Universität Kassel an der Tatsache fest, dass die spezifische Festigkeit von Holz (Reißlänge) über 7000 m beträgt (bei GL 32). Die Reißlänge gibt an, ab welcher Länge ein aufgehängter Werkstoff an der Befestigung durch sein Eigengewicht reißt. Mit diesem Wert liegt Holz um mehr als 4000 m über dem von Beton (C80/95) und mehr als 5000 m über dem von Baustahl (S235).
Aus Seims Sicht liegt es nahe, die Vorteile von Holz und Beton zu verknüpfen. Um für den Verbund von Holz und Beton eine höchstmögliche Bauteilsteifigkeit zu erlangen, experimentiert man an seinem Institut mit der Verklebung der beiden Materialien. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Holz-Beton-Verbunden mit Nagelplatten oder Schubverbindern sieht Seim neben der verbesserten Steifigkeit in geringeren Eigenlasten der Bauteile und der einfachen Möglichkeit der Vorfertigung.

Epoxidharz revolutioniert Holzbau

„Ohne gute Klebstoffe geht es heute nicht mehr“, weiß Dr. Simon Aicher, Leitender akademischer Direktor der Materialprüfungsanstalt Universität Stuttgart. Er zeigte den Teilnehmern des Forums eine bebilderte Reihe einschlägiger Konstruktionsbeispiele für Holzklebeverbindungen. Darunter führte Aicher als Paradebeispiel das Projekt Metropol Parasol in Sevilla/ES an. Das riesige Holzdach inmitten der spanischen Stadt wurde mit in Holz eingeklebten Gewindestangen gebaut. Diese Art der Bauweise hält Aicher mit Bezug auf den modernen Holzbau für richtungsweisend. Durch die Verwendung von zweikomponentigen Epoxidharz-Klebstoffen könnte man in dieser Form sogar eine „Revolution des Holzbaus“ hervorrufen. An der MPA Stuttgart habe man den Klebstoff unter anderem auf seine Volumenstabilität getestet und mit anderen Klebstoffen verglichen. Das Ergebnis zeigte, dass alle beobachteten Klebstoffe, außer Epoxidharz, im Laufe der Zeit stark schwinden. Die Volumenstabilität von Epoxidharz hält Aicher für den Einsatz als Verbindungstechnologie im Holzbau für ein Muss.

Tragende Fenster

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© Michael Reitberger

„Holz und Glas im tragenden Verbund“ lautet die Thematik, mit der sich das Team um Dipl.-HTL-Ing. Peter Schober von der Holzforschung Austria, Wien, intensiv auseinandersetzt. Durch den Einsatz spezieller Klebetechnologien hat man einen Verbund von Holz und Glas (HGV) bewerkstelligt, der eine schonende Lasteintragung in eine Glasfläche ermöglicht. Dabei werden Spannungsspitzen im Glas reduziert und Lasten auf dem Glas verteilt. Nach mehreren Versuchsreihen konnte man am Arsenalgelände in Wien ein erstes Bauvorhaben sowie ein Einfamilienhaus im Wienerwald mit integrierten HGV-Elementen realisieren.

Holz löten, nicht schweißen

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Prof. Dr. Ing. Gerhard Plasonig, Co-Gründer von Woodwelding © Michael Reitberger

Jemand, auf den die Kritik fehlender Innovationskraft sicher nicht zutrifft, ist Prof. Dr. Ing. Gerhard Plasonig von Woodwelding, Stansstad/CH. „Bäume sind weder verschraubt noch verklebt“, gab der Gründer des Schweizer Unternehmens zu denken. Die Neuheit hinter dem, wie er ausdrücklich betonte, „Holzlöten“ liegt in einer mechanischen Verankerung eines Polymers in einen Trägerstoff. Dafür wird ein thermoplastisches Verbindungselement unter Einsatz von Ultraschallenergie in ein poröses Material eingepresst. Der Thermoplast erfährt durch den Ultraschall innerhalb von Sekunden einen Temperatur- und Viskositätssprung, wird flüssig und kann somit auch in sehr kleine Hohlräume, wie auch Holzporen, eindringen. Unmittelbar nach dem Prozess kühlt der Kunststoff wieder ab, erstarrt und stellt eine mechanische Verbindung her. Plasonig gab bei seinem Vortrag an, dass sich mithilfe dieser Technologie alle porösen Materialien verbinden lassen. In Kooperation mit dem Unternehmen Titus, Uxbridge/UK, habe man einen Dübel entwickelt, der sich an beiden Enden mit porösem Trägermaterial verbinden kann. Dadurch lassen sich unsichtbare Verbindungen in Möbelkorpora herstellen. Die Technologie sei auch als Verbindungsmittel bei Leichtbau-Papierwabenplatten im Einsatz. „Hierbei ist auch denkbar, auf den Kern aus Papierwaben ganz zu verzichten“, so Plasonig.
Um die Technologie auch klein- und mittelständischen Unternehmen nahe zu bringen, hat man in die Entwicklung eines Hand-Ultraschallgerätes investiert.