Hessen

Bereits 850 Mio. €: weitere Klage wegen „Holzkartell“

Ein Artikel von Martina Nöstler (für holzkurier.com bearbeitet) | 07.09.2020 - 16:11

Dem Land Hessen wird vorgeworfen, gemeinsam mit kommunalen und privaten Waldbesitzern über Jahrzehnte ein „Rundholzsyndikat“ unterhalten zu haben.

Geklagt wird durch die eigens gegründete „ASG 4 – Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Hessen GmbH“. Sie hat die Forderungen von 21 Sägewerken aufgekauft, um gebündelt klagen zu können. Im Erfolgsfall verspricht sie, die zugesprochenen Klagesummen an die Sägewerke auszuschütten – abzüglich eines beträchtlichen Eigenanteils. Hinter der Klägerin steht das international operierende Unternehmen „Burford Capital“, welches sich selbst als „weltweit größten Prozessfinanzierer“ beschreibt. Hessen ist neben Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Rheinland-Pfalz mittlerweile das fünfte Bundesland, das mit einer solchen Klage konfrontiert wird. Die Gesamtsumme beläuft sich laut derzeitigem Kenntnisstand auf rund 850 Mio. €: Baden-Württemberg 416 Mio. €, Nordrhein-Westfalen über 180 Mio. €,  Thüringen 84,5 Mio. €, Rheinland-Pfalz rund 120 Mio. €.

Laut der Klägerin mussten die Sägewerke von 2009 bis etwa Mitte 2019 deutlich überhöhte Holzpreise an HessenForst zahlen. Ihr Kernargument ist, dass die Sägewerke durch die angeblich dominante Stellung von HessenForst auf dem Rundholzmarkt keine Möglichkeit gehabt hätten, räumlich auszuweichen und bei anderen Rundholzanbietern einzukaufen. Doch der Großteil der klagenden Sägewerke befindet sich nicht in Hessen. „Es ist schwer zu verstehen, wie eine Gruppe von Sägewerken mit mehrheitlichen Unternehmenssitzen außerhalb Hessens nun das Land Hessen verklagt. Sie haben alle Möglichkeiten, außerhalb von Hessen Rundholz einzukaufen. Zudem ist bei einem Einkaufsradius eines Sägewerks von 100 km die einkaufsrelevante Fläche deutlich größer als unser Bundesland. Hessen ist nicht die sibirische Tundra, sondern stellt nur einen kleinen Teil des Einkaufsmarktes für große Sägewerke dar", sagte Umweltministerin Priska Hinz heute in Wiesbaden.

Die staatliche Forstverwaltung habe jahrzehntelang insbesondere kleine kommunale und private Waldbesitzer ohne das Know-how und die vorhandenen Vertriebsstrukturen beim Holzverkauf unterstützt, schreibt das Hessische Ministerium für Umwelt. „Die gemeinsame Holzvermarktung hat kommunale und private Waldbesitzer jahrelang entlastet. Trotzdem haben wir vorsorglich die Kritik des Bundeskartellamtes berücksichtigt und in Hessen die Vielfalt der Anbieter von Rundholz gestärkt“, erklärte Ministerin Hinz. Deshalb hat sich HessenForst aus der Holzvermarktung im Privat- und Kommunalwald zurückgezogen. Das Land fördert die Gründung von Holzverkaufsorganisationen, welche die Vermarktung des Rundholzes für kommunale und private Waldbesitzer übernehmen. Bei kommunalen und privaten Waldbesitzern unter 100 ha Waldfläche sowie Gemeinschaftswäldern übernehme HessenForst unabhängig von der Flächengröße die Holzverkaufsvermittlung weiterhin, heißt es.