Schnittholz_Archiv-Stapel_2.JPG

Schnittholz Stapel Nadelholz © Martina Nöstler

RÜCKBLICK 2022 / AUSBLICK 2023

Herausfordernd, aber ebenso ertragreich

Ein Artikel von Günther Jauk | 20.01.2023 - 13:24

Krieg, Russland, Ukraine, Energiekrise, Klimawandel, Corona und Inflation sind Schlagworte, ohne die wohl kaum ein Jahresrückblick 2022 auskommt. Alle diese Faktoren hatten im abgelaufenen Jahr auch auf die Holzwirtschaft – vom stehenden Baum bis zum stehenden Holzhaus und allen dazwischenliegenden Produktionsschritten – einen gewaltigen Einfluss. Mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine am 24. Februar und insbesondere dem Inkrafttreten der EU-Sanktionen am 10. Juli ging ein gewaltiger Ruck durch die Branche.

Es kam zu Verschiebungen globaler Rund- und Schnittholzströme, einzelne sanktionierte Produkte aus Russland waren über Nacht ausverkauft, andere aus der Ukraine nur noch sehr eingeschränkt verfügbar. Lieferketten rissen und einige europäische Papier- und Holzindustrien veräußerten ihre russischen Dependancen, wie zuletzt etwa Mayr-Melnhof Holz mit dem Verkauf des russischen Sägewerksstandortes Efimovskij oder Mondi beziehungsweise Stora Enso.

Zudem kämpfte man 2022 mit einer Rekordinflation, die in Kombination mit dem höheren Leitzinssatz der EZB und großer wirtschaftlicher Unsicherheit zu weniger Baugenehmigungen bei Einfamilienhäusern und zahlreichen Stornierungen führte. Noch deutlich länger als der Krieg in Europa mit allen seinen schrecklichen Auswirkungen auf die ukrainische Bevölkerung und mit den wirtschaftlichen Verwerfungen wird die Branche der Klimawandel beschäftigen. Auf der einen Seite leisten die nachhaltige Waldwirtschaft sowie der langfristige Einsatz von Holz(bau)produkten einen zentralen Beitrag zum Klimaschutz. Auf der anderen Seite stehen der Wald und damit die gesamte Branche aufgrund bereits erlebter und prognostizierter Wetterextreme vor großen Herausforderungen. Darüber hinaus werden unsere Wälder von einem Teil der Politik auch als CO2-Senken angesehen.

Jahr in sechs Monaten gemacht

Nach dem Rekordjahr 2021 wird sich für die österreichische und deutsche Holzindustrie trotz der oben genannten Herausforderungen und eines Nachfrageeinbruchs im zweiten Halbjahr unterm Strich eines der umsatz- sowie erlösstärksten Jahre aller Zeiten ausgehen. Allein im Mai 2022 verzeichnete die deutsche Sägeindustrie einen Umsatz von 911 Mio. €. Das waren 239 Mio. € mehr als im Vergleichszeitraum 2021 und knapp 500 Mio. € mehr als im Mai 2020. Der kumulierte Umsatz von Januar bis Oktober 2022 beläuft sich auf 7,6 Mrd. €. Das bedeutet einen Zuwachs um 20 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2021 mit 6,3 Mrd. €. Im Vergleich zu 2020 sind es +80 %.

Blickt man im Datacube auf den vom Holzkurier erhobenen Absatzindikator, der Preise für Schnittholzsortimente, Weiterverarbeitungsprodukte und Sägerestholz berücksichtigt, zeigt sich seit Mai bis einschließlich Dezember 2022 allerdings eine stetige Verschlechterung der Marktlage. Nachfrage und Preise gingen in diesem Zeitraum massiv zurück, nachdem diese bis Ende April sprunghaft zugelegt hatten. Bemerkenswert sind dabei insbesondere die nie dagewesene Höhe der monatlichen Preissprünge sowie die stark verschobenen Preisrelationen (s. Beitrag „Jahresschluss deutlich unter Vorjahr“). BSH kostete lange Zeit mehr als BSP, Seitenware mehr als einzelne Hauptwarensortimente und selbst das Zerhacken von KVH, Schnittholz oder sägefähigem Rundholz für die Pelletsproduktion war 2022 eine Zeit lang (zumindest reich rechnerisch) sinnvoll.

Der Pelletspreis kletterte zwischenzeitlich auf über 700 €/t und notierte im Dezember immer noch jenseits der 500 €/t-Marke. Die Preise für Hackgut und Sägespäne stiegen zum Teil auf den zehnfachen Wert der Vorjahresperiode an.

Verdientes Geld wird reinvestiert

Ein Trend, der sich 2022 weiter fortsetzte, ist die Kauflaune der großen österreichischen und bayerischen Holzindustrien im Norden Europas. Bereits im Dezember 2021 wurde bekannt, dass Mayr-Melnhof Holz die schwedische Sägewerksgruppe Bergkvist Siljan für (laut Insiderschätzungen) mehr als 250 Mio. € übernimmt. Mit der Zustimmung der Wettbewerbsbehörden wurde die Übernahme mit 1. Februar 2022 rechtskräftig. Die Kapazität der Standorte wird auf 850.000 fm/J geschätzt.

Die HS Timber Group übernahm am 29. April das Sägewerk Luvian Saha samt Weiterverarbeitung im Westen von Finnland. Mit rund 120 Mitarbeitern produziert Luvian Saha rund 300.000 m3/J Nadelschnittholz sowie Hobelware und oberflächenbehandelte Produkte.

Die Ziegler Group erwarb im Mai die schwedischen Sägewerksstandorte Balungstrands Sågverk und Bäckebrons Sågverk. Mit dieser ersten Akquise außerhalb Deutschlands steigerte das bayerische Familienunternehmen seine Kapazitäten um 700.000 fm/J auf knapp 3 Mio. fm/J.

Anfang Dezember wurde bekannt, dass BSW Timber, das größte integrierte Sägewerks- und Forstwirtschaftsunternehmen in Großbritannien und Teil der Binderholz-Gruppe, die Scott Group, einen führenden Anbieter von Holzpaletten und Holzverpackungslösungen, übernommen hat. Der Jahresumsatz des Tiroler Unternehmens liegt mit dieser Übernahme laut eigenen Angaben bei beinahe 2,8 Mrd. €.

Unmittelbar vor Weihnachten unterzeichnete die Pfeifer Holding eine Vereinbarung um sämtliche Anteile am finnischen Holzverarbeitungsunternehmen Pölkky Oy zu kaufen. Laut Holzkurier-Einschätzung entsteht mit 3 Mio. m3 Schnittholzoutput die Sägewerksnummer 3 in Europa (s. Beitrag „Neues Sägewerkspodium in Europa“).

Strategische Neuausrichtungen

In Deutschland erwarb Mercer International im Juli die Holzindustrie Torgau (HIT). Nach der Übernahme ist Mercer laut eigenen Angaben der größte deutsche Palettenproduzent und verfügt über eine Schnittholzkapazität von rund 960 Mio. bft/J. Der Kaufpreis belief sich auf 270 Mio. €.

In Österreich kaufte die Hasslacher Gruppe zwei Unternehmen: das europaweit tätige Holzbauunternehmen Hofer Holzbau mit rund 40 Mitarbeitern sowie den in Lainach ansässigen Leimholzproduzenten Gemson mit ebenso vielen Mitarbeitern. Bereits Ende 2021 beteiligte sich Hasslacher mit 60 % an Lau Forstservice.

Bemerkenswert sind auch die strategischen Entwicklungen von Kaindl und Stora Enso. Kaindl kaufte sich 2022 Stück für Stück in West Fraser, der zweitgrößte Holzindustrie der Welt, ein. Gegenüber dem Holzkurier bestätigte West Fraser, die im November, dass das „Kaindl-Unternehmen“ Banasino Investments nunmehr eine Beteiligung von „voraussichtlich“ 10,2 % besitze. Der Aktienshare Kaindls nähert sich damit denen des Haupteigners Ketcham Investments (10,7 % der Stimmrechte; ein Unternehmen der Familie des Vorsitzenden von West Fraser, Hank Ketcham) sowie des kanadischen Milliardärs Jim Pattison (14 % aller West Fraser-Aktien).

Zudem kündigte Kaindl im September den Bau eines gewaltigen Biomasse-Heizkraftwerks für 175 Mio. € in Wals bei Salzburg an. Vorbehaltlich einer positiven Umweltverträglichkeitsprüfung soll der Baustart 2023 erfolgen. Zur Energiegewinnung soll ausschließlich Altholz eingesetzt werden.

Der finnisch-schwedische Holzkonzern Stora Enso hat 2022 den Verkaufsprozess für eine mögliche Veräußerung von vier seiner fünf Papierproduktionsstandorte eingeleitet. Die Verkaufsabsicht stehe im Einklang mit der Unternehmensstrategie, sich auf das langfristige Wachstumspotenzial für seine erneuerbaren Produkte in den Bereichen Verpackung, Gebäudelösungen und Biomaterialien zu konzentrieren, informierte der Konzern.

Drei neue Sägewerke starten

Nachdem die Holzkurier-Redaktion 2021 über fünf neue, große Sägelinien in Österreich und Deutschland berichten konnte, folgte 2022 der Start des Best Wood Schneider-Greenfieldprojektes in Meßkirch/DE. Ausgelegt auf einen Jahreseinschnitt von 350.000 fm, soll der Standort von der Rundholzaufgabe über die Sägelinien und den Trockenkanal und später bis hin zum fertigen Brettsperrholz-Element komplett ohne Stapler auskommen. Eine 100.000 m3/J- BSP-Produktion soll im 2. Quartal 2023 starten.

In der Schweiz ist das Holzbauunternehmen Uffer gerade dabei, die alte Gemeindesägerei in Tinizong zu revitalisieren und ein hochdigitales sowie leistungsfähiges Holzkompetenzzentrum zu errichten. Im Dezember 2022 wurde der erste Stamm geschnitten – die Inbetriebnahme ist im Frühling 2023 geplant. Mittelfristig möchte man bis zu 70.000 fm/J verarbeiten.

Ebenfalls im Frühling 2023 und in der Schweiz soll das neue Sägewerk der Tschopp Holzindustrie in Buttisholz starten. Mit einem Budget von 70 Mio. CHF soll nicht nur die größte Investition der Unternehmensgeschichte, sondern auch das laut eigenen Angaben „modernste Sägewerk der Schweiz“ entstehen. Als Leistungsvorgabe wurden 300.000 fm/J Einschnitt definiert, welche die Sägelinie in maximal zwei Schichten bewältigen soll.

Deutlich weiter entfernt, in Argentinien, startet HS Timber gemeinsam mit dem belgischen Joint Venture-Partner Forestcape ein 500.000 fm/J-Sägewerk. Die Investitionssumme wird mit 87 Mio. € beziffert. In Rumänien schloss HS Timber indes das Sägewerk in Rădăuți sowie das Leimholzplattenwerk in Siret.